ESG: Environment – Social – Governance

Diskussion zu EU-Lieferketten: It is not about ticking a box

Am Montag, 26. September 2022, lud das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) zu einer Livestream-Konferenz zum Thema „CSDD-Richtlinie aus entwicklungspolitischer Sicht“ ein. 

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It is not about ticking a box: Der Fokus der spannenden Diskussionen nationaler und internationaler Referenten aus Politik und Wirtschaft richtete sich auf die folgenden Fragen zu dem im Februar 2022 veröffentlichen Richtlinienentwurf über die Sorgfaltspflichten von Unternehmen im Hinblick auf Nachhaltigkeit („EU-RiLi“):

  1. Wie kann die EU-RiLi die Arbeits- und Lebensbedingungen entlang globaler Wertschöpfungsketten, insbesondere in Entwicklungsländern, verbessern?
  2. Welche Maßnahmen werden von der EU und ihren Mitgliedstaaten erwartet, um die Stakeholder entlang globaler Wertschöpfungsketten zu unterstützen?
  3. Was macht ein effektiver intelligenter Mix begleitender Maßnahmen auf EU-Ebene aus?

Interessant waren insbesondere die Einblicke von Carsten Stender (BMAS) in die Arbeit und Ansätze der Bundesrepublik bei der Entwicklung der EU-RiLi:

  • So setzte sich Deutschland insbesondere für die Umsetzung der Sorgfaltspflichten entlang der gesamten Lieferkette ein, d.h. sowohl im Hinblick auf upstream chains (z.B. Rohstoffgewinnung) als auch hinsichtlich downstream chains (z.B. Entsorgung von umweltschädlichen Abfällen).
  • Aktuell wirkt Deutschland auf eine Änderung des Schadensersatzrechts in den einzelnen Mitgliedsstaaten dahingehend hin, dass auch für im Ausland verursachte Schäden, Schadensersatz vor den Gerichten der Mitgliedssaaten verlangt werden kann. Opfer von Sorgfaltspflichtenverstößen sollen einfachen Zugang zu den Gerichten der Mitgliedsstaaten zur Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen erhalten.
  • „Enablement before withdrawal“: Unternehmen sollen auch in Ländern mit schlechteren Menschenrechts-, Arbeitsschutz- und Umweltstandards operieren und dort ihren Einfluss zur Verbesserung der Bedingungen nutzen. Aber es muss auch Grenzen geben, bei denen es unausweichlich ist, Geschäftsbeziehungen als letztes Mittel zu beenden; hier sollen klare Regelungen zur Orientierung und zur Schaffung von Rechtssicherheit insbesondere für diejenigen Unternehmen umgesetzt werden, die in unsicheren Ländern tätig sind.

Die nachfolgende Zusammenfassung der „Key messages“ der Veranstaltung zeigt vor allem eines: Auch auf EU-Ebene wird wie beim nationalen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) auf einen weitgefassten persönlichen und sachlichen Anwendungsbereich der Lieferketten-Compliance gesetzt, um Menschenrechte und Umweltschutz weltweit effektiv durchzusetzen. Wenngleich betroffenen Unternehmen hinsichtlich der zeit- und kostenintensiven Umsetzung der Sorgfaltspflichten einerseits einiges an Verständnis entgegengebracht wird und ihnen von allen Seiten Unterstützung zugesichert wird, wird auf der anderen Seite aber auch deutlich gemacht, dass von den Unternehmen erwartet wird, dass diese ihre Pflichten ernst nehmen oder anderenfalls mit scharfen Konsequenzen wie Sanktionen oder zivilrechtlichen Schadensersatzklagen rechnen müssen.

 

Risk-based approach als „Key feature“ der EU-RiLi

Wie im Rahmen des LkSG, wird auch auf EU-Ebene ein risikobasierter Ansatz für eine erfolgreiche Umsetzung der Ziele der EU-RiLi verfolgt. Als wesentliche Elemente eines risikobasierten Ansatzes wurden in diesem Zusammenhang u.a. genannt: Prioritization; Contribution; Collaboration within the supply chain; Engagement, Accountability. Mehrfach wurde betont, dass es sich bei den Sorgfaltspflichten um keine “Checkbox-Compliance” handelt und eine solche auch nicht gewollt ist. Sorgfaltspflichten sollen nicht nur auf dem Papier umgesetzt werden. Von den Unternehmen werden proaktive und kreative Ansätze erwartet.

Effektive Umsetzung der EU-RiLi u.a. durch:

  • Zivilrechtliche Haftung und Sanktionen: Insbesondere sollen von den Mitgliedsstaaten die Rahmenbedingungen für eine zivilrechtliche Haftung beim Verstoß gegen die Sorgfaltspflichten geschaffen werden.
  • Aufsetzen auf vorhandenen Regelungen (ILO, OECD-Guidelines): „From voluntary to mandatory“.
  • Einfacher und effektiver Zugang zu Rechtsmitteln.
  • Enge Zusammenarbeit mit den einzelnen betroffenen Gruppen, internationalen Organisationen, Gewerkschaften etc.; Schaffung einfacher und effektiver Meldemöglichkeiten vor Ort.
  • Einbeziehung der betroffenen Drittstaaten.

Schwierigkeiten/Risiken bei der Umsetzung:

  • Koordination zwischen den Mitgliedsstaaten: Wunsch nach einem engen Informationsaustausch, Vermeidung von inkonsistenten Regelungen innerhalb der EU; „European Action Plan“ muss noch deutlicher geformt werden.
  • Problem des Abwanderns von Unternehmen in Staaten mit höheren Menschenrechts- und Umweltstandards anstelle der Implementierung von Abhilfemaßnahmen vor Ort („cut and run“ vs. „stay and behave“). Lösung: Erstreckung der Sorgfaltspflichten auf möglichst viele Unternehmen in möglichst vielen Ländern; Unterstützung der Unternehmen bei der Umsetzung; Abwanderung soll letztes Mittel sein.
  • Zeitliche Umsetzung: Die Umsetzung innerhalb der Unternehmen nimmt einen gewissen Zeitraum in Anspruch, es ist keine Umsetzung von einem auf den anderen Tag möglich. Die Umsetzung der Lieferketten-Compliance wird daher als Lernprozess verstanden. Klar ist aber, dass von den Unternehmen dennoch ein stetiger Fortschritt und eine stetige Entwicklung bei der Umsetzung erwartet wird. Unklar ist dagegen, an welchen Kriterien ein solcher Fortschritt gemessen werden kann.

Unterstützung der Unternehmen („Enabling companies, not blaming“):

  • Insbesondere Verbreiten und Weiterentwickeln von Best-practices; Unterstützung durch sog. Smart-Tools.
  • Klare Guidance und breiter und einfacher Informationszugang für Unternehmen (Einrichtung von „Help Desks“ etc.).
  • Finanzielle Unterstützung vor allem für kleine und mittelständische Unternehmen (Subventionierung etc.).

 

FAZIT

Auf EU-Ebene stellen sich somit überwiegend dieselben Fragen wie bei der Umsetzung des LkSG auf nationaler Ebene. Insbesondere zeigt sich ein Spannungsverhältnis zwischen dem berechtigten Wunsch nach effektiven Menschenrechts-, Arbeitsschutz- und Umweltstandards einerseits und der Umsetzung der Sorgfaltspflichten in der unternehmerischen Praxis andererseits, bei der Unternehmen wohl regelmäßig an ihre Grenzen stoßen werden.

Ob und wie dieses Spannungsverhältnis in der Praxis aufgelöst werden kann, wird sich zumindest für Deutschland spätestens ab dem 1. Januar 2023 zeigen, wenn viele Unternehmen die Anforderungen des LkSG verpflichtend umsetzen müssen. Ab dann dürfte vor allem ein Aspekt der Konferenz besonders deutlich werden: Lieferketten-Compliance ist ein Lernprozess – sowohl für die Adressaten als auch für die vollziehenden Behörden.

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