Am 6. November 2018 hat die Regierungskommission den Entwurf des geänderten Deutschen Corporate Governance Kodex (der „Kodex“) veröffentlicht und das Konsultationsverfahren eingeleitet. Ziel der Reform ist die Verschlankung und Vereinfachung des Kodex. Hierdurch sollen die Relevanz und die Akzeptanz des Kodex erhöht werden. Inhaltlich soll der Kodex an ARUG II angepasst werden. Daher bilden die Empfehlungen zur Vorstandsvergütung einen Schwerpunkt der Kodexreform. Einen weiteren Schwerpunkt bildet die Konkretisierung der Anforderungen an die Unabhängigkeit von Aufsichtsratsmitgliedern.
Wesentliche Reformvorschläge in Kürze
- Streichung bloßer Gesetzeswiedergaben;
- Verbesserung der Lesbarkeit durch Aufbau, der sich an den einzelnen Funktionen der Leitung und Überwachung der Unternehmen orientiert;
- Ergänzung der Empfehlungen und Anregungen des Kodex durch „Grundsätze“;
- Ergänzung des bisherigen „comply or explain“-Gedanken, um den „apply and explain“-Gedanken – Erläuterung, wie die Grundsätze angewendet werden;
- Vorstandsvergütung nach Performance, transparent und verständlich ausgestaltet;
- Einführung einer Ziel-Gesamtvergütung, deren Angemessenheit durch einen Vergleich zu einer Peer Group sowie zur Vergütungsstruktur im eigenen Unternehmen beurteilt wird;
- langfristig variable Vergütungsbestandteile sollen in Aktien ausbezahlt werden, die einer vierjährigen Haltepflicht unterliegen;
- Einführung von Katalogkriterien, die Indikatoren für die fehlende Unabhängigkeit der Aufsichtsratsmitglieder sein können;
- Offenlegung der Sitzungspräsenz bei Aufsichtsratssitzungen.
Zeitplan
- Der Entwurf der Kodexreform wurde am 6. November 2018 veröffentlicht.
- Das Konsultationsverfahren läuft bis zum 31. Januar 2019.
- Im April 2019 soll die neue Fassung des Deutschen Corporate Governance Kodex dem Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz zur Veröffentlichung zur Verfügung gestellt werden.
- Der geänderte Kodex soll in zeitlicher Nähe zum Inkrafttreten von ARUG II (spätestens am 10. Juni 2019) wirksam werden.
Wesentliche Änderungsvorschläge im Einzelnen
1. Einführung von Grundsätzen und dem „apply and explain”-Gedanken
Die neuen „Grundsätze“ sollen die bisherigen Empfehlungen und Anregungen ergänzen. Die Grundsätze sind aus wesentlichen rechtlichen Vorgaben und elementaren Standards guter und verantwortungsvoller Unternehmensführung abgeleitet. Aufsichtsrat und Vorstand sollen künftig erläutern, auf welche Weise die Grundsätze von den Organen angewendet werden. Hierdurch soll die Verwendung von „Standardtexten“ vermieden werden. Aktionäre und andere Stakeholder sollen in die Lage versetzt werden, die Ausgestaltung der Corporate Governance im Unternehmen zu beurteilen. Dieser „apply and explain“-Gedanke ergänzt den bereits bisher geltenden „comply or explain“-Gedanken (A.19). Ob hierdurch allerdings weniger „Standardtexte“ verwendet werden, ist fraglich.
2. Neue Empfehlungen zur Vorstandsvergütung
Ein Kernelement der Kodexreform sind die neuen Grundsätze 23-28, die Empfehlungen zur Vorstandsvergütung enthalten. Ziel der Neuregelung ist, erbrachte Leistungen angemessen zu vergüten („Pay for Performance“), Anreize zu setzen, vor allem die Geschäftsstrategie zu fördern (§ 87a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AktG-E (nach ARUG II)) und die gesellschaftliche Akzeptanz durch höhere Transparenz und bessere Verständlichkeit zu erhöhen.
Das Vergütungssystem soll eine Ziel- und eine Maximal-Gesamtvergütung vorsehen, die in einem angemessenen Verhältnis zu den Aufgaben und Leistungen des Vorstandsmitglieds sowie zur Lage des Unternehmens stehen (Grundsatz 24). In dem Vergütungssystem soll der relative Anteil von fixen und variablen Vergütungselementen festgelegt und der Zusammenhang zwischen vereinbarten Zielen und der für die Zielerreichung zu leistenden variablen Vergütungsbestandteile definiert werden (Grundsatz 25, „Pay for Performance“). Bei Festsetzung der Ziel-Gesamtvergütung soll der Aufsichtsrat einen Peer Group-Vergleich durchführen und die Zusammensetzung der Vergleichsgruppe offenlegen. Die Kodexreform weist zu Recht auf das Risiko hin, dass mit einem solchen Peer Group-Vergleich eine Aufwärtsentwicklung der Vorstandsvergütung verbunden sein dürfte (D.8). Die Angemessenheit der Vorstandsvergütung soll durch einen Vergleich zu der Vergütung in anderen Unternehmen, zum oberen Führungskreis des jeweiligen Unternehmens und zur Gesamtbelegschaft des jeweiligen Unternehmens beurteilt werden (D.6).
Die Vergütung soll fixe, kurzfristig variable und langfristig variable Vergütungselemente kombinieren. Der Anteil der langfristig variablen Vergütungselemente soll den Anteil der kurzfristig variablen Vergütungselemente übersteigen (D.1). Die variable Vergütung soll sich an Unternehmenszielen orientieren. Der langfristig variablen Vergütung sollen Ziele aus der aktuellen strategischen Planung für das betreffende Geschäftsjahr zugrunde liegen. Die kurzfristig variable Vergütung soll sich an der operativen Jahresplanung orientieren (D.9). In begründeten Fällen soll eine variable Vergütung einbehalten oder zurückgefordert werden können (D.12, „Clawback“).
Die kurzfristig variable Vergütung soll in bar ausbezahlt werden, die langfristig variable Vergütung soll in Aktien der Gesellschaft gewährt werden, die mindestens vier Jahre lang nicht veräußert werden können (D.7). Die Gesamtvergütungshöhe soll darüber hinaus gedeckelt sein (Grundsatz 28).
3. Unabhängigkeit der Aufsichtsratsmitglieder
Weitere wesentliche Empfehlungen der Kodexreform beziehen sich auf die Unabhängigkeit der Aufsichtsratsmitglieder. Die Empfehlungen zielen darauf ab, potentielle Interessenkonflikte zu vermeiden. Der Reformvorschlag enthält Katalogkriterien, die Indikatoren für die fehlende Unabhängigkeit der Aufsichtsratsmitglieder sein können (B.8). Indikatoren können beispielsweise sein:
- Vorstandsmitglied in den letzten zwei Jahren vor der Wahl;
- wesentliche geschäftliche Beziehungen (Lieferant, Kunde, Kreditgeber, Berater o.ä.);
- wesentliche andere variable Vergütung von der Gesellschaft (NEU);
- nahe familiäre Beziehung zu einem Vorstandsmitglied;
- kontrollierender Aktionär;
- mehr als zwölfjährige Zugehörigkeit zum Aufsichtsrat (NEU).
Sofern mindestens ein Katalogkriterium erfüllt ist und das betreffende Aufsichtsratsmitglied dennoch als unabhängig erachtet wird, soll dies in der Erklärung zur Unternehmensführung begründet werden (B.9).
Dem Aufsichtsrat soll, wie auch schon zuvor, eine angemessene Anzahl unabhängiger Mitglieder angehören (B.7). Die neue Kodexempfehlung sieht vor, dass diese Empfehlung nur für Anteilseignervertreter gelten soll, da nur diese auf Vorschlag des Aufsichtsrats von der Hauptversammlung gewählt werden.
4. Weitere Reformvorschläge
- Als Anreiz für eine stärkere Sitzungspräsenz soll offengelegt werden, an wie vielen Aufsichtsratssitzungen jedes Mitglied des Aufsichtsrats teilgenommen hat (A.14). Zuvor lautete die Empfehlung, es soll offengelegt werden, wenn ein Aufsichtsratsmitglied nur an der Hälfte oder weniger der betreffenden Sitzung teilgenommen hat.
- Der Aufsichtsrat soll neuerdings regelmäßig auch ohne Beteiligung des Vorstands tagen (A.13).
- Aufsichtsratsmandate sollen auf fünf (für Aufsichtsratsmitglieder, die keinem geschäftsführenden Organ eines Unternehmens angehören, wobei ein Aufsichtsratsvorsitz doppelt zählt) bzw. auf zwei, von denen keines ein Aufsichtsratsvorsitzmandat sein soll (bei Aufsichtsratsmitgliedern, die dem geschäftsführenden Organ eines Unternehmens angehören), begrenzt werden (B.5, B.6).
- Die Amtszeit von Vorstandsmitgliedern soll bei Erstbestellungen (C.2) und die Amtszeit von Aufsichtsratsmitgliedern der Anteilseignerseite soll grundsätzlich (B.1) auf drei Jahre begrenzt werden.
- Die Dauer der Zugehörigkeit zum Aufsichtsrat soll offengelegt werden (B.4).
- Die regelmäßig durchzuführende Effizienzprüfung des Aufsichtsrats soll im Abstand von höchstens drei Jahren extern unterstützt werden (A.15).