
Die Klimaklage eines peruanischen Bergführers vor dem OLG Hamm gegen einen börsennotierten Energieversorgungskonzern hat viel Aufsehen erregt. Bereits im Jahr 2016 war der Kläger vor dem LG Essen unterlegen. Am 28. Mai 2025 hat nun auch das OLG Hamm die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Das OLG Hamm verneinte einen Anspruch des Klägers nach Beweisaufnahme im konkreten Fall, weil der Kläger keiner konkreten Gefahr durch die Folgen des von der Beklagten ausgestoßenen CO₂ ausgesetzt sei.
Das OLG Hamm spricht in seiner Pressemitteilung vom 28. Mai 2025 selbst von einem „bedeutenden Prozess im Rahmen der aktuellen Klimawandel-Debatte“. Ausgangspunkt war eine sog. Klimaklage eines peruanischen Bergführers gegen einen Energieversorgungskonzern auf eine anteilige Beteiligung an den Kosten für Schutzmaßnahmen für sein unterhalb eines Gletschersees gelegenes Grundstück in Peru. Der Kläger machte geltend, dass die Beklagte wegen seines CO₂-Ausstoßes ein Beitrag zur Verursachung möglicher Schäden an seinem Grundstück im Falle eines künftigen Anstiegs des Gletschersees zuzurechnen sei.
Bereits im Jahr 2016 hatte das Landgericht Essen die Klage abgewiesen, damals wegen der fehlenden Kausalität zwischen der Geschäftstätigkeit der Beklagten und dem Anstieg des Gletschersees in Peru.
Für viel Aufsehen hat das OLG Hamm sodann gesorgt, als es in zweiter Instanz in die Beweisaufnahme eintrat und sogar eine mehrtägige Ortsbesichtigung in Peru durchführte. Aus Sicht des OLG Hamm sei es grundsätzlich möglich, dass der Verursacher von CO₂-Emissionen zur Ergreifung von Maßnahmen zur Verhinderung möglicher Schäden verpflichtet sein könne, sofern eine hinreichende konkrete Gefahr solcher Schäden bestünde und sofern der Verursachungsbeitrag des CO2-Emittenden nicht nur geringfügig sei. Hierauf hatte das OLG Hamm ausweislich der Pressemitteilung des Gerichts im Rahmen der mündlichen Urteilsverkündung ausdrücklich hingewiesen.
Im vorliegenden Fall scheiterte der Anspruch des peruanischen Bergführers allerdings zumindest am Fehlen einer konkreten Gefahr für eine drohende Beeinträchtigung des klägerischen Grundstücks. Nach den Angaben des Sachverständigen, die das Gericht seiner Entscheidung zugrunde legte, beträgt die Wahrscheinlichkeit, dass überhaupt Wasser des Gletschersees das Grundstück des Klägers in den nächsten 30 Jahren erreiche, nur rund ein Prozent. Das OLG Hamm wies die Berufung deshalb zurück (Az. 5 U 15/17).
- Nächste Schritte
Das OLG Hamm hat die Revision nicht zugelassen. Eine Nichtzulassungsbeschwerde ist aufgrund des zu geringen Streitwerts nicht zulässig. Das Urteil ist damit rechtskräftig.
- Auswirkungen: Entscheidung für die Beklagte, jedoch wohl keine unternehmensfreundliche Grundsatzentscheidung
Einerseits ist die Entscheidung des OLG Hamm für die Beklagte ein Erfolg. Auch andere Unternehmen, deren Geschäftstätigkeit mit hohen CO2-Emissionen verbunden ist, dürften die Eingrenzung einer potenziellen Haftung zumindest durch das Erfordernis einer konkreten Gefährdungslage wohlwollend zur Kenntnis genommen haben.
Andererseits erscheint das Urteil jedoch nicht als unternehmensfreundliche Grundsatzentscheidung, weil der Kläger nicht bereits grundsätzlich an der Haftungsgrundlage, sondern wegen den ortsspezifischen geowissenschaftlichen Sachverhaltsfragen des Einzelfalls scheiterte. So dürfte nicht ausgeschlossen sein, dass sich weitere Klimakläger durch die allgemeinen Ausführungen und die Beweisaufnahme des OLG Hamm bestätigt sehen und sich auf die Suche nach einem passenderen Kläger begeben könnten. Ein Abflauen der Klimaklagen ist im Anschluss an die Entscheidung des OLG Hamm daher wohl eher nicht zu erwarten.
Ausblick: Vielmehr neuer Aufwind für Klimaklagen wegen regulatorischen Abschwächungen von Nachhaltigkeitsvorgaben?
Aktuell werden sowohl national wie auch auf EU-Ebene die regulatorischen ESG-Vorgaben für Unternehmen diskutiert und überdacht: Die Europäische Kommission will durch ihre Omnibus-Initiativen zahlreiche Regelungen vereinfachen, darunter auch die CS3D, d.h. die Richtlinie über nachhaltigkeitsbezogene Unternehmenspflichten sowie die CSRD, d.h. die Richtlinie über die Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen. Zudem kündigte die Bundesregierung in ihrem Koalitionsvertrag an, das im Jahr 2023 in Kraft getreten Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz durch ein neues Gesetz ersetzen zu wollen. Nicht ausgeschlossen ist, dass dieser Trend zu einer regulatorischen Abschwächung von besonderen ESG-Vorgaben für Unternehmen führen könnte. Dadurch könnte sich der Fokus von klimaschutzengagierten NGOs (noch) mehr in Richtung der Prozessführung auf Grundlage allgemeiner Haftungstatbestände verlagern.
