
Raumfahrtaktivitäten und die geostrategische Nutzung des Weltraumes gewinnen weltweit erheblich an Bedeutung. Das Interesse an Weltraumtechnologien wächst sowohl bei staatlichen als auch bei privaten Akteuren. Viele Unternehmen sehen in Investitionen in die Raumfahrttechnologie eine Wachstumschance. Um die bisherigen Regulierungslücken im Weltraumrecht zu schließen und der uneinheitlichen Regelung auf nationaler Ebene zu begegnen, hat die EU-Kommission am 25. Juni 2025 den Entwurf für einen EU Space Act (EU-Weltraumgesetz) vorgelegt. Die Verordnung soll die Genehmigung und Registrierung von Weltraumaktivitäten sowie deren Aufsicht harmonisieren. Damit betrifft sie vor allem innerhalb der EU ansässige Anbieter von Weltraumdiensten, aber auch Unternehmen aus Drittstaaten und internationale Organisationen, die innerhalb der Union Dienste mit Weltraumbezug anbieten oder weltraumgestützte Daten bereitstellen. Der EU Space Act soll außerdem die Bereitstellung von Diensten zur Kollisionsvermeidung für den Verkehr in der Erdumlaufbahn regeln und ein EU-Weltraumlabel einführen.
Hintergrund und Ziele
I. Hintergrund
Hintergrund des Entwurfs ist die bislang nur fragmentarische Regelung des Weltraumrechts in der EU. Die Nutzung des Weltraums wird grundlegend durch das Völkerrecht, insbesondere durch den 1967 abgeschlossenen und aktuell von 116 Staaten ratifizierten Weltraumvertrag, geregelt. Dieser Vertrag legt die völkerrechtliche Verantwortung der Vertragsstaaten für nationale – staatliche und nichtstaatliche – Tätigkeiten mit Bezug zum Weltraum fest. Er verpflichtet die Vertragsstaaten dazu, Weltraumaktivitäten privater Akteure von einer Genehmigung abhängig zu machen und diese Aktivitäten zu überwachen. Im Gegensatz zu vielen anderen Staaten, die eine relevante Raumfahrtindustrie besitzen, hat Deutschland diese Verpflichtung nicht in ein nationales Gesetz umgesetzt. Aktuell existiert nur ein Eckpunktepapier für ein Weltraumgesetz, das im September 2024 durch die damalige Bundesregierung vorgelegt worden ist.
Auch auf EU-Ebene finden sich nur vereinzelt Rechtsakte mit Bezug zum Weltraum, etwa die NIS-2-Richtlinie (Richtlinie (EU) 2022/2555), deren Vorschriften zur Cybersicherheit räumlich auf den Weltraum ausgeweitet worden sind.
Mit dem Entwurf eines EU Space Act reagiert die EU-Kommission auf die bestehenden Regulierungslücken und wendet sich gegen eine weitere Zersplitterung des Weltraumrechts innerhalb der EU. Damit soll einer Hemmung von Innovationen und einer Verringerung des Marktanteils europäischer Akteure entgegengewirkt werden.
Neben dem EU Space Act hat die EU-Kommission am 25. Juni 2025 zugleich ihre Vision für die Europäische Weltraumwirtschaft vorgestellt. Dabei handelt es sich um eine umfassende Strategie zur Stärkung der Autonomie sowie Technologieführerschaft Europas im Weltraum. Das Dokument baut auf der Weltraumstrategie der Europäischen Union für Sicherheit und Verteidigung vom 10. März 2023 auf. Dort hatte die EU-Kommission unter dem Eindruck russischer Übungsangriffe auf kritische Weltrauminfrastrukturen erstmals offiziell angekündigt, ein EU-Weltraumgesetz zur Steigerung der Weltraumsicherheit auf den Weg bringen zu wollen.
Zuletzt warnte die EU-Kommission am 6. März 2025 in ihrem „White Paper for European Defence – Readiness 2030“, dass Europas Handlungsfreiheit zunehmend im Weltraum bedroht werde und strategische Konkurrenten bereits massiv in die Weltraumkriegführung investierten. Daran anknüpfend stellt die EU-Kommission nun klar, dass „Defence Readiness“ im aktuellen geopolitischen Kontext und angesichts verfügbarer militärischer Fähigkeiten ohne „Space Readiness“ nicht möglich sei. Der nun vorgelegte EU Space Act soll ein zentrales Instrument sein, um diese Space Readiness zu erreichen.
II. Ziele: Sicherheit, Resilienz und Nachhaltigkeit
Die Grundlage des EU Space Acts bilden die drei Aspekte Sicherheit, Resilienz und Nachhaltigkeit. Im Bereich der Sicherheit zielt der Entwurf zunächst auf eine verbesserte physische Sicherheit ab, etwa durch Minimierung der Entstehung von neuem Weltraumschrott oder eine gemeinsame Nutzung von Satellitenpositionsdaten zur Vermeidung von Kollisionen. Daneben strebt die EU-Kommission vor dem Hintergrund zunehmender Cyberangriffe eine verstärkte Cybersicherheit an. Eng damit verbunden ist die beabsichtigte Erhöhung der Resilienz. Resilienz ist die Fähigkeit, auf einen Angriff oder eine sonstige Beeinträchtigung von Daten, Diensten oder der physischen Sicherheit vorbereitet zu sein, ihn abzuwehren, zu bewältigen und sich davon zu erholen. Sie soll Aus- und Zwischenfälle verhindern und eine stetige und ununterbrochene Verfügbarkeit von Satellitendaten für wichtige Sektoren gewährleisten. Schließlich spielt auch im Kontext des Weltraumrechts die Nachhaltigkeit eine maßgebliche Rolle. Durch den EU Space Act soll im Einklang mit dem European Green Deal und den Nachhaltigkeitszielen der EU der ökologische Fußabdruck von europäischen Raumfahrtaktivitäten verringert werden.
Insgesamt soll durch den EU Space Act ein einheitlicher Rechtsrahmen für den EU-Raumfahrtmarkt geschaffen werden. Zur Vermeidung von Überschneidungen und Konflikten sollen nationale Ansätze in den EU Space Act integriert werden.
Wesentliche Regelungen
I. Allgemeine Regelungen, Art. 1-5 EU Space Act
Der Anwendungsbereich des EU Space Act soll neben Anbietern von Weltraumdiensten mit Sitz in der EU auch solche aus Drittstaaten sowie internationale Organisationen umfassen, wenn sie ihre Dienste oder weltraumgestützten Daten in der EU bereitstellen. In Art. 5 EU Space Act finden sich umfassende Definitionen zentraler weltraumrechtlicher Begriffe, beispielsweise „space object“, „space activities“ oder „space services provider“. Normiert wird zudem das Prinzip des freien Verkehrs weltraumgestützter Daten und Weltraumdienste innerhalb der Union. Ferner enthalten die allgemeinen Regelungen eine Klausel zur Wahrung der Zuständigkeit der Mitgliedstaaten in Fragen der nationalen Sicherheit.
II. Genehmigung und Registrierung von Weltraumtätigkeiten, Art. 6-27 EU Space Act
Titel II (Art. 6-27) des Entwurfs trifft Regelungen in Bezug auf die Genehmigungen von Weltraumaktivitäten. Raumfahrtunternehmen müssen bei einem EU-Mitgliedstaat für ihre Dienste eine Genehmigung beantragen, Art. 6 Abs. 1 EU Space Act. Ein besonderes Genehmigungsverfahren wird gemäß Art. 11-13 EU Space Act durchgeführt, wenn Raumfahrtunternehmen im Auftrag der EU tätig werden.
Für Betreiber aus Drittstaaten und internationale Organisationen, die Weltraumdienste in der Union erbringen, gelten spezielle Vorschriften (Art. 14-23 EU Space Act). Sie müssen im Unionsregister für Raumfahrtobjekte eingetragen und im Besitz eines elektronischen Zertifikats sein.
III. Governance-Aspekte, Art. 28-57 EU Space Act
Jeder Mitgliedstaat soll eine zuständige Behörde für die Genehmigung und Beaufsichtigung von Raumfahrtunternehmen der EU und für Marktüberwachungstätigkeiten benennen oder einrichten, Art. 28 Abs. 1 EU Space Act. Außerdem sollen die Mitgliedstaaten Vorschriften schaffen, um Verstöße gegen den EU Space Act wirksam, verhältnismäßig und abschreckend zu sanktionieren, Art. 31 Abs. 1 EU Space Act.
Die Zuständigkeiten auf Unionsebene ergeben sich aus Art. 40-57 EU Space Act. Die Agentur der Europäischen Union für das Weltraumprogramm („Agentur“ oder „EUSPA“) ist etwa verantwortlich für die Durchführung technischer Bewertungen, die Registrierung von Raumfahrtunternehmen aus Drittländern und die Ausstellung des maßgeblichen elektronischen Zertifikats. Die EU-Kommission übernimmt insbesondere die Aufsicht derjenigen Raumfahrtunternehmen, die im Auftrag der EU tätig werden.
IV. Technische Regeln, Art. 58-104 EU Space Act
Der Entwurf enthält zudem eine Vielzahl von technischen Anforderungen an Trägerraketen und Raumfahrzeuge, nicht zuletzt mit Blick auf die Sicherheit und Nachhaltigkeit im Weltraum. So müssen Raumfahrzeuge etwa für eine Wartung im Weltraum ausgerüstet sein.
In diesem Zusammenhang soll die EU-Kommission auch Bedingungen zur Abfall- bzw. Trümmerbeseitigen festlegen. Die EU-Kommission soll zudem ermächtigt werden, die Ausarbeitung technischer Normen in Auftrag zu geben oder gemeinsame Spezifikationen per Durchführungsrechtsakt festzulegen.
Ferner legt der Entwurf allgemeine Grundsätze für das Risikomanagement von Weltrauminfrastruktur sowie die Pflicht zur Durchführung von Risikobewertungen fest. Der Entwurf baut dabei auf bestehende Gesetzgebung zur Cybersicherheit und zur physischen Resilienz kritischer Infrastrukturen auf. Enthalten sind auch Vorschriften zur Nachhaltigkeit – Raumfahrtunternehmen müssen den ökologischen Fußabdruck über die gesamte Dauer ihres Einsatzes berechnen und bei ihrem Genehmigungsantrag eine geprüfte Erklärung samt Daten einreichen. Zudem sind sie verpflichtet, relevante Daten von Zulieferern zu erfassen, an die Kommission zu übermitteln und laufend zu aktualisieren.
V. Gleichwertigkeitsentscheidungen, internationale Übereinkünfte und Vorschriften für internationale Organisationen, Art. 105-108 EU Space Act
Art. 105–108 EU Space Act sollen der Kommission durch Anerkennung der Genehmigungsvoraussetzungen oder Übereinkünften mit Drittstaaten ermöglichen, die Genehmigung für Raumfahrtunternehmen, die ihren Sitz außerhalb der EU haben, zu vereinfachen.
VI. Unterstützende Maßnahmen, Art. 109-112 EU Space Act
Der Verordnungsvorschlag sieht unterstützende Maßnahmen vor, um die Kosten der Umsetzung des EU Space Act zu mindern und seine Anwendung zu erleichtern. Dies betrifft insbesondere Start-ups, Scale-ups und KMUs. Zu diesen unterstützenden Maßnahmen zählen Kapazitätsaufbau, technische Hilfe und eine digitale Informationsplattform.
Darüber hinaus soll ein Regelungsrahmen für das EU-Weltraumlabel eingeführt werden. Dieses soll an Raumfahrtunternehmen vergeben wird, die freiwillig über die Vorgaben der Verordnung hinausgehende Anforderungen an Sicherheit, Resilienz und ökologische Nachhaltigkeit erfüllen.
Fazit und Ausblick
Der Entwurf des EU Space Acts ist ein wichtiger Vorstoß der EU-Kommission in einen bislang nur wenig regulierten, aber zunehmend bedeutsamen Bereich. Der Weltraum, Raumfahrtaktivitäten und die Nutzung von Weltraumtechnologien geraten immer mehr in den Fokus staatlicher und nichtstaatlicher Akteure. Ein umfassendes Regelwerk auf EU-Ebene kann maßgeblich dazu beitragen, die Chancen der fortschreitenden wirtschaftlichen Erschließung des Weltraums zu nutzen und den verbundenen politischen und gesellschaftlichen Risiken zu begegnen. Auf diese Weise kann die Wettbewerbsfähigkeit der EU und ihrer Mitgliedstaaten bei der Nutzung des Weltraums gestärkt werden, ohne dabei die Ziele der Sicherheit, Nachhaltigkeit und Resilienz aus den Augen zu verlieren.
Viele Mitgliedstaaten der EU, unter anderem Deutschland und Frankreich, unterstützen daher einen einheitlichen europäischen Rechtsrahmen für das Weltraumrecht. Der nächste Schritt in Richtung Verabschiedung des EU Space Act wird nun der Trilog zwischen Kommission, Rat und Europäischem Parlament sein.
Es bleibt abzuwarten, ob die EU auch im Rahmen ihrer besonders vielfältigen Defence Europe-Aktivitäten einen stärkeren Fokus auf den Weltraum legen wird. Im Hinblick auf die zunehmende Bedeutung autonomer Satellitenkommunikation – militärisch und zivil – ist es jedenfalls sehr wahrscheinlich, dass die EU-Kommission den nun eingeschlagenen Weg zur Regulierung weltraumbezogener Aktivitäten spätestens bei dem für dieses Jahr erwarteten Vorschlag des Digital Network Act (DNA) weiter beschreiten wird.
