Energie & Infrastruktur

Neue Energieeinsparverordnungen – Weitere Belastungen für Unternehmen und Gebäudeeigentümer

Um die Gasversorgungssicherheit in Deutschland sicherzustellen, hat die Bundesregierung zwei Verordnungen für kurz- und mittelfristige Maßnahmen zur Gaseinsparung erlassen („Kurzfristenergieversorgungs­­sicherungs­maßnahmen­verordnung – EnSikuMaV“ und Mittelfristenergie­versorgungssicherungs­maßnahmenverordnung – „EnSimiMaV). Beide Verordnungen richten sich vor allem an Gebäudeeigentümer, gasverbrauchende Unternehmen sowie den Einzelhandel und sehen verbindliche Energieeinsparmaßnahmen vor. Die Regierung schätzt den Umsetzungsaufwand für Gebäudeeigentümer und Unternehmen auf bis zu EUR 5,7 Mrd., wobei in diese Kalkulation nicht alle von Unternehmen geforderten Maßnahmen einkalkuliert sind. Neben der Gasbeschaffungs- und Gasspeicherumlage kommen daher weitere Belastungen auf Unternehmen zu.

 

Gleiss Lutz Kommentar

Mit der Kurz- und Mittelfristenergieversorgungssicherungs­maßnahmenverordnung treten zeitnah zwei weitere Verordnungen in Kraft, die zahlreiche Handlungspflichten und finanzielle Belastungen für Gebäudeeigentümer und Unternehmen auslösen werden. Mit ihnen verspricht sich die Bundesregierung eine jährliche Einsparung von knapp 20 Terawattstunden Gas (ca. 2 % des deutschen Gasverbrauchs). Neben Informations- und Prüfpflichten, die überwiegend administrativen Aufwand oder nur überschaubare finanzielle Aufwendungen erfordern werden, sollten Unternehmen insbesondere die Umsetzungspflicht für Energieeffizienzmaßnahmen beachten. Vor allem diese Pflicht ist – abhängig von den in Audits und Energiezertifizierungen vorgesehenen Einsparmaßnahmen – geeignet, erhebliche Mehrkosten für betroffene Unternehmen auszulösen. Dabei gilt eine äußerst knapp bemessene Umsetzungsfrist für solche Maßnahmen von nur 18 Monaten. Unternehmen sollten daher frühzeitig prüfen, ob sie von der entsprechenden Pflicht erfasst werden.

 

Verordnung über kurzfristige Einsparmaßnahmen

Die „Kurzfristenergieversorgungssicherungs­maßnahmenverordnung“ enthält Maßnahmen zur Energieeinsparung im Gebäudebereich für einen Zeitraum von sechs Monaten während der Heizperiode im Winter 2022/2023. Sie soll zum 1. September 2022 in Kraft treten und befristet bis zum 28. Februar 2023 gelten. Das vorgesehene Maßnahmenpaket betrifft sowohl Privathaushalte, als auch öffentliche Gebäude und Unternehmen. Für Unternehmen sieht die Verordnung unter anderem folgende Maßnahmen vor:

  • Öffnungsbeschränkung von Ladentüren und Eingangssystemen im Einzelhandel,
  • Nutzungseinschränkung beleuchteter Werbeanlagen und
  • Mindestwerte der Lufttemperatur für Arbeitsräume in Arbeitsstätten.

Von diesen Maßnahmen wird insbesondere der Einzelhandel betroffen sein. Einzelhandelsunternehmen müssen Türöffnungssystem so gestalten, dass die Ladentüren nicht dauerhaft geöffnet sind; Ausnahmen sind nur für Flucht- und Rettungswege vorgesehen, soweit dies technisch notwendig ist. Zudem dürfen Werbeanlagen in der Zeit von 22 - 6 Uhr nicht beleuchtet werden, soweit dies nicht aus Gründen der Verkehrssicherheit erforderlich ist. Gerade in schlecht beleuchteten deutschen Innenstädten tragen Werbeanlagen zur einer Erhöhung der öffentlichen Sicherheit in den Nachtstunden bei, sodass im Einzelfall mit den zuständigen Behörden Ausnahmen abgestimmt werden sollten.

Die weiteren Maßnahmen der Verordnung betreffen insbesondere öffentliche Gebäude, d.h. insbesondere öffentliche Verwaltungsgebäuden der Kommunen, Bundesländer und des Bundes. Für die Nutzung solcher öffentlichen Gebäude sieht die Verordnung insbesondere vor:

  • Verbot der Beheizung von Gemeinschaftsflächen,
  • Höchstwerte für die Lufttemperatur in Arbeitsräumen,
  • Nutzungsuntersagung von Trinkwassererwärmungsanlagen in öffentlichen Nichtwohngebäuden und
  • Verbot der Außenbeleuchtung, auch für Denkmäler.

Zudem enthält die Verordnung eine Informationspflicht über Preissteigerungen. Diese Informationspflicht richtet sich zunächst an Gas- und Wärmelieferanten, die bis zum 30. September 2022 Eigentümern von Wohngebäuden oder Eigentumswohnungen bzw. Endkunden in Wohneinheiten aufbereitete Energieinformationen zur Verfügung stellen müssen. Das betrifft unter anderem Informationen über den Energieverbrauch und die Energiekosten des Gebäudes bzw. der Wohneinheit, voraussichtliche Energiekosten unter Berücksichtigung von Preissteigerungen sowie Informationen über Einsparpotentiale. Eigentümer von Wohngebäuden mit mindestens zehn Wohneinheiten müssen diese Informationen wiederrum bis zum 31. Oktober 2022 an ihre Mieter weiterleiten und spezifische Angaben über den jeweiligen Verbrauch der Wohneinheit und die zu erwartenden Energiekosten bei unverändertem Energieverbrauch zur Verfügung stellen. Für Gebäudeeigentümer ist hier zeitnah ein hoher administrativer Aufwand absehbar.

 

Verordnung über mittelfristige Einsparmaßnahmen

Die „Mittelfristenergieversorgungssicherungs­maßnahmenverordnung“ sieht für Gebäudeeigentümer und Unternehmen weitere (zwingende) Maßnahmen vor. Die Verordnung soll zum 1. Oktober 2022 in Kraft treten und bis zum 30. September 2024 gelten.

Für Gebäudeeigentümer sieht die Verordnung insbesondere folgende Pflichten vor:

  • Prüfung von erdgasbetriebenen Heizungs- und Warmwasseranlagen,
  • Vornahme eines hydraulischen Abgleichs und weitere Heizungsoptimierung,
  • Austausch bestimmter Heizungs- und Warmwasserpumpen.

Soweit Eigentümer von Gebäuden Anlagen zur Wärmeerzeugung durch Erdgas für Heizung oder Warmwasser nutzen, werden sie dazu verpflichtet, eine Heizungsprüfung durch fachkundige Personen durchführen und die Heizungsanlage des Gebäudes optimieren zu lassen. Insbesondere der Prüfung, ob die zum Betrieb einer Heizung einstellbaren technischen Parameter für den Betrieb der Heizung hinsichtlich der Energieeffizienz optimiert sind, kommt dabei besondere Bedeutung zu. Wenn entsprechender Optimierungsbedarf festgestellt wird, ist dieser bis zum 15. September 2024 durchzuführen. Ob Ausnahmen von dieser Pflicht bestehen (bspw. bei standardisierten Energiemanagementsystemen wie DIN ISO 50001), ist im Einzelfall zu prüfen. Darüberhinausgehend ist der Verordnung eine umfangreiche, durch zahlreiche Rückausnahmen und mit unterschiedlichen Umsetzungsfristen versehene Verpflichtung zum hydraulischen Abgleich von Gaszentralheizungssystemen zu entnehmen. Ebenfalls einer genauen Einzelfallprüfung bedarf die Pflicht zum Austausch bestimmter Heizungspumpen bis zum 15. September 2024.

Von besonderer Relevanz dürften aber die Umsetzungsmaßnahmen für Unternehmen sein, insbesondere:

  • Verpflichtende Umsetzung aller konkret identifizierten und als wirtschaftlich durchführbar bewerteten Energieeffizienzmaßnahmen.

Hiernach wird Unternehmen auferlegt, in Energieaudits nach § 8 des Gesetzes über Energiedienstleistungen und andere Energieeffizienzmaßnahmen (EDL-G) sowie im Rahmen eines Energie- oder Umweltmanagementsystemen nach § 8 Abs. 3 Nr. 1 u. 2 EDL-G konkret identifizierte und als wirtschaftlich durchführbar bewertete Maßnahmen zur Verbesserung der Energieeffizienz umzusetzen. Dabei sollen betroffene Unternehmen der Pflicht zur Umsetzung unverzüglich, spätestens aber innerhalb von 18 Monaten nachkommen.

Die Umsetzung solcher Maßnahmen zur Verbesserung der Energieeffizienz wird zu erheblichen Mehrbelastungen für Unternehmen führen: Bislang bestand zwar für viele Unternehmen bereits die Pflicht für ein Energieaudit nach dem EDL-G; neu ist jedoch eine Pflicht zur Umsetzung der festgestellten und empfohlenen energetischen Verbesserungsmaßnahmen. Mit der Verordnung will die Bundesregierung diese Lücke schließen und wird damit weitere (erhebliche) wirtschaftliche Anstrengungen der betroffenen Unternehmen auslösen. Den gesamtdeutschen Erfüllungsaufwand für die Umsetzung dieser Maßnahmen hat die Bundesregierung nicht geschätzt und nimmt daher keine Folgenabschätzung für die Unternehmen vor. Das ist, angesichts der aktuellen erheblichen finanziellen Mehrbelastungen für Unternehmen, sehr ernüchternd. Der in der Verordnung vorgesehene Wirtschaftlichkeitsvorbehalt soll zwar dazu dienen, dass Unternehmen – im Grundsatz –  keine unwirtschaftlichen Maßnahmen durchführen sollen. Er eröffnet allerdings wenig Spielraum, da nach diesem Vorbehalt eine Maßnahme als wirtschaftlich durchführbar gilt, wenn sich bei der Wirtschaftlichkeitsbetrachtung der Maßnahme nach DIN EN 17463, Ausgabe Februar 2020, nach maximal 20 % der Nutzungsdauer ein positiver Kapitalwert ergibt (begrenzt auf einen Bewertungszeitraum von maximal 15 Jahren). Ausgestaltet wird die Umsetzungspflicht ebenfalls mit einer Pflicht zur fachkundigen Bestätigung umgesetzter oder wegen fehlender Wirtschaftlichkeit unterlassener Maßnahmen.

Angesichts der kurzen Umsetzungsfrist von nur 18 Monaten sollten Unternehmen frühzeitig prüfen, ob sie vom Anwendungsbereich der Umsetzungspflicht der Verordnung erfasst werden. Das ist mitunter eine komplexe Frage: Die Verordnung adressiert solche Unternehmen, die bereits zur Durchführung sogenannter Energieaudits verpflichtet sind oder ein besonderes Energiemanagementsystem implementiert haben. Maßgeblich ist insoweit der Anwendungsbereich des EDL-G.
In § 8 Abs. 1 EDL-G werden Unternehmen, die keine Kleinstunternehmen, kleine und mittlere Unternehmen (KMU) sind, verpflichtet, ein Energieaudit nach Maßgabe dieses Gesetzes durchzuführen, sofern nicht etwa ein Energiemanagementsystem im Sinne von § 2 Nr. 17 EDL-G besteht. Zur Abgrenzung von KMU verweist das EDL-G wiederum auf eine detaillierte Empfehlung der Kommission vom 6. Mai 2003. Das EDL-G stellt hierdurch ausschließlich auf den Begriff des Unternehmens ab, ohne ein Unternehmen nach räumlich-organisatorischen (Teil-)Bereichen näher auszudifferenzieren. Als Unternehmen gilt dabei jede Einheit, unabhängig von ihrer Rechtsform, die eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübt. Wohl aufgrund eines vergleichsweise nur geringen Einspareffektes sieht die Verordnung allerdings eine Rückausnahme für solche Unternehmen vor, deren jährlicher durchschnittlicher Gesamtenergieverbrauch innerhalb der letzten drei Jahre weniger als 10 Gigawattstunden betrug.

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