
Am 20. Mai 2025 hat die EU das inzwischen 17. Sanktionspaket in Reaktion auf den Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine beschlossen. Ziel des neuen Maßnahmenpakets ist es, Russland den Zugang zu wichtiger Militärtechnologie abzuschneiden und seine Energieeinnahmen weiter einzuschränken. Im Mittelpunkt stehen dabei restriktive Maßnahmen gegen Russlands sog. „Schattenflotte“, d.h. gegen Frachtschiffe, die unter Umgehung der Sanktionsregelungen, z.B. durch Fahren unter falscher Flagge oder deaktivierter Schiffsortung, insbesondere Güter wie Öl und Ölprodukte befördern. Das neue Sanktionspaket weitet dazu bestehende Beschränkungen erneut aus, verzichtet aber weitestgehend auf die Einführung neuer Sanktionsinstrumente. Eine substanzielle Verschärfung der Russland-Sanktionen bleibt insofern vorerst aus.
Das 17. Sanktionspaket, das auch als Reaktion auf das Ausbleiben der unter anderem von Deutschland, Frankreich und Polen geforderten Waffenruhe in der Ukraine erlassen wurde, führt die Grundlinien des 16. Sanktionspaket fort, das ebenfalls u.a. die Schattenflotte, Finanzinstitute und Personen mit Verbindungen zum industriell-militärischen Komplex Russlands ins Visier genommen hatte. Eine qualitative Verschärfung der Sanktionen gegen Russland ist in dem 17. Sanktionspaket nicht zu sehen.
Das 17. Sanktionspaket umfasst die folgenden Rechtsakte:
- Die Änderungsverordnung (EU) 2025/932 sieht Änderungen der im Wesentlichen handelsbezogenen Sanktionen in der Verordnung (EU) 833/2014 über restriktive Maßnahmen angesichts der Handlungen Russlands, die die Lage in der Ukraine destabilisieren, vor.
- Die Durchführungsverordnung (EU) 2025/933 zu der im Wesentlichen personenbezogene Finanzsanktionen regelnden Verordnung (EU) 269/2014 über restriktive Maßnahmen angesichts von Handlungen, die die territoriale Unversehrtheit, Souveränität und Unabhängigkeit der Ukraine untergraben oder bedrohen, ergänzt deren Anhang I um weitere natürliche und juristische Personen.
- Personenbezogene Finanzsanktionen werden zudem ausgeweitet durch die Durchführungsverordnung (EU) 2025/958, welche Anhang IV zu Verordnung (EU) 2024/1485 über restriktive Maßnahmen angesichts der Lage in Russland, ergänzt.
- Ebenfalls Teil des 17. Sanktionspakets ist die Änderung der Verordnung (EU) 2024/2642 über restriktive Maßnahmen angesichts der destabilisierenden Aktivitäten Russlands durch die Durchführungsverordnung (EU) 205/965 sowie durch die Verordnung (EU) 2025/964.
Folgende Rechtsänderungen sind aus diesen Sanktionsverordnungen besonders hervorzuheben:
Verschärfung der Sanktionen gegen die russische Schattenflotte
Mit der Änderung der Verordnung (EU) 833/2014 reagiert die EU im Schwerpunkt auf den Umstand, dass Frachtschiffe der sog. Schattenflotte auch weiterhin unter Umgehung der Sanktionen wichtige Ressourcen wie Öl und Ölprodukte transportieren. Durch die Erweiterung von Anhang XLII nimmt das neue Sanktionspaket 189 Schiffe aus Drittstaaten ins Visier, womit sich die Gesamtzahl der sanktionierten Schiffe auf 342 erhöht. Nach dem inhaltlich unveränderten Art. 3s der Verordnung (EU) 833/2014 ist es verboten, für diese Schiffe Zugang zu Häfen in der EU zu gewähren sowie verschiedene andere Leistungen in Bezug auf die gelisteten Schiffe zu erbringen.
Flankiert werden diese schiffsbezogenen Maßnahmen durch die Erweiterung der Liste in Anhang I Verordnung (EU) 269/2014 – also durch individuelle Finanzsanktionen gegen Betreiber der sog. Schattenflotte. Namentlich sind hiervon Reedereien betroffen, die für den Transport von Rohöl und Ölprodukten auf dem Seeweg unter Umgehung des Sanktionsregime verantwortlich sind, darunter auch Unternehmen aus der Türkei und den Vereinigten Arabischen Emiraten.
Ausweitung der Ausfuhrbeschränkungen
Die Erweiterung der güterbezogenen Ausfuhrverbote beschränkt sich auf eine Ergänzung von Anhang VII der Verordnung (EU) 833/2014 um bestimmte Güter, die Russlands militärische und technologische Fähigkeiten stärken, zur Weiterentwicklung seines Verteidigungs- und Sicherheitssektors beitragen oder bei der Herstellung militärischer Systeme zum Einsatz kommen. Ergänzt wurden unter anderem chemische Vorprodukte für energetische Materialien sowie Ersatzteile für Werkzeugmaschinen.
Vorgehen gegen den militärisch-industriellen Komplex
In Anhang IV der Verordnung (EU) 833/2014 wurden weitere 31 juristische Personen aufgenommen, die u.a. durch die Lieferung unbemannter Luftfahrzeuge (UAVs) Russlands Armee und Militärindustrie unterstützen. Darunter befinden sich auch juristische Personen mit Sitz in Drittstaaten wie der Türkei oder Vietnam. Die Listung im Anhang IV zieht seit den Änderungen an Art. 2b der Verordnung (EU) 833/2014 ein eigenständiges Ausfuhrverbot von Dual Use-Gütern und von in Anhang VII Verordnung (EU) 833/2014 gelisteten Gütern nach sich (s. dazu bereits unser Beitrag zum 16. Sanktionspaket).
Neue personenbezogene Sanktionen
Mit dem 17. Sanktionspaket werden neue Personen, Organisationen und Einrichtungen personenbezogenen Sanktionen unterworfen. Ihre Vermögenswerte in der EU sind eingefroren; sie unterliegen einem Bereitstellungs- und Einreiseverbot. Hierzu werden Anhang I der Verordnung (EU) 269/2014, Anhang IV der Verordnung (EU) 2024/1485 und Anhang I der Verordnung (EU) 2018/1542 um neue Einträge erweitert.
Anhang I der Verordnung (EU) 269/2014 umfasst nun mit „Surgutneftgaz“ eines der wichtigsten russischen Ölunternehmen sowie das Öltransportunternehmen JSC Volga Shipping. Insofern adressiert das 17. Sanktionspaket auch den russischen Energiesektor; weitere den Energiesektor betreffende güterbezogene Sanktionen bleiben jedoch aus.
Die Ergänzungen im Anhang IV der Verordnung (EU) 2024/1485 betreffen dagegen hauptsächlich Angehörige der russischen Justiz und Strafverfolgungsbehörden, u.a. solche, die im Zusammenhang mit der juristischen Verfolgung des im Februar 2024 verstorbenen Oppositionspolitikers Alexei Nawalny standen.
Im Übrigen wurden russische Einrichtungen in Anhang I der Verordnung (EU) 2018/1542 über restriktive Maßnahmen gegen die Verbreitung und den Einsatz chemischer Waffen, aufgenommen, die an der Entwicklung bzw. dem Einsatz chemischer Waffen beteiligt sein sollen.
EU-Sanktionen gegen Russlands destabilisierende Aktivitäten ausgeweitet
Lediglich die Verordnung (EU) 2024/2642 wird durch das 17. Sanktionspaket auch um neue Sanktionstatbestände ergänzt. Die Verordnung über restriktive Maßnahmen angesichts der destabilisierenden Aktivitäten Russlands, die zuvor lediglich personenbezogene Finanzsanktionen vorsah, wird um Transaktionsverbote sowie um spezifische Verbote angereichert, die auf die Verhinderung der Verbreitung von Falschinformationen abzielen (u.a. durch Entzug der Rundfunklizenzen).
Der neu hinzugefügte Art. 1a Verordnung (EU) 2024/2642 bestimmt, dass EU-Personen solche Transaktionen insgesamt verboten sind, die sich auf gelistete materielle Vermögenswerte wie Schiffe, Luftfahrzeuge, Immobilien, Häfen, Flughäfen sowie physische Elemente digitaler Netze oder Kommunikationsnetze beziehen oder diese betreffen. Maßgeblich ist damit hier die Listung des „Transaktionsgegenstands“, nicht die des Vertragspartners oder der beteiligten Personen. Der korrespondierende Anhang III ist jedoch noch nicht befüllt, sodass das Verbot derzeit noch nicht zu Anwendung kommt. Sobald materielle Vermögensgegenstände gelistet werden, wird auszulegen sein, wie weit das Transaktionsverbot in Bezug auf Vermögensgegenstände reicht; Transaktionsverbote im Russland-Embargo bezogen sich bislang ausschließlich auf Transaktionen mit bestimmten gelisteten Personen oder Einrichtungen.
Das 17. Sanktionspaket ergänzt zudem Art. 1b Verordnung (EU) 2024/2642, der ein Transaktionsverbot mit im – ebenfalls derzeit noch nicht befüllten – Anhang IV gelisteten Finanzinstituten und Krypto-Dienstleistern statuiert, die die destabilisierenden Aktivitäten Russlands unterstützen. Das Verbot bezieht sich nach der maßgeblichen englischsprachigen Fassung lediglich auf Finanzinstitute und Krypto-Dienstleister, die in Anhang IV gelistet sind; der Verweis auf Anhang IV fehlt dagegen – wohl durch einen Übersetzungsfehler – in der deutschen Sprachfassung von Art. 1b Abs. 1 lit. a) Verordnung (EU) 2024/2642.
Die inhaltliche Erweiterung der Sanktionen wird flankiert durch eine Ergänzung der personenbezogenen Finanzsanktionen durch Listung weiterer Personen und Unternehmen in Anhang I der Verordnung (EU) 2024/2642. Unter den hiernach neu Gelisteten befinden sich u.a. Personen, die prorussische Propaganda verbreitet, sowie Akteure, die den demokratischen Prozess in Estland und Deutschland untergraben. Auch zwei Fischereifirmen wurden in Zusammenhang mit Spionage- und Sabotageaktionen gegen kritische Infrastruktur sanktioniert.
Ausblick
Das neueste 17. Sanktionspaket trat zu großen Teilen bereits am Tag seiner Veröffentlichung, d.h. am 20. Mai 2025 in Kraft; die Änderungen der Verordnung (EU) 2024/2642 treten am Folgetag in Kraft. Abgesehen von der Verordnung (EU) 2024/2642 werden durch das Sanktionspaket keine neuen Verbotstatbestände eingeführt. Stattdessen beschränkt sich das Sanktionspaket auf die Ergänzung bereits vorhandener Anhänge und insofern auf die Ausweitung bereits vorhandene Sanktionsinstrumentarien. Für EU-Unternehmen dürfte das Sanktionspaket daher – verglichen mit anderen Sanktionspaketen – weniger substanzielle Einschnitte mit sich bringen.
Die angekündigten deutlichen Sanktionsverschärfungen bleiben insofern bislang aus. Die EU erarbeitet im Rahmen der „RePowerEU Roadmap“ aber bereits Vorschläge, den Import fossiler Brennstoffe aus Russland zu beenden. Konkrete Gesetzesvorschläge werden hierzu im Juni erwartet. Parallel wird in Brüssel schon jetzt ein 18. Sanktionspaket vorbereitet. Kommissionspräsidentin von der Leyen stellte diesbezüglich am 17. Mai 2025 unter anderem Sanktionen gegen Nord Stream und Nord Stream 2 in Aussicht: Es dürfe keinerlei Raum für ein Interesse, insbesondere von Finanzinvestoren, an der Fortsetzung von Aktivitäten im Zusammenhang mit Nord Stream und Nord Stream 2 geben. Die konkrete sanktionstechnische Ausgestaltung dieser Forderung bleibt abzuwarten. Daneben werde nach Diplomatenangaben eine Herabsenkung des Öl-Preisdeckels für russisches Rohöl von derzeit 60 US-Dollar diskutiert.
