
Die Bundesnetzagentur („BNetzA“) hat am 24. März 2025 „über die Nichtanordnung eines Vergabeverfahrens und Verlängerung von Frequenzen in den Bereichen 800 MHz, 1.800 MHz und 2.600 MHz sowie eine Entschließung zur späteren Durchführung eines wettbewerblichen Verfahrens“ entschieden (Az. BK1-22/001; im Folgenden auch „Entscheidung der BNetzA“). Inhalt der Entscheidung ist die übergangsweise Verlängerung bestehender Frequenznutzungsrechte auf Antrag der Netzbetreiber („Handlungskomplex 1“) sowie die Durchführung eines wettbewerblichen Verfahrens zu einem späteren Zeitpunkt („Handlungskomplex 2“). Darüber hinaus umfasst die Entscheidung Auflagen zur Verbesserung der Mobilfunkversorgung und zur Sicherstellung der Regulierungsziele. Für Mobilfunkunternehmen und ihre Geschäftsstrategie ergibt sich jetzt bzw. zukünftig Prüfungs- und Handlungsbedarf.
I. Hintergrund
Die Vergabe von Mobilfunkfrequenznutzungsrechten erfolgt auf Grundlage des Telekommunikationsgesetzes (TKG), insbesondere auf Grundlage von § 91 TKG, der die Zuweisung von Frequenznutzungsrechten für die mobile Telekommunikation an die BNetzA überträgt. Gem. §§ 91 Abs. 9, 100 Abs. 1 TKG erfolgt bei einer bestehenden (oder ggf. prognostizierten) Frequenzknappheit die Zuteilung der Mobilfunkfrequenznutzungsrechte im Rahmen eines Vergabeverfahrens an die Mobilfunkbetreiber. Im aktuellen Verfahren für Frequenznutzungsrechte in den Bereichen 800 MHz, 1.800 MHz und 2.600 MHz hat die BNetzA – trotz einer Frequenzknappheit i.S.v. § 91 Abs. 9 TKG (Entscheidung der BNetzA, S. 198) – bereits in einem Konsultationspapier von 2023 die Nichtanordnung einer Vergabe und die vorübergehende Verlängerung der Mobilfunkfrequenznutzungsrechte als Übergangslösung für die auslaufenden Frequenznutzungsrechte vorgeschlagen.
Der damalige Vorschlag sowie die nun vorliegende abschließende Entscheidung der BNetzA über die Nichtanordnung einer Vergabe und die übergangsweise Verlängerung – unter Ausübung des gesetzlich eingeräumten Ermessens der BNetzA gem. § 91 Abs. 9 i.V.m. § 92 Abs. 2 S. 3 TKG – werden vor allem mit der Vermeidung einer regulierungsinduzierten Knappheit durch die Schaffung eines größeren Vergleichsrahmens mithilfe der Angleichung der 2025 auslaufenden Frequenznutzungsrechten mit den im Jahr 2033 und 2036 auslaufenden Nutzungsrechten begründet (Entscheidung der BNetzA, S. 9). Durch diese Maßnahme soll den Regulierungszielen des nachhaltigen und chancengleichen Wettbewerbs sowie der effizienten Frequenznutzung gem. § 92 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 i.V.m. § 2 Abs. 2 Nr. 2, 5 TKG entsprochen werden (Entscheidung der BNetzA, S. 27).
Die Verlängerung der Frequenznutzungsrechte ermöglicht außerdem, marktliche Entwicklungen in das später stattfindende Vergabeverfahren einzubeziehen. Hierzu zählen etwa die Verfügbarkeit neuer Frequenzen im Bereich zwischen 470 und 694 MHz, die nach einer Entscheidung der Weltfunkkonferenz 2023 auch für den Mobilfunk benutzt werden können, sowie die Etablierung des neuen vierten Mobilfunknetzbetreibers 1&1 Mobilfunk GmbH (neben den jetzigen etablierten Mobilfunknetzbetreibern Telefónica GmbH & Co. OHG, Deutsche Telekom GmbH und Vodafone Deutschland GmbH) (Entscheidung der BNetzA, S. 27f.).
II. Entscheidung der BNetzA vom 24. März 2025
Mit ihrer Entscheidung vom 24. März 2025 ist die BNetzA nun ihren Konsultationspapieren aus den Jahren 2023 und 2024 sowie ihrem Standpunkt in der öffentlichen mündlichen Verhandlung vom 9. Januar 2025 gefolgt und hat beschlossen, dass die
- bestehenden Frequenznutzungsrechte in den gepaart genutzten Bereichen 800 MHz, 1.800 MHz und 2.600 MHz mit aktueller Laufzeit bis zum 31. Dezember 2025 auf Antrag der Zuteilungsinhaber bis zum 31. Dezember 2030
- und die Frequenznutzungsrechte in den gepaart genutzten Teilbereichen 1.760 MHz bis 1.785 MHz und 1.855 MHz bis 1.880 MHz mit aktueller Laufzeit bis zum 31. Dezember 2033 auf Antrag des Zuteilungsinhabers bis zum 31. Dezember 2036
erneut zugeteilt werden, sofern die gesetzlichen Zuteilungsvoraussetzungen vorliegen.
Für die übergangsweise Verlängerung der Frequenzen aus den Bereichen 800 MHz, 1.800 MHz und 2.600 MHz auf Antrag werden Gebühren gemäß § 223 TKG i.V.m. BNetzA BGebV-FreqZut von den Mobilfunknetzbetreibern erhoben.
Im Rahmen des Verlängerungszeitraums fallen gem. § 224 Abs. 1 TKG i.V.m. der Frequenzschutzbeitragsverordnung (FSBeitrV, Verordnung über Beiträge zum Schutz einer störungsfreien Frequenznutzung) jährliche Frequenznutzungsbeiträge für die Mobilfunknetzbetreiber an.
Die Netzbetreiber haben nun bis zum 23. Mai 2025 Zeit, einen förmlichen – schriftlichen oder elektronischen – Antrag auf die Verlängerung von Frequenznutzungsrechten zu stellen. Die Entscheidung der BNetzA beinhaltet in der Anlage 1 eine schematische Gliederung des einzureichenden Antrags, für den Angaben zu den verlängernden Frequenznutzungsrechten, zur Zuverlässigkeit des Antragstellers u.a. in Bezug auf vorherige Frequenzzuteilungen oder Verstöße gegen das Telekommunikations- oder Datenschutzrecht, zur Leistungsfähigkeit sowie zu einem Frequenznutzungskonzept, das darlegt, wie eine effiziente und störungsfreie Frequenznutzung durch den Antragsteller gewährleistet werden soll, vorgesehen sind. U.a. sollen die Antragsteller auch ausführen, wie sie vor dem Hintergrund der auferlegten Verhandlungsgebote faire Verhandlungen gewährleisten werden. Die BNetzA gibt den Hinweis, dass die Festlegungen zur Verlängerung in der Übergangsentscheidung dem Grundsatz der vorübergehenden Fortschreibung des Status quo entsprechen sollen, um den kurzfristigen Zeitraum bis zur Durchführung eines wettbewerblichen Verfahrens sachgerecht und vorhersehbar zu regeln. Allerdings kann es laut der Entscheidung der BNetzA zu frequenzregulatorischen Änderungen an den Stellen kommen, wo sie aus Sicht der BNetzA zwingend notwendig sind.
III. Auflagen zur Verbesserung der Mobilfunkversorgung
Die Entscheidung der BNetzA wird durch Auflagen in Form von Versorgungsverpflichtungen ergänzt, die vor allem den zügigen Ausbau der Mobilfunkversorgung im ländlichen Raum vorantreiben sollen (Entscheidung der BNetzA, S. 6).
Die Festlegung von Auflagen in Form von Versorgungsverpflichtungen ist gem. §§ 92 Abs. 5 S. 1, 99 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 TKG im Rahmen der Frequenzzuteilung zur Sicherung einer effizienten und störungsfreien Nutzung der Frequenzen, der in § 2 TKG genannten Regulierungsziele sowie der in § 87 TKG genannten Ziele der Frequenzregulierung möglich. Mithilfe der Versorgungsverpflichtungen möchte die BNetzA zum einen sicherstellen, dass mit dem Aufbau der Netze zügig begonnen wird und zum anderen der Netzausbau kontinuierlich fortgesetzt wird (Entscheidung der BNetzA, S. 67). Im Einzelnen:
- Die Zuteilungsinhaberwerden dazu verpflichtet, ab dem 1. Januar 2030 bundesweit mindestens 99,5 % der Fläche mit einer Übertragungsrate von 50 Mbit/s im Downlink zu versorgen.
- Ab Anfang 2029 müssen 99 % der Haushalte in dünn besiedelten Gemeinden mit einer Übertragungsrate von 100 Mbit/s versorgt werden.
- Die Zuteilungsinhaber sind verpflichtet ab dem 1. Januar 2029 alle Bundesstraßen mit einer Übertragungsrate von 100 Mbit/s im Downlink zu versorgen.
- Des Weiteren muss ab dem 1. Januar 2029 an allen Landes- und Staatstraßen sowie ab 2030 auch an allen Kreisstraßen eine Übertragungsrate von 50 Mbit/s zur Verfügung gestellt werden.
- Darüber hinaus sind die Zuteilungsinhaber zur Mitwirkung am Ausbau von Infrastrukturen für die Bereitstellung von Telekommunikationsdiensten durch Funknetze mit sehr hoher Kapazität entlang der Schienenwege verpflichtet. Zusätzlich sollen die Zuteilungsinhaber Verhandlungen mit Eisenbahninfrastrukturunternehmen zur gemeinsamen Nutzung von Infrastrukturen für die Bereitstellung von Telekommunikationsdiensten durch Funknetze mit sehr hoher Kapazität entlang der Schienenwege aufnehmen (Entscheidung der BNetzA, S. 7).
Jeder Zuteilungsinhaber muss vierteljährlich sowie auf Verlangen der BNetzA über den Stand der Frequenznutzungen, den Netzaufbau und -ausbau sowie über die Ausbauplanungen schriftlich berichten.
Abzuwarten bleibt, ob es nach der Entscheidung der BNetzA nun auch zu gesetzlichen Regelungen kommen wird, die den Netzausbau beschleunigen.
IV. Auflagen zur Sicherstellung der Regulierungsziele
Weiterhin enthält die Entscheidung der BNetzA Auflagen zur Sicherstellung der Regulierungsziele in Form von Verhandlungsgeboten in Bezug auf sog. Diensteanbieter und virtuellen Netzbetreibern (MVNO – Mobile Virtual Network Operator) sowie in Bezug auf das sog. National Roaming (Entscheidung der BNetzA, S. 7).
Diensteanbieter und MVNO sind Mobilfunkanbieter, die kein eigenes Netz besitzen und somit auf die Mitnutzung von Mobilfunknetzen der Netzanbieter angewiesen sind. Nach der Entscheidung der BNetzA hat jeder Zuteilungsinhaber mit geeigneten Diensteanbietern und MVNO über die Mitnutzung von Funkkapazitäten zu verhandeln. Durch das Verhandlungsgebot soll eine effiziente und störungsfreie Frequenznutzung sichergestellt werden. Die Verhandlungen sollen diskriminierungsfrei sein und bereitzustellende Kapazitäten nicht auf bestimmte Dienste, Funktechniken oder Anwendungen beschränkt werden. Zur Erfüllung dieser Voraussetzungen hat die BNetzA in ihrer Entscheidung einen Maßstab für die Verhandlungen in Form von konkretisierenden Bestimmungen – sog. Leitplanken – aufgestellt, welche das Verhandlungsgebot konkretisieren und für mehr Klarheit in der Rechtsanwendung sorgen sollen. Vor dem Hintergrund, dass die Diensteanbieter und die MVNOs keinen Versorgungsverpflichtungen zum Netzausbau in Ermangelung eigener Netze unterliegen und dies von den Mobilfunknetzbetreibern kritisch bewertet wurde, könnten sich die Verhandlungen in Bezug auf die Diensteanbieter und die MVNOs schwierig gestalten. Zudem hatten die Dienstanbieter und die MVNOs von der BNetzA eine Verpflichtung zur Verfügungstellung von Netzen der Mobilfunknetzbetreiber gefordert, die im Rahmen der Entscheidung der BNetzA jedoch nicht erfolgt ist.
Des Weiteren umfasst die Entscheidung der BNetzA auch Auflagen zur Sicherstellung der Gewährung von National Roaming an die 1&1 Mobilfunk GmbH. Danach hat jeder Zuteilungsinhaber auf Nachfrage der 1&1 Mobilfunk GmbH über die Mitnutzung bestehender bundesweiter Netze (sog. National Roaming) zu verhandeln. Hierbei betont die BNetzA, dass die Verhandlungen fair gestaltet sein sollen. Diese Verpflichtung gilt als erfüllt, solange ein Zuteilungsinhaber der 1&1 Mobilfunk GmbH National Roaming gewährt. Weiterhin behält sich die BNetzA vor, National Roaming anzuordnen, sollte der 1&1 Mobilfunk GmbH ab dem 1. Januar 2026 auf Nachfrage kein National Roaming gewährt werden. Folglich sind die Mobilfunknetzbetreiber zu Verhandlungen mit der 1&1 Mobilfunk GmbH angehalten, um zu einer Einigung über das National Roaming zu gelangen.
Über die Verhandlungen sollen die Markteilnehmer gem. § 203 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 TKG auf Verlangen der BNetzA berichten.
V. Was sind die nächsten Schritte?
Die Mobilfunknetzbetreiber sind nun zunächst angehalten, den Antrag über die Verlängerung der Frequenznutzungsrechte form- und fristgerecht einzureichen sowie die erforderlichen Angaben zusammenzutragen und dem Antrag beizufügen.
Neben dem Antrag sollten die Mobilfunknetzbetreiber bereits beginnen, Vorkehrungen zur Erfüllung der verschiedenen Versorgungsverpflichtungen zu treffen, um sicherzustellen, dass die Vorgaben der BNetzA fristgerecht umgesetzt werden können.
Für die Mobilfunknetzbetreiber sind weiterhin die Verhandlungen mit den Diensteanbietern, den MVNOs sowie der 1&1 Mobilfunk GmbH von Bedeutung, um die Auflagen der BNetzA zu erfüllen.
Offen ist zusätzlich, ob es nach der Entscheidung der BNetzA nun auch zu gesetzlichen Regelungen kommen wird, die den Netzausbau beschleunigen.
Das Telekommunikationsunternehmen EWE Tel hat zwischenzeitlich Klage vor dem VG Köln gegen die Entscheidung der BNetzA vom 24. März 2025 eingereicht. Auch frühere Entscheidungen der BNetzA in diesem Bereich waren bereits Gegenstand gerichtlicher Entscheidungen (vgl. u.a. VG Köln, Urteil vom 26. August 2024, Az. 1 K 1281/22, vormals 9 K 8489/18). In Anbetracht dieser und möglicher weiterer gesetzlicher bzw. gerichtlicher Veränderungen sollten die Mobilfunknetzbetreiber diese Entwicklungen regelmäßig beobachten und ihre Strategien sowie operativen Maßnahmen fortlaufend darauf ausrichten.
