Energie & Infrastruktur

EnWG-Novelle: Nur eine Übergangslösung für Kundenanlagenbetreiber

Das Urteil des EuGH sowie der Beschluss des BGH zum Kundenanlagenbegriff brachten für Anlagenbetreiber erhebliche Unsicherheit mit sich. Im Rahmen der EnWG-Novelle hat der Bundestag nun eine Übergangsregelung für bereits bestehende Kundenanlagen beschlossen. Das ist nur eine Zwischenlösung und verschafft keine nachhaltige Rechtssicherheit.

Aktueller Anknüpfungspunkt 

Bestandteil der am 13. November 2025 im Bundestag beschlossenen EnWG-Novelle ist auch eine kurzfristig in den Gesetzentwurf aufgenommene Übergangsregelung für bestehende Kundenanlagen. Diese sollen nach dem neu eingeführten § 118 Abs. 7 EnWG bis zum 31. Dezember 2028 nicht den Vorgaben für Energieversorgungsnetze unterliegen. Die bisherige Rechtslage wird damit für Betreiber bestehender Kundenanlagen konserviert; sie werden weiterhin nicht als Netzbetreiber behandelt. Der Gesetzgeber reagiert damit erstmals auf die seit November 2024 anhaltende Rechtsunsicherheit im Umgang mit der sog. Kundenanlage (Näheres dazu hier). Die geschaffene Übergangslösung für Bestandsanlagen soll allen Akteuren ausreichend Zeit für die Umstellung auf eine neue nationale Rechtslage ermöglichen. 

Hintergrund der Regelung und bisherige rechtliche Ausgangslage 

Die Übergangsregelung ist eine Reaktion auf den BGH-Beschluss vom 13. Mai 2025 (Az. EnVR 83/20) zur Auslegung des Begriffs der Kundenanlage in § 3 Nr. 24a EnWG, der im Lichte der EuGH-Entscheidung (Az. C‑293/23) vom 28. November 2024 unionsrechtswidrig ist. Zuvor galt die Kundenanlage als praktisch und unbürokratisch, da sie als unregulierte Struktur innerhalb der lokalen Netzebene verstanden wurde und die regulatorischen Anforderungen des Verteilernetzes keine Anwendung fanden. Die Kundenanlage hatte (und hat faktisch immer noch) einen breiten Anwendungsbereich in Deutschland, weil sie die Strom- und Gasverteilung auf dem „letzten Kilometer“ stark vereinfachte und insbesondere die Verteilung von Strom und Gas in Industrie-, Gewerbe-, Forschungs- und anderen zusammenhängenden Gebieten der Netzregulierung entzog. 

Im Vorabentscheidungsverfahren stellte der EuGH klar, dass die deutsche Anlagenkategorie der Kundenanlage in ihrer nationalen Ausgestaltung unionsrechtswidrig ist (Näheres zu dem Verfahren hier). Der BGH gab daraufhin seine bisherige Rechtsprechung auf, wonach für die Einordnung als Kundenanlage maßgeblich war, ob potenziell Auswirkungen auf den Versorgungswettbewerb oder die Stellung des Netzbetreibers bestanden. Entscheidend ist nunmehr der Versorgungscharakter einer Energieanlage, also ob die Weiterleitung der Energie dem entgeltlichen Verkauf dient oder nicht. Über das Verfahren und die Entscheidungsgründe des BGH informierten wir Sie bereits hier

Die EuGH-/BGH-Rechtsprechung hat den Begriff der Kundenanlage stark verengt: Entgeltliche Drittbelieferung spricht nun regelmäßig für ein Verteilernetz und damit für die Netzregulierung statt der bisherigen Privilegierung.  Viele bisherige Kundenanlagen drohen dadurch zur regulierten Netzinfrastruktur zu werden – mit Pflichten zu Netzanschluss/-zugang, Entgelten, Messwesen und ggf.  Entflechtung. 

Auswirkungen der Übergangsregelung und Ausblick

Für Bestandsanlagen gibt nun mit der Übergangsregelung die Atempause: Nach § 118 Abs. 7 EnWG bleiben sie bis zum 31. Dezember 2028 vorläufig außerhalb des Netzregimes. Betreiber bestehender Kundenanlagen haben bis dahin die Möglichkeit, eine Bestandsaufnahme vorzunehmen, ob sie von der EuGH-/BGH-Rechtsprechung betroffen sind und wie sie auf eine ggf. erforderliche Neueinstufung als reguliertes Netz reagieren.

Der Mehrwert der Übergangsregelung ist ansonsten begrenzt. Für Neuanlagen, d. h. Energieverteilungen, die erst nach Inkrafttreten der EnWG-Novelle an das vorgelagerte Netz angeschlossen werden, gilt die Übergangsvorschrift ausdrücklich nicht. Für Neuanlagen besteht daher weiterhin Rechtsunsicherheit, ob der nun deutlich verengte Anwendungsbereich der Kundenanlage für eine unbürokratische Weiterleitung von Energie genutzt werden kann oder ob die Regulierung für Energienetze greift. Mit dieser Einstufung werden die Betreiber solcher Leitungsanlagen weiterhin allein gelassen, da es hierfür kein förmliches Einstufungsverfahren gibt. Diese Rechtsunsicherheit wirkt sich bereits seit November 2024 (seit der EuGH-Entscheidung) negativ auf innovative, dezentrale Versorgungskonzepte aus. Der Bundesrat sprach sich in seiner Stellungnahme zum Gesetzentwurf dafür aus, einen Rahmen zu schaffen, der solche Konzepte fördert. Der Bundestag fordert die Bundesregierung zudem auf, eine mit dem Unionsrecht vereinbare Regelung für Konstellationen zu erarbeiten, die unter den bisherigen Kundenanlagenbegriff fallen, und einen unverhältnismäßigen bürokratischen Aufwand für Betreiber zu vermeiden. 

Der Mehrwert der Übergangsregelung ist auch deshalb begrenzt, weil sie für Bestandsanlagen nur einen Übergangszeitraum bis Ende 2028 gewährt. Bis dahin müssen Betreiber bestehender Kundenanlagen abwarten, ob sich die Regulierung der Netzsystematik (positiv) verändert oder ob sie ab dem 1. Januar 2029 dem Regelungsregime für Energieversorgungsnetze unterworfen werden. 

Zudem wirft die Übergangsregelung neue Rechtsfragen auf, die die Praxis nun klären muss. Das betrifft zum einen die Frage, ob die Bestandsanlage weiterhin unter die Übergangsregelung fällt, auch wenn sich innerhalb der Bestandsanlage Veränderungen ergeben (z.B. aufgrund eines Mieterwechsels oder Umbaus). Zum anderen bleibt offen, ob die mit der Übergangsregelung geschaffene Verfestigung der eigentlich unionsrechtswidrigen Lage nicht ihrerseits unionsrechtswidrig ist.

Auf Seiten der Anlagenbetreiber besteht trotz der Übergangsregelung Handlungsbedarf: für eine Bestandsaufnahme der betriebenen und geplanten Anlagen und um mit dem vorgelagerten Netzbetreiber ggf. eine Einigung zu erzielen. Diese könnte in der Übereignung der Verteilungsanlagen an den vorgelagerten Verteilernetzbetreiber liegen. Auch die Einräumung der Betriebsführung an den Verteilernetzbetreiber im Wege der Pacht, um ihn mit der Aufgabe des Netzbetriebs zu betrauen, kommt in Betracht. 

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