Arbeitsrecht

Keine Eingliederung durch fachliches Weisungsrecht

Ein Arbeitnehmer, der dem fachlichen Weisungsrecht eines in einem anderen Betrieb ansässigen Vorgesetzten unterstellt wird, wird dadurch nicht in den Beschäftigungsbetrieb dieses Vorgesetzten eingegliedert.

BAG, Beschluss vom 26. Mai 2021 – 7 ABR 17/20

Sachverhalt

Die Beteiligten streiten u. a. darüber, welcher Betriebsrat für bestimmte Mitarbeiter Beteiligungsrechte (§§ 87, 99, 102 BetrVG) wahrnehmen darf. Sowohl am Standort A als auch am Standort B ist ein Betriebsrat errichtet. Bestimmte Mitarbeiter sind am Standort B beschäftigt, erhalten ihre fachlichen Weisungen jedoch von ihrem Vorgesetzten am Standort A. Am Standort A werden auch die Entscheidungen zu Neueinstellungen an beiden Standorten getroffen. Der antragstellende Betriebsrat am Standort A (Standort der fachlichen Weisungszuständigkeit) macht geltend, er sei für die Wahrnehmung der Beteiligungsrechte der standortübergreifend tätigen Arbeitnehmer zuständig. Der Arbeitgeber ist der Auffassung, der Betriebsrat am Standort B (Standort der tatsächlichen Beschäftigung) sei zuständig.

Entscheidung des BAG

Das Arbeitsgericht und das Landesarbeitsgericht haben dem Antrag des Betriebsrats am Standort A stattgegeben. Das Bundesarbeitsgericht hat die Sache an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Entscheidend ist, in welche Betriebsorganisation die Arbeitnehmer tatsächlich eingegliedert sind. Das hängt davon ab, ob der Arbeitgeber mit Hilfe der Arbeitnehmer den arbeitstechnischen Zweck des Betriebs verfolgt. Das gilt auch für Arbeitnehmer, die in standortüber­greif­enden Teams einen einheitlichen arbeitstechnischen Zweck verwirklichen. Ein arbeitstechnischer Zweck kann in mehreren Betrieben verfolgt werden. Ist dies der Fall und verrichtet der Arbeitnehmer seine Tätigkeiten in einem dieser Betriebe, spricht dies grundsätzlich für seine Eingliederung in diesen Betrieb und gegen die Eingliederung in einen der anderen Betriebe, in denen der gleiche arbeitstechnische Zweck verfolgt wird. Dies ergibt sich in Bezug auf die Interessenwahrnehmung durch einen Betriebsrat bereits aus dem in § 4 Abs. 1 BetrVG zum Ausdruck kommenden Anliegen, eine ortsnahe Interessen­vertretung zu ermöglichen. Die Erbringung der Arbeitsleistung in den Betriebsräumen mit den dort von dem Arbeitgeber zur Verfügung gestellten Betriebsmitteln ist daher ein wesentliches Indiz für die Eingliederung in diesen Betrieb. Dies gilt nicht nur für die Eingliederung in einen Betrieb, sondern auch für die Eingliederung in einen nach § 4 Abs. 1 Satz 1 BetrVG als selbständiger Betrieb geltenden Betriebsteil.

Für die Eingliederung in einen Betrieb ist eine Bindung an die Weisungen einer Führungskraft in diesem Betrieb nicht erforderlich. Die Unterstellung eines in einem Betrieb tätigen Arbeitnehmers unter das fachliche Weisungsrecht eines in einem anderen Betrieb ansässigen Vorgesetzten führt nicht zur Ausgliederung des Arbeitnehmers aus seinem bisherigen Beschäftigungsbetrieb und zur Eingliederung in den Beschäftigungs­betrieb des Vorgesetzten.

Gleiss Lutz kommentiert

Das fachliche Weisungsrecht hat keinen Einfluss auf die Zuordnung von Arbeitnehmern zu einem bestimmten Betrieb. Für die Zuordnung maßgeblich ist alleine, in welchen Betrieb die Arbeitnehmer durch Verwirklichung des arbeitstechnischen Zwecks tatsächlich eingegliedert sind. Arbeitnehmer werden nicht schon durch fachliche Weisungserteilungen in den Betrieb ihres Vorgesetzten eingegliedert. Der fachliche Weisungen erteilende Vorgesetzte dagegen ist in den Betrieb eingegliedert, in dem die ihm unterstellten Arbeitnehmer tätig werden, da durch die Wahrnehmung der Führungsaufgaben (auch) der arbeitstechnische Zweck des Betriebs verwirklicht wird, in dem die ihm unterstellten Mitarbeiter tätig sind. Das BAG hat bislang nicht entschieden, ob und in welchen Betrieb ein Vorgesetzter eingegliedert wird, wenn er Mitarbeiter eines anderen Betriebs disziplinarisch anweist.

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