Vergaberecht

Der Regierungsentwurf zum Gesetz zur Beschleunigung der Vergabe öffentlicher Aufträge

Um öffentliche Beschaffungsvorgänge einfacher, schneller und flexibler zu gestalten, strebt die Bundesregierung eine weitreichende Reform des Vergaberechts an. Damit soll die Bewältigung der derzeitigen großen und dringlichen Herausforderungen, etwa die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit, die Erneuerung und Verbesserung der Infrastruktur und die beschleunigte Digitalisierung, unterstützt werden. 

Zu diesem Zweck sollen Vergabeverfahren für Auftraggeber und interessierte Unternehmen vereinfacht werden, unter anderem durch eine verstärkte Digitalisierung der öffentlichen Beschaffung. Der Referentenentwurf sieht auch zahlreiche Maßnahmen zur Beschleunigung des vergaberechtlichen Primärrechtschutzes vor, u.a. für Vergabekammern die Möglichkeit zur Entscheidung der ohne mündliche Verhandlung im erstinstanzlichen Vergabenachprüfungsver­fahren unter bestimmten Voraussetzungen und den Wegfall der aufschiebenden Wirkung einer sofortigen Beschwerde gegen eine ablehnende Entscheidung der Vergabekammer in der zweiten Instanz.

Die wichtigsten Neuregelungen des aktuellen Gesetzentwurfs fassen wir im Folgenden zusammen:

 

Reform des Vergaberechts

Bereits im ersten Halbjahr 2023 hatte das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWE) eine öffentliche Konsultation zur Transformation des Vergaberechts durchgeführt, an der sich über 450 Interessengruppen beteiligten. Das seinerzeit noch von der Ampelregierung auf den Weg gebrachte Vergabetransformationsgesetz ist aufgrund der vorgezogenen Neuwahlen der Diskontinuität zum Opfer gefallen. Die aktuelle Bundesregierung unternimmt nun einen neuen Anlauf zur Reform des nationalen Vergaberechts oberhalb der unionsrechtlich determinierten Schwellenwerte mit dem Entwurf des Gesetzes zur Beschleunigung der Vergabe öffentlicher Aufträge (Vergabebeschleunigungsgesetz). Der neue Entwurf greift zahlreiche Aspekte aus dem früheren Verfahren auf, geht jedoch in einigen Punkten darüber hinaus. Dabei sind einige Parallelen zu dem kürzlich vom Kabinett verabschiedeten Entwurf eines Gesetzes zur beschleunigten Planung und Beschaffung für die Bundeswehr (BwPBBG) unübersehbar (siehe hierzu Der Regierungsentwurf zum Gesetz zur beschleunigten Planung und Beschaffung für die Bundeswehr – BwPBBG | Gleiss Lutz). Insbesondere betreffen die Neuerungen durch das Vergabebeschleunigungsgesetz folgende Aspekte:

Einschränkungen der europaweiten Ausschreibungspflicht

Das Ziel einer beschleunigten und vereinfachten Vergabe öffentlicher Aufträge will das Vergabebeschleunigungsgesetz unter anderem dadurch erreichen, dass bestimmte Aufträge in Zukunft nicht mehr der Pflicht zur europaweiten Ausschreibung unterliegen sollen.

  • Das betrifft zum einen Liefer- und Dienstleistungsaufträge, die von obersten und oberen Bundesbehörden sowie von vergleichbaren Bundeseinrichtungen vergeben werden. Für diese gilt bisher gem. § 106 Abs. 2 Ziff. 1 GWB der niedrigere EU-Schwellenwert für „zentrale Regierungsbehörden“ (derzeit: EUR 143.000). Tritt das Vergabebeschleunigungsgesetz in der Gestalt des Referentenentwurfs in Kraft, müssten diesen Schwellenwert nur noch das Bundeskanzleramt und die Bundesministerien einhalten. Die übrigen oberen und obersten Bundesbehörden sowie vergleichbare Bundeseinrichtungen müssten ihre Aufträge hingegen, wie alle anderen öffentlichen Auftraggeber, erst beim Überschreiten des regulären Schwellenwerts für Liefer- und Dienstleistungen (derzeit: EUR 221.000) europaweit ausschreiben.
  • Zum anderen will der Referentenentwurf die öffentlich-öffentliche Zusammenarbeit rechtssicherer und einfacher machen, um unter anderem Verwaltungskooperationen im IT-Bereich ohne die Pflicht zur (europaweiten) Ausschreibung zu ermöglichen. Dafür soll u.a. ausdrücklich geregelt werden, dass auch bei der gemeinsamen mittelbaren Kontrolle einer juristischen Person durch mehrere öffentliche Auftraggeber oder bei einer sog. „Schwesterkonstellation“ eine öffentlich-öffentliche Zusammenarbeit möglich ist (§ 108 Abs. 4 Satz 2 GWB-RefE). Zukünftig soll eine öffentlich-öffentliche Zusammenarbeit auch unter Beteiligung von juristischen Personen des öffentlichen Rechts, die die Merkmale eines öffentlichen Auftraggebers i.S.d. § 99 Nr. 2 GWB nur teilweise erfüllen, möglich sein (siehe § 108 Abs. 4 Satz 3 GWB-RefE). Der Referentenentwurf hat insoweit v.a. Kammern (z.B. solche zur Feststellung der Gleichwertigkeit von Berufsqualifikationen) im Blick.

Erleichterungen beim Gebot der losweisen Vergabe

  • Ein zentrales Instrument zur Berücksichtigung mittelständischer Interessen in Vergabeverfahren ist das Gebot der losweisen Vergabe. Teil- und Fachlose dürfen bisher nur zusammen vergeben werden, wenn wirtschaftliche oder technische Gründe dies erfordern (§ 97 Abs. 4 Sätze 2, 3 GWB). Der Referentenentwurf des Vergabebeschleunigungsgesetzes sieht insoweit eine Abweichungsmöglichkeit für Infrastrukturvorhaben vor, die aus dem Sondervermögen „Infrastruktur und Klimaneutralität“ finanziert sind. Im Rahmen solcher Vorhaben sollen Teil- oder Fachlose auch dann zusammen vergeben werden können, wenn dies zur Realisierung dringlicher Infrastrukturvorhaben erforderlich ist, deren geschätzter Auftrags- oder Vertragswert die Schwellenwerte nach § 106 Abs. 2 GWB um das Zweieinhalbfache übersteigt. Damit soll es ermöglicht werden, die dringend benötigten Investitionen mit den Mitteln des zeitlich befristeten Sondervermögens schnell zu tätigen. Eine Gesamtvergabe von Teil- oder Fachlosen soll ausweislich der Entwurfsbegründung immer dann „erforderlich“ sein, wenn die Anwendung des Losgrundsatzes eine schnelle Realisierung der Infrastrukturvorhaben nachweislich verhindern würde und eine besondere Dringlichkeit vorliegt, die der Auftraggeber nicht verschuldet hat.
  • Trotz dieser Abweichungsmöglichkeit vom Losgrundsatz sieht der Referentenentwurf die Mittelstandsinteressen als gewahrt, weil zum einen die Abweichungsmöglichkeit nur bei großvolumigen Projekten bestehen soll, die sich deshalb nicht primär an mittelständische Unternehmen richten. Zum anderen soll in § 97 Abs. 4 Satz 5 GWB-RefE vorgesehen werden, dass der Auftraggeber im Fall einer Gesamtvergabe eines Infrastrukturprojekts seinen Auftragnehmer dazu verpflichten kann, bei der Vergabe von Unteraufträgen die Interessen kleiner und mittlerer Unternehmen besonders zu berücksichtigen. Die Vorschrift soll insbesondere Konstellationen erfassen, bei denen mittelständische Unternehmen nicht in der Lage sind, den Gesamtauftrag auszuführen, gleichwohl aber Potenzial für deren Beteiligung auf zweiter Ebene besteht.

Erleichterungen bei der Durchführung des Vergabeverfahrens

  • Herzstück jeder Ausschreibung ist die Leistungsbeschreibung. Der Referentenentwurf will eine verfahrensmäßige Erleichterung für Auftraggeber dadurch schaffen, dass die Leistungsbeschreibung zukünftig nicht mehr „eindeutig und erschöpfend“, sondern nur noch „eindeutig“ sein muss (§ 121 Abs. 1 GWB-RefE). Ob dadurch wirklich Aufwand bei Auftraggebern und -nehmern reduziert werden kann, ist zweifelhaft, da die Leistungsbeschreibung den Auftragsgegenstand weiterhin so beschreiben muss, dass die Auftragnehmer erfassen können, was beschafft werden soll. Nur dann kann der Auftraggeber vergleichbare Angebote erwarten. Funktionale Leistungsbeschreibungen können schon nach der bisherigen Rechtslage verwendet werden.
  • Größere positive Auswirkungen auf die Geschwindigkeit und die Entbürokratisierung von Vergabeverfahren dürften von den geplanten Änderungen an § 122 GWB ausgehen. Danach sollen die Eignung und das Nichtvorliegen von Ausschlussgründen nach den §§ 123 und 124 GWB zukünftig durch Eigenerklärungen nachgewiesen werden. Über Eigenerklärungen hinausgehende Unterlagen sollen im Verlauf des Verfahrens nur noch von aussichtsreichen Bewerbern oder Bietern verlangt werden. Das war schon bisher zulässig und sinnvoll, würde durch das Vergabebeschleunigungsgesetz aber zur Regel erklärt. Eine aus Auftraggebersicht zu begrüßende Klarstellung ist zudem in § 122 Abs. 4 Satz 4 GWB-RefE vorgesehen, wonach zur Bekanntmachung der Eignungskriterien eine Verlinkung auf die elektronischen Vergabeunterlagen unter Angabe der genauen Fundstelle der Eignungskriterien ausreicht. Damit reagiert der Gesetzgeber auf eine Vielzahl von Vergabenachprüfungsentscheidungen, die sich – mit zum Teil widersprüchlichen Ergebnissen – mit der Frage einer Verlinkung auf Vergabeunterlagen zur Bekanntgabe der Eignungsanforderungen befasst haben (z.B. KG Berlin, Beschl. v. 01.03.2024 – Verg 11/22; OLG Dresden, Beschl. v. 15.02.2019 – Verg 5/18; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 11.07.2018 – Verg 24/18).

Änderungen am Primärrechtsschutz

Nicht nur das Vergabeverfahren, auch das sich ggf. anschließende Vergabenachprüfungsverfahren soll durch das Vergabebeschleunigungsgesetz einfacher, digitaler und schneller werden.

  • Eine Maßnahme dafür soll die erweiterte Möglichkeit von Entscheidungen durch den Vorsitzenden oder hauptamtlichen Beisitzer der Vergabekammer sein (im Unterschied zu einer Entscheidung der Kammer einschließlich des/r ehrenamtlichen Beisitzers/in, vgl. §§ 157, 162 f., 165, 167 und § 169 GWB-RefE).
  • Außerdem soll die Entscheidung nach Lage der Akten, d.h. ohne mündliche Verhandlung, möglich sein, soweit dies der Beschleunigung dient und die Sache keine besonderen Schwierigkeiten in rechtlicher oder tatsächlicher Hinsicht aufweist (§ 166 Abs. 1 Satz 4 GWB-RefE).
  • Der Referentenentwurf sieht außerdem zahlreiche begrüßenswerte Maßnahmen zur Digitalisierung des Nachprüfungsverfahrens vor, u.a. die vornehmliche Verfahrensführung des Nachprüfungsverfahren in Textform (§§ 158, 161 GWB-RefE), die Klarstellung der Möglichkeit der Entscheidung der Beiladung in elektronischer Form (§ 163 Satz 2 GWB-RefE), die elektronische Übermittlung von bzw. die elektronische Einsicht in Akten (§ 165 Abs. 1 Satz 2, § 175 Abs. 3 GWB-RefE), die Option der virtuellen Durchführung von mündlichen Verhandlungen (§ 166 Abs. 3, § 175 Abs. 2 GWB-RefE) sowie die Erleichterung des elektronischen Erlasses und der Begründung von Entscheidungen durch die Vergabekammern (§ 167 Abs. 1 Satz 1 und 4 GWB-RefE).
  • Für die „zweite Instanz“ im Vergabenachprüfungsverfahren, die sofortige Beschwerde vor dem Oberlandesgericht, sieht der Referentenentwurf eine beachtliche Neuerung vor: Danach soll die sofortige Beschwerde künftig keine aufschiebende Wirkung mehr gegenüber ablehnenden Entscheidungen der Vergabekammer haben (§ 173 Abs. 1 GWB-RefE). Die Möglichkeit einer Antragstellung auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung bis zur Beschwerdeentscheidung ist nicht vorgesehen, § 173 Abs. 2 GWB in der bisherigen Fassung soll gestrichen werden. Damit hätte der vor der Vergabekammer unterlegene Bieter zukünftig keine gesicherte Möglichkeit mehr, seine Chance auf den Zuschlag von einem staatlichen Gericht überprüfen zu lassen, bevor der Auftrag unwiderruflich an seinen Konkurrenten vergeben wird. Dies erscheint mit Blick auf die verfassungs-, unions- und völkerrechtlichen Vorgaben an den gerichtlichen Rechtsschutz im Vergabeverfahren nicht unproblematisch (vgl. zum ähnlich gelagerten § 16 BwBBG-RefE Der Regierungsentwurf zum Gesetz zur beschleunigten Planung und Beschaffung für die Bundeswehr – BwPBBG | Gleiss Lutz).
  • Den Entwurfsverfassern des Vergabebeschleunigungsgesetzes ist insoweit zuzustimmen, als die Dauer der sofortigen Beschwerdeverfahren bei den Oberlandesgerichten für Auftraggeber höchst unbefriedigend ist und die bisherige Praxis der Oberlandesgerichte, die aufschiebende Wirkung regelhaft durch „Hängebeschluss“ bis zur Sachentscheidung zu verlängern, das Beschleunigungsgebot des Primärrechtsschutzes konterkariert. Der frühere Entwurf des Vergabetransformationsgesetzes verfolgte zur Lösung dieses Problems einen anderen, die (Primär-)Rechtsschutzmöglichkeiten der unterlegenen Bieter weniger beschneidenden Weg, indem klargestellt werden sollte, dass die Verlängerung der aufschiebenden Wirkung nur im Ausnahmefall gewährt werden dürfe, wobei der seinerzeitige § 173 Abs. 2 GWB-RefE einen Maßstab für die Annahme eines solchen Ausnahmefalls vorsah.
  • Eine signifikante Modifikation des Primärrechtsschutzes enthält außerdem § 135 Abs. 4 GWB-RefE. Demnach kann abweichend von § 135 Abs. 1 GWB ein Vertrag als nicht von Anfang an unwirksam erachtet werden, wenn nach Prüfung aller maßgeblichen Gesichtspunkte zwingende Gründe des Allgemeininteresses es ausnahmsweise rechtfertigen, die Wirkung des Vertrages zu erhalten. Sofern die Abwägung es rechtfertige, müssten anstelle der Nichtigkeit des Vertrags verhältnismäßige und abschreckende alternative Sanktionen (Geldsanktion oder Verkürzung der Laufzeit des Vertrages) durch die Vergabekammer oder das Beschwerdegericht verhängt werden. Als zwingende Gründe eines Allgemeininteresses benennt der Entwurf insbesondere Leistungen der Daseinsvorsorge sowie die Wahrung von Sicherheits- und Verteidigungsinteressen des Bundes.

Sonstige Änderungen von vergaberelevanten Vorschriften

  • Der Referentenentwurf sieht neben den dargestellten Änderungen des GWB auch einige Änderungen der VgV vor, insbesondere zur Stärkung des Mittelstands und von Start-ups (z.B. die Pflicht zur Berücksichtigung der besonderen Umstände von jungen sowie kleinen und mittleren Unternehmen bei der Auswahl der Eignungskriterien und Eignungsnachweise, vgl. § 42 Abs.2 VgV-RefE, sowie bei der Prüfung der Leistungsfähigkeit der Bewerber oder Bieter, vgl. § 45 Abs. 5 VgV-RefE.
  • Durch eine Änderung des Haushaltsgrundsätzegesetzes soll den Auftraggebern auch unterhalb der EU-Schwellenwerte größere Wahlmöglichkeiten zwischen den unterschiedlichen Vergabearten eingeräumt werden, insbesondere sollen regelhaft auch die Verhandlungsvergabe (Liefer- und Dienstleistungen) bzw. die freihändige Vergabe (Bauleistungen) zur Verfügung stehen, sofern zunächst ein Teilnahmewettbewerb durchgeführt wird oder eine Bekanntmachung erfolgt.
  • Beachtlich ist schließlich die vorgesehene Erhöhung der allgemeinen Wertgrenze für Direktaufträge des Bundes (§ 55 Abs. 3 BHO-RefE) auf EUR 50.000. Bis zu dieser Grenze dürften Auftraggeber zukünftig Aufträge ohne Durchführung eines Vergabeverfahrens – aber unter Beachtung der Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit und der Anbietervielfalt – vergeben. Der Bund würde damit den Vorstößen einiger Bundesländer folgen, die die Wertgrenzen für Direktaufgaben in diesem Jahr bereits deutlich angehoben haben (Baden-Württemberg und Bayern z.B. auf EUR 100.000, vgl. Ziff. 7.2 VwV Beschaffung bzw. Art. 20 BayWiVG).

Fazit und Ausblick

Der Referentenentwurf löst insgesamt das Versprechen der Bundesregierung ein, Vergabeverfahren in Deutschland zu beschleunigen und insbesondere die Umsetzung von Infrastrukturprojekten zu erleichtern. So enthält er eine Reihe von Regelungen, durch die Anforderungen an die Vergabeunterlagen reduziert, Verfahrensanforderungen vereinfacht und Nachprüfungsverfahren beschleunigt werden können. In weiten Teilen wird man die Neuregelungen begrüßen oder zumindest akzeptieren können, bergen sie doch einiges Potenzial für pragmatischere Lösungen und damit auch die Chance auf etwas weniger Bürokratie.

Kritisch zu sehen ist aber die vorgesehene Streichung der aufschiebenden Wirkung einer sofortigen Beschwerde eines Bieters gegen die Entscheidung der Vergabekammer, mit der sein Nachprüfungsantrag zurückgewiesen wurde. Bislang ist der Rechtsschutz vor den Vergabenachprüfungsinstanzen ein „scharfes Schwert“ in den Händen der Bieter, da im Falle einer sofortigen Beschwerde der Auftraggeber wegen der Fortgeltung des Zuschlagsverbots aufgrund der aufschiebenden Wirkung in aller Regel keinen Zuschlag erteilen und damit keine unumkehrbaren Fakten schaffen darf, bevor nicht das Oberlandesgericht endgültig in der Sache entschieden hat. Dieses Schwert droht stumpf zu werden, weil das Zuschlagsverbot künftig nach einer (den Nachprüfungsantrag zurückweisenden) Entscheidung der Vergabekammer entfällt. Diese mögliche Neuregelung ist einer der „Aufreger“ in der aktuellen vergaberechtlichen Diskussion. Nicht zu Unrecht werden verfassungs- und europarechtliche Bedenken dagegen geltend gemacht, dass dadurch wirklich effektiver Rechtsschutz in Zukunft nur noch vor der Vergabekammer – und damit einer Verwaltungsbehörde – gewährleistet wäre. Falls die Regelung so Gesetz werden sollte, mag man sich damit trösten können, dass die Anzahl der davon betroffenen Verfahren in Bund und Ländern überschaubar bleiben dürfte. Im Übrigen kann es einen davon betroffenen Bieter im praktischen Anwendungsfall ggf. „retten“, dass der betroffene Auftraggeber sich gut überlegen wird, ob er vor einer Entscheidung des Oberlandesgerichts tatsächlich schon den Zuschlag erteilt. Denn je nach Konstellation drohen ihm dann, falls er am Ende unterliegt, möglicherweise erhebliche Schadensersatzansprüche des obsiegenden Beschwerdeführers.

Bei einem anderen aktuell heiß diskutierten Thema, nämlich der allenthalben zu beobachtenden Anhebung der Wertgrenzen für Direktvergaben im Unterschwellenbereich, übt der Referentenentwurf noch eine gewisse Zurückhaltung, indem der maßgebliche Wert immerhin „nur“ auf die Hälfte dessen angehoben werden soll, was in Bayern und Baden-Württemberg heute schon gilt. Darüber mag sich die eine oder andere Vergabestelle grämen; es dürfte insgesamt indes der Vergabekultur und der Korruptionsprävention zuträglicher sein. Und die damit möglicherweise einhergehenden Verzögerungen sollten – gerade angesichts der ohnehin geringen Auftragsvolumina im Unterschwellenbereich – überschaubar sein.

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