Arbeitsrecht

Kein Urlaubsanspruch in der Freistellungsphase der Altersteilzeit

In der Freistellungsphase der Altersteilzeit im Blockmodell erwirbt der Arbeitnehmer mangels Arbeitspflicht keinen Anspruch auf den gesetzlichen Mindesturlaub. Treffen die Arbeitsvertragsparteien keine abweichende Vereinbarung, gilt dieser Grundsatz auch für den vertraglichen Mehrurlaub.

BAG, Urteil vom 24. September 2019 – 9 AZR 481/18

Altersteilzeit im Blockmodell

Altersteilzeit bietet Arbeitnehmern die Möglichkeit für einen sanften Übergang in die Rente. Zumeist wird Altersteilzeit im sogenannten Blockmodell vereinbart. Bei diesem Modell werden die Arbeitszeit und die Vergütung in der Regel auf 50 % reduziert. Anstatt dass der Arbeitnehmer in den letzten Jahren seines Arbeitsverhältnisses durchgehend 50 % arbeitet, wird vereinbart, dass der Arbeitnehmer zunächst in der Aktivphase weiterhin in Vollzeit arbeitet. In der daran anschließenden Passivphase ist der Arbeitnehmer dagegen komplett von der Arbeitspflicht befreit.

Streit über Urlaubsansprüche in der Freistellungsphase

Der Kläger war bei der Beklagten zunächst im Rahmen eines Vollzeitarbeitsverhältnisses beschäftigt. Ab dem 1. Dezember 2014 setzten die Parteien das Arbeitsverhältnis als Altersteilzeitarbeitsverhältnis mit der Hälfte der bisherigen Arbeitszeit fort. Die Parteien vereinbarten das Blockmodell. Im Rahmen dieses Modells war der Kläger zunächst für 16 Monate im bisherigen Umfang zur Arbeitsleistung verpflichtet. Anschließend war der Kläger für weitere 16 Monate von der Arbeitsleistung freigestellt. Während der Dauer des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses erhielt der Kläger sein auf der Grundlage der reduzierten Arbeitszeit berechnetes Gehalt zuzüglich der Aufstockungsbeträge nach dem Altersteilzeitgesetz. Der Kläger hatte laut Arbeitsvertrag Anspruch auf jährlich 30 Arbeitstage Urlaub. Der Kläger vertrat die Auffassung, dass er auch während der Freistellungsphase der Altersteilzeit Urlaub erworben habe und verlangte nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses die Abgeltung der nicht gewährten Urlaubstage.

Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts

Die Revision des Klägers gegen die ablehnenden Entscheidungen der Vorinstanzen vor dem Bundesarbeitsgericht hatte keinen Erfolg. Nach Auffassung des 9. Senats erwirbt ein Arbeitnehmer in der Freistellungsphase eines Altersteilzeitarbeitsverhältnisses keinen Urlaubsanspruch nach § 3 Abs. 1 BUrlG. Nach Auffassung des BAG ist die Freistellungsphase mit „Null“ Arbeitstagen zu bewerten. Der Arbeitnehmer sei in der Freistellungsphase von seiner Arbeitspflicht entbunden. Der Erwerb von Urlaub setze jedoch Arbeitspflicht voraus. Bei einem unterjährigen Wechsel von der Arbeits- in die Freistellungsphase sei der Urlaubsanspruch nach Zeitabschnitten entsprechend der Anzahl der Tage mit Arbeitspflicht zu berechnen. Auch das Unionsrecht gebiete nicht, Arbeitnehmer in der Freistellungsphase den Arbeitnehmern gleichzustellen, die in diesem Zeitraum tatsächlich gearbeitet haben. Diese Grundsätze gelten auch für den vertraglichen Mehrurlaub, wenn die Arbeitsvertragsparteien für die Berechnung des Urlaubsanspruchs während der Altersteilzeit keine von § 3 Abs. 1 BUrlG abweichende Vereinbarung getroffen haben.

Urlaubsansprüche bei fehlender Arbeitspflicht wegen Krankheit, Mutterschutz oder Sabbatical

Mit dieser Entscheidung führt der 9. Senat seine jüngere Rechtsprechung konsequent fort, wonach der gesetzliche Urlaubsanspruch nicht allein durch das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses, sondern – wegen des Erholungszwecks – nur dann entsteht, wenn tatsächlich gearbeitet wird. So hatte das BAG bereits die in § 17 Abs. 1 BEEG vorgesehene Möglichkeit zu Kürzungen des Urlaubsanspruchs durch den Arbeitgeber während der Elternzeit als unionsrechtskonform bestätigt (BAG, Urteil vom 19.3.2019 – 9 AZR 362/18 und Urteil vom 19.3.2019 – 9 AZR 495/17) und auch klargestellt, dass während eines unbezahlten Sonderurlaubs kein Urlaubsanspruch entsteht (BAG, Urteil vom 19.3.2019 – 9 AZR 315/17). Anders ist bekanntlich die Frage nach der Entstehung des Urlaubsanspruchs während krankheitsbedingten Fehlzeiten zu beantworten. In diesen Fällen entsteht nach der Rechtsprechung des BAG der gesetzliche Jahresurlaubsanspruch trotz fehlender Arbeitsleistung, da der Erholungszweck auch hier greift.

Gleiss Lutz kommentiert

Arbeitgeber können ein weiteres Mal aufatmen: Nach den Entscheidungen in Folge des Schultz-Hoff-Urteils konnte man zunächst davon ausgehen, dass das BAG das Entstehen des Urlaubsanspruchs nur noch an das Bestehen eines Arbeitsvertrags und nicht an die Erbringung der Arbeitsleistung knüpft. Das sieht das BAG inzwischen anders und geht jedenfalls bei freiwilligem Entfallen der Arbeitspflicht (Altersteilzeit, Sabbatical, Elternzeit) nicht davon aus, dass der Urlaubsanspruch in dieser Zeit entsteht, da kein Erholungsbedarf des Arbeitnehmers besteht. Anders sind nach wie vor „unfreiwillige“ Fehlzeiten wie Krankheit und Mutterschutz zu werten. Spannend wird sein, wie sich die neue Rechtsprechungslinie auf berechtigte Freistellungen durch den Arbeitgeber und einvernehmliche Freistellungen auswirkt.

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