
Das Verwaltungsgericht Frankfurt am Main (7. Kammer) hat die Anforderungen an die kommunale wirtschaftliche Betätigung verschärft und dabei zugleich die Möglichkeit der kommunalen Beteiligung an Rechenzentren eingeschränkt.
Die wirtschaftliche Betätigung von Kommunen unterliegt in Hessen strengen rechtlichen Vorgaben, die durch das Subsidiaritätsprinzip in § 121 Abs. 1 Nr. 3 HGO konkretisiert werden. Demnach ist eine kommunale wirtschaftliche Tätigkeit nur dann zulässig, wenn der verfolgte Zweck nicht ebenso gut und wirtschaftlich durch einen privaten Dritten erfüllt wird oder werden kann. Eine solche qualifizierte Subsidiaritätsklausel stellt hohe Anforderungen an Kommunen, da die Kommunen bei ihren Tätigkeiten nachweisen müssen, dass ihre eigene Leistungserbringung derjenigen privater Anbieter überlegen ist. Die Darlegungs- und Beweislast liegt demnach bei der Kommune. Im Gegensatz dazu sieht eine einfache Subsidiaritätsklausel vor, dass der zu erfüllende Zweck durch einen Privaten nicht besser und wirtschaftlicher erfüllt werden kann. Hier wird der Privatwirtschaft also nur bei Leistungsparität der Vorrang eingeräumt.
- Beurteilungsspielraum der Kommunen und Bestandsschutz
Der Kommune steht bei Prüfung der Anforderungen der Subsidiaritätsklausel allerdings ein Beurteilungsspielraum zu. Aufgrund ihres Wissens um die lokalen Gegebenheiten kann sie die Erforderlichkeit und Angemessenheit der wirtschaftlichen Betätigung im Einzelfall sachgerecht einschätzen. Die Rechtsprechung stellt keine überhöhten Anforderungen an die Qualität dieser Entscheidung. Der Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz hat im Zusammenhang mit der qualifizierten Subsidiaritätsklausel des § 85 Abs. 1 Nr. 3 GO RhPf a. F. bereits im Jahr 2000 klargestellt, dass hierbei auch maßgeblich sei, welche Bedeutung die streitgegenständliche Leistung für die Bürger habe (vgl. Urteil des VerfGH RhPf vom 28. März 2000 – VGH N 12/98 = NVwZ 2000, 801 ff.). Private Wettbewerber, die sich durch die Beurteilungsentscheidung in ihrer wirtschaftlichen Betätigungsfreiheit verletzt sehen, können – u. a. in Hessen, vgl. § 121 Abs. 1b S. 1 HGO – den Verwaltungsrechtsweg beschreiten.
Die Kommune kann sich gegenüber Privaten unter Umständen aber auf Bestandsschutz für bestehende kommunale Unternehmen berufen. Unwesentliche Erweiterungen der bestehenden kommunalen Tätigkeit sind dann unbeachtlich. Anders verhält es sich hingegen bei wesentlichen Ausweitungen des Geschäftsbetriebs, die nicht mehr als bloße Fortführung anzusehen sind.
Die Entscheidung des VG Frankfurt verdeutlicht in diesem Kontext die praktischen Herausforderungen einer verschärften Subsidiaritätsklausel für Kommunen. In dem zugrundeliegenden Verfahren klagte ein privates Unternehmen, das bereits zwei Rechenzentren im Frankfurter Stadtgebiet betreibt, auf die Feststellung, die beklagte Stadt, Frankfurt am Main, habe mit ihrer mittelbaren Beteiligung an seinem Wettbewerber, der Mainova WebHouse GmbH, gegen die Subsidiaritätsklausel aus § 121 Abs. 1 Nr. 3 HGO verstoßen. Die Mainova WebHouse GmbH wird mehrheitlich von dem hessischen Energieversorger Mainova AG gehalten, deren Mehrheitseigentümer die Beklagte ist.
- VG Frankfurt: Verletzung der Subsidiaritätsklausel
Das Gericht gab der Klägerin recht. Es stellte fest, dass die Beklagte nicht ausreichend dargelegt habe, dass der Betrieb des Rechenzentrums nicht ebenso gut und wirtschaftlich durch private Dritte erfolgen könne. Hierin liege ein Beurteilungsfehler der Stadt. Insbesondere wurde der Stadt vorgeworfen, z. B. keine Markterkundung durchgeführt zu haben. Zudem betonte das Gericht, dass die heutige Betätigung der Mainova GmbH im Bereich der Rechenzentren gegenüber ihrer Tätigkeit in der Vergangenheit eine wesentliche Erweiterung darstelle, die nicht vom Bestandsschutz der bisherigen Betätigung gedeckt sei.
Die Berufung wurde zugelassen. Bisher ist nur die Pressemitteilung abrufbar, weshalb die Entscheidungsgründe abzuwarten bleiben.
- Bedeutung für andere Bundesländer
Die Entscheidung hat über Hessen hinaus Bedeutung, da ähnliche qualifizierte Subsidiaritätsklauseln auch in anderen Ländern wie Baden-Württemberg, Bayern, Rheinland-Pfalz, dem Saarland und Thüringen existieren. Allerdings variieren die Anwendungsbereiche dieser Klauseln. In einigen Ländern sind bestimmte Bereiche der kommunalen Daseinsvorsorge, wie die Energieversorgung oder der öffentliche Personennahverkehr, von der Subsidiaritätsprüfung ausgenommen. In Hessen hingegen gelten nur spezifische Ausnahmen, beispielsweise für die Erzeugung und Einspeisung erneuerbarer Energien, § 121 Abs. 1a HGO. Kommunen in den oben genannten Bundesländern müssen daher bei neuen oder erweiterten wirtschaftlichen Betätigungen besonders sorgfältig prüfen, ob sie die strengen Anforderungen der jeweiligen Subsidiaritätsklausel erfüllen.
Für den Rechenzentrenmarkt ist diese Entwicklung besonders relevant. Derzeit machen sich viele kommunal gehaltene Unternehmen auf, ein oder mehrere Rechenzentren zu entwickeln. Insbesondere dann, wenn für diese Entwicklung auch private Partner hinzugenommen werden, muss sich die Kommune die Frage stellen, ob die Vorgaben der Subsidiaritätsklausel eingehalten werden können.
Der Fall aus Frankfurt unterstreicht die Notwendigkeit für Kommunen, bei wirtschaftlichen Aktivitäten eine gründliche Marktanalyse durchzuführen. So kann sichergestellt werden, dass kommunale Betätigungen den gesetzlichen Anforderungen entsprechen und rechtlich Bestand haben. Sollte sich das Urteil in den nächsten Instanzen bestätigen, könnte die Stadt verpflichtet sein, die mittelbare Beteiligung an der Mainova WebHouse GmbH aufzugeben.
