Arbeitsrecht

Wirkung eines gerichtlich bestätigten Entlassungsverlangens des Betriebsrates im späteren Kündigungsschutzprozess

BAG, 28. März 2017 – 2 AZR 551/16

Wird einem Arbeitgeber auf Antrag des Betriebsrates nach § 104 BetrVG rechtskräftig aufgegeben, einen Arbeitnehmer zu entlassen, rechtfertigt dies eine daraufhin vom Arbeitgeber erklärte ordentliche Kündigung. Das gerichtlich bestätigte Entlassungsverlangen des Betriebsrates begründet insoweit ein dringendes betriebliches Erfordernis i. S. d. KSchG. Das Recht des Betriebsrates, die Entlassung eines Arbeitnehmers zu fordern, erstreckt sich jedoch nicht auf die fristlose Beendigung des Arbeitsverhältnisses nach § 626 BGB.    

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen arbeitgeberseitigen Kündigung. Die Klägerin war bei der Beklagten langjährig als Sachbearbeiterin tätig. Nach Auseinandersetzungen zwischen der Klägerin und zwei Arbeitskollegen, forderte der Betriebsrat der Beklagten die Beklagte auf, die Klägerin wegen der Vorfälle zu entlassen, hilfsweise zu versetzen. Nachdem die Beklagte diesem Entlassungsverlangen zunächst nicht nachkam, leitete der Betriebsrat ein Beschlussverfahren ein. An dessen Ende gab das Arbeitsgericht der Beklagten mit rechtskräftigem Beschluss auf, die Klägerin „zu entlassen". Die Klägerin wurde in dem Verfahren angehört. Gegen eine daraufhin von der Beklagten erklärte außerordentliche und hilfsweise erklärte ordentliche Kündigung wehrte sich die Klägerin.

Das BAG wies die Revision der Klägerin und die Anschlussrevision der Beklagten als unbegründet zurück und bestätigte das Urteil der Vorinstanz: Das Arbeitsverhältnis der Parteien sei durch die ordentliche Kündigung der Beklagten aufgelöst worden, jedoch nicht bereits durch die außerordentliche fristlose Kündigung. Aufgrund des rechtskräftigen Beschlusses des Arbeitsgerichtes, liege ein dringendes betriebliches Erfordernis im Sinne des § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG für die ordentliche Kündigung vor. Die betriebsverfassungsrechtliche Entlassungsverpflichtung des Arbeitgebers lasse das Beschäftigungsbedürfnis für den konkreten Arbeitnehmer entfallen. Der arbeitsgerichtliche Entlassungsbeschluss entfalte auch im Verhältnis zur Klägerin Wirkung. Diese sei als „Objekt" des betriebsverfassungsrechtlichen Anspruchs im Beschlussverfahren nach § 83 Abs. 3 ArbGG beteiligt worden.

Der Wirksamkeit der ordentlichen Kündigung stehe auch nicht eine unterbliebene Anhörung des Betriebsrates nach § 102 BetrVG entgegen. Das vom Betriebsrat geäußerte Entlassungsverlangen enthalte bereits die Zustimmung zu der Kündigung. Demgegenüber könne der arbeitsgerichtliche Entlassungsbeschluss aber nicht als wichtiger Grund für die außerordentliche Kündigung angesehen werden. Eine Verpflichtung des Arbeitgebers zur fristlosen Beendigung sei im Verfahren nach § 104 S. 2 BetrVG nicht möglich.

Gleiss Lutz Kommentar

Der Entscheidung des BAG ist zuzustimmen. Es ist zu begrüßen, dass das Gericht die Bindungswirkung eines Entlassungsbeschlusses bejaht, sofern der betroffene Arbeitnehmer im Beschlussverfahren angehört wurde. Wenngleich die Anhörung nicht gesetzlich vorgeschrieben ist, so versetzt die Beteiligung den betroffenen Arbeitnehmer in die Lage, durch aktive Wahrnehmung seiner Rechte im Verfahren, einer für ihn nachteiligen Entscheidung entgegenzuwirken. Ist der Arbeitnehmer somit nicht lediglich Objekt des Verfahrens, sondern kommt ihm der Status eines Beteiligten zu, so ist allein sachgerecht, ihn auch an die getroffene Entscheidung zu binden. Das Verfahren nach § 104 BetrVG würde zudem sinnentleert, wenn der Betriebsrat eine Maßnahme, die er zu Recht verlangt, nicht effektiv durchsetzen kann.

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