Das Bundesministerium für Umwelt, Klimaschutz, Naturschutz und nuklearer Sicherheit (BMUKN) hat am 19. Juni 2025 einen Entwurf zu der Weiterentwicklung der Treibhausgasminderungsquote (THG-Quote) veröffentlicht. Dieser Entwurf wurde nun in wesentlichen Punkten durch das Ministerium überarbeitet und weitet die schon bereits mit dem Ersten Gesetz zur Weiterentwicklung der THG-Quote (2021) angepassten Anforderungen an die Erfüllung der Quote an wesentlichen Stellen weiter aus. Besonders hervorzuheben ist die Fortschreibung der THG-Quote auf 59 % bis zum Jahr 2040, die eine Steigerung der Dekarbonisierungsanforderungen für betroffene Unternehmen bedeutet. Allerdings sind in dem neuen Entwurf auch Brancheninteressen berücksichtigt worden. Für die betroffenen Wirtschaftsakteure lohnt sich daher ein Blick auf die bald in Kraft tretenden, verbindlichen Änderungen hinsichtlich der zukünftigen Erfüllung der THG-Quote. Ausführlich zu den Änderungen des ursprünglichen Entwurfs siehe auch: Weitere nationale Umsetzungsmaßnahme zu RED III – Referentenentwurf eines zweiten Gesetzes zur Treibhausgasminderungsquote | Gleiss Lutz.
Hintergrund und Ziel
Die Bundesregierung bezweckte durch den ursprünglichen Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur THG-Quote vom 19. Juni 2025 die sog. Richtlinie zur Förderung von Energie aus erneuerbaren Quellen (sog. RED III, Richtlinie (EU) 2023/2413 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Oktober 2023 zur Änderung der Richtlinie (EU) 2018/2001, der Verordnung (EU) 2018/1999 und der Richtlinie 98/70/EG im Hinblick auf die Förderung von Energie aus erneuerbaren Quellen und zur Aufhebung der Richtlinie (EU) 2015/652) verbindlich in nationales Recht umzusetzen. Die Frist zur Umsetzung war bereits am 21. Mai 2025 abgelaufen und wurde aufgrund der vorgezogenen Neuwahlen in Deutschland von der EU-Kommission verlängert.
Nun wurde der Referentenentwurf des BMUKN am 29 Oktober 2025 überarbeitet und in die Ressortabstimmung übergeben, deren Ergebnis nach wie vor auf sich warten lässt. Trotz der Hoffnung der Bundesregierung noch im Dezember im Kabinett über den Entwurf zu entscheiden, ist eher mit einer Umsetzung nach dem 1. Januar 2026 zu rechnen. Auch in diesem Fall müssen sich die betroffenen Wirtschaftsakteure darauf einstellen, dass die Wirkungen des neuen Gesetzes rückwirkend zu Beginn des Jahres 2026 greifen werden, da sich die THG-Quote auf die Jahres-Emissionen der quotenverpflichteten Unternehmen bezieht.
Die Änderungen des Referentenentwurfs beziehen sich dabei nicht nur auf die Anpassung der Höhe und konkreten Ausgestaltung der THG-Quote, sondern es wird auch der Anwendungsbereich der THG-Quote auf den Straßenverkehr beschränkt. Darüber hinaus enthält der Entwurf im Zusammenhang mit der Umsetzung der ReFuelEU Aviation-VO weitere Vorschriften zu Flugkraftstoffen und zu deren Überwachung und finanzieller Sanktionierung.
Wesentliche Änderungen seit dem Referentenentwurf vom 19. Juni 2025
I. Erhöhung der verbindlichen Minderungswerte bei der THG-Quote
Der Referentenentwurf vom 19. Juni 2025 sah eine schrittweise Anhebung der Treibhausgasminderungs-Quote nach § 37a Abs. 4 BImSchG bis auf 53 % im Jahr 2040 vor. Der überarbeitete Referentenentwurf vom 29. Oktober 2025 erhöht den Anhebungspfad ab dem Jahr 2027 und führt zu einem Zielwert von 59 % im Jahr 2040. Damit soll den Produzenten erneuerbarer Kraftstoffe und Betreibern von Ladepunkten für die Elektromobilität die notwendige Investitions- und Planungssicherheit gegeben werden.
§ 37a Abs. 4 BImSchG-E sieht ab 2027 u.a. folgende Anhebungen vor:
- 2027: 16 %,
- 2028: 18 %,
- 2031: 28,5 %,
- 2032: 31,5 %,
- 2035: 36 %,
- 2036: 40,5 %,
- 2037: 45 %,
- 2038: 49 %,
- 2039: 54 %,
- 2040: 59 %.
Durch die erhöhten 59 % THG-Einsparungen soll einem Anteil i.H.v. 62 % an erneuerbaren Energien am Gesamtenergieverbrauch im Verkehr gemäß der Berechnungsmethode der RED III entsprochen werden. Im Unterschied dazu hat der bisherige Entwurf mit den angestrebten 53 % THG-Einsparungen einen Anteil an erneuerbaren Energien am Gesamtenergieverbrauch im Verkehr von über 77 % erwartet. Diese Zielsetzung wurde durch den neuen Entwurf aufgegeben.
Im Zuge der Ermittlung des Referenzwert, zu dem die THG-Einsparung zu erfolgen hat, wird zudem nach dem neuen Entwurf die Mehrfachanrechnung erneuerbaren Kraftstoffs zu einem dreifachen Faktor statt 2034 sogar bis 2037 möglich sein.
II. Geltung der THG-Quote nur für den Straßenverkehr
Eine grundlegende Änderung der bisherigen Entwurfsfassung und der aktuellen Gesetzeslage ist, dass die THG-Quote künftig nur für das Inverkehrbringen von Kraftstoffen für den Straßenverkehr nach § 37a Abs. 1 BImSchG gelten soll. Der Entwurf sieht eine Streichung der Verpflichtung für den Flugverkehr nach § 37a Abs. 2 BImSchG vor. Dies bedeutet, dass die europäischen Vorgaben für Biokraftstoffe im Schiffs- und Flugverkehr getrennt vom aktuellen Gesetzesvorhaben in bereits bestehende Verordnungen (z.B. Biokraftstoff-Nachhaltigkeitsverordnung) übernommen werden müssen.
Durch diese Änderung ist zudem geplant, den Mindestanteil an erneuerbaren Kraftstoffen, sog. Power-to-Liquid-Quote (PtL-Quote), für den Flugverkehr nach § 37a Abs. 4a BImSchG entfallen zu lassen. Durch diesen Schritt soll der Flugverkehr vor zu ambitionierten und praktisch kaum erreichbaren Dekarbonisierungszielen bewahrt werden, da es bislang kaum Produktionsanlagen für grünes Kerosin gibt und mit einer verbindlichen Quote ab 2026 den betroffenen Unternehmen hohe Strafzahlungen drohen würden.
III. Anpassung des Mindestanteils an erneuerbaren Kraftstoffen
Im Gegensatz zu dem in Zukunft ausgenommenen Flugverkehr sollen verpflichtete Unternehmen nach § 37a Abs. 1 BImSchG weiterhin zur Erbringung eines Mindestanteils (PtL-Quote bzw. Unterquote) verpflichtet sein. Die Unterquote ist der Mindestanteil an erneuerbaren Kraftstoffen nicht biogenen Ursprungs, den Verpflichtete pro Jahr in Verkehr zu erbringen haben. Zukünftig soll diese Pflicht in § 3b Abs. 1 der 37. BImSchV normiert sein und sieht eine Steigerung von 0,1 % im Jahr 2026 auf bis zu 4 % im Jahr 2040 vor. Im ursprünglichen Entwurf sollte dieser Mindestanteil auf bis zu 12 % im Jahr 2040 ansteigen. Insofern ist in dem überarbeiteten Entwurf eine branchenfreundlichere Lösung gefunden worden.
IV. Ausweitung der bestehenden Ausnahmen von der THG-Quote
Während der Entwurf vom 19. Juni 2025 noch darauf abzielte, künftig keine Ausnahme im Adressatenkreis der Verpflichteten der THG-Quote nach § 37a Abs. 1 BImSchG beizubehalten – mit der Begründung, es bestehe keine Pflicht zur Beimischung von Biokraftstoffen, die Lagerbeständigkeit der Kraftstoffe sei daher unproblematisch und zudem stünden zahlreiche Erfüllungsoptionen zur Verfügung – vollzieht der neue Entwurf eine komplette Kehrtwende. Nicht nur bleiben die bisherigen Ausnahmen bestehen. Zusätzlich soll das Inverkehrbringen von Kraftstoffen – nicht hingegen der Erwerb – durch die Bundespolizei und Landespolizeien, den Zolldienst, die Bundesanstalt Technisches Hilfswerk, das Bundeskriminalamt, die Feuerwehren und die Einheiten und Einrichtungen des Zivil- und Katastrophenschutzes vom Anwendungsbereich ausgenommen sein. Der Gesetzgeber sieht aufgrund der sicherheitspolitischen Lage die Notwendigkeit, die Bevorratung von und die Versorgung mit reinen fossilen Kraftstoffen zur Wahrung der Resilienz der Bundesrepublik Deutschland in Krisenzeiten zu priorisieren. Die nun einbezogenen Gruppierungen sind wesentlich von der sicheren Versorgung mit reinen fossilen Kraftstoffen abhängig.
V. Anpassung der Ausschlusstatbestände für Biokraftstoffe
Verpflichtete können auch künftig weiterhin Sojaöl als Erfüllungsoption auf die THG-Quote anrechnen. Während die alte Fassung in § 37b Abs. 8 Nr. 2 BImSchG-E Biokraftstoffe aus Sojaöl von der Anrechnung ausschloss, soll nach dem neuen Entwurf Sojaöl weiter berücksichtigt werden.
VI. Bestimmung der zuständigen Behörde
Die Überwachung der Flugkraftstoffanbieter soll von dem Hauptzollamt Frankfurt (Oder) gem. § 37m Abs. 1 BImSchG-E (neu) i.V.m. § 20 Abs. 3 der 38. BImSchV (Verordnung zur Festlegung weiterer Bestimmungen zur Treibhausgasminderung bei Kraftstoffen) wahrgenommen werden. Zu den Tätigkeiten gehören unter anderem die Vor-Ort-Überwachung und die Verhängung von Bußgeldern bei Verstößen. Die Organisation der Überwachung ist derzeit noch Streitgegenstand zwischen dem BMUKN und dem Bundesfinanzministerium.
VII. Umsetzung der ReFuelEU Aviation
Im Zuge der Sonderregelung von Flugkraftstoffen im BImSchG-E und der Implementierung der ReFuelEU Aviation sollen die §§ 37k - 37m BImSchG-E laut dem überarbeiteten Zweiten Gesetzesentwurf implementiert werden. Sie regeln die Überwachung von Flugkraftstoffanbietern und deren Bericht- und Abgabepflichten.
Fazit und Ausblick
Mit dem überarbeiteten Zweiten Gesetzesentwurf zur Weiterentwicklung der THG-Quote möchte die Bundesregierung den bereits 2021 eingeschlagenen Anhebungspfad der Treibhausgasminderungs-Quote weiter als bisher vorgesehen beschleunigen. Die nun vorgesehene Steigerung der THG-Quote auf 59 % bis zum Jahr 2040 soll Produzenten erneuerbarer Kraftstoffe und Betreibern von Ladeinfrastruktur eine verlässlichere Investitions- und Planungsperspektive eröffnen und wird durch die Verlängerung der Dreifachanrechnung bis 2037 flankiert. Der Entwurf bleibt jedoch hinter einer stringenten Dekarbonisierungsstrategie zurück, indem er die Unterquote für erneuerbare Kraftstoffe nicht biogenen Ursprungs bis 2040 auf lediglich 4 % absenkt und deren endgültige Ausgestaltung ausdrücklich politischen Nachverhandlungen vorbehält.
Die Ausweitung der Ausnahme von zentralen Sicherheits- und Katastrophenschutzstrukturen vom Anwendungsbereich der THG-Quote unterstreicht zudem die Priorisierung von Versorgungs- und Krisenresilienz vor einer konsequenten Durchsetzung von Dekarbonisierungspflichten. Mit der Implementierung der ReFuelEU-Aviation-Vorgaben für die Überwachung von Flugkraftstoffanbietern werden zwar erstmals klar konturierte Kontroll- und Sanktionsmechanismen im Luftverkehr etabliert, diese aber vom Anwendungsbereich der TGH-Quote ausgenommen. Angesichts bestehender Ressortkonflikte ist die praktische Ausgestaltung der Mechanismen aber noch nicht abschließend geklärt.
Ob das nun gewählte Instrumentarium aus ambitionierterer THG-Quote, abgeschwächter Mindestquote, Beschränkung auf den Straßenverkehr und erweiterten Ausnahmen ausreicht, um die unionsrechtlichen Vorgaben und die nationalen Klimaziele im Verkehrssektor zuverlässig zu erreichen und dabei verlässliche Rahmenbedingungen für die betroffenen Wirtschaftsakteure zu schaffen, bleibt vor diesem Hintergrund offen. Nicht zuletzt deshalb, weil sich die Umsetzung des überarbeiteten Gesetzentwurfs entgegen europarechtlichen Verpflichtungen weiter verzögert und die konkrete Ausgestaltung und Umsetzungszeitpunkt weiterhin unklar sind.