Arbeitsrecht

Betriebsratswahl: Aktives Wahlrecht von Führungskräften in mehreren Betrieben bei einer betriebsübergreifenden Matrix-Struktur

Das BAG entschied mit Beschluss vom 22. Mai 2025 – 7 ABR 28/24, dass ein Arbeitnehmer, der mehreren Betrieben desselben Unternehmens angehört, bei der Wahl des Betriebsrates in sämtlichen dieser Betriebe aktiv wahlberechtigt ist. Dies gelte auch für Führungskräfte in Unternehmen mit einer betriebsübergreifenden Matrix-Struktur.

Sachverhalt

Die Arbeitgeberin erbringt IT-Dienstleistungen und vertreibt IT-Produkte an verschiedenen Standorten. Abweichend von den Betriebsstrukturen des BetrVG sind bei ihr aufgrund einer Gesamtbetriebsvereinbarung fünf Organisationseinheiten gebildet, unter anderem der Betrieb Region Süd. In den Organisationseinheiten wird jeweils ein Betriebsrat gewählt. Bei der Arbeitgeberin werden die Arbeitsaufgaben in verschiedenen Teams erledigt, denen Arbeitnehmer aus verschiedenen Organisationseinheiten angehören. Die Teams werden von sog. Matrix-Führungskräften geleitet, die keine leitenden Angestellten sind. Bei der Betriebsratswahl im Betrieb Region Süd im Jahr 2022 sah der Wahlvorstand auch diejenigen Matrix-Führungskräfte als wahlberechtigt an, die Vorgesetzte der dem Betrieb Region Süd angehörenden Arbeitnehmer waren. Die Arbeitgeberin hat die Wahl mit der Begründung angefochten, dass die Matrix-Führungskräfte nicht wahlberechtigt seien, da sie dem Betrieb Süd nicht angehörten. Die Vorinstanzen erklärten die Betriebsratswahl für unwirksam, da eine Wahlberechtigung in mehreren Organisationseinheiten ausscheide.

Entscheidung 

Die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats hatte Erfolg. Nach § 7 S. 1 BetrVG sind alle Arbeitnehmer des Betriebs wahlberechtigt, die das 16. Lebensjahr vollendet haben. Die Wahlberechtigung knüpfe an die Zugehörigkeit des Arbeitnehmers zum Betrieb an, welche durch die Eingliederung in die Betriebsorganisation begründet werde. Nach Ansicht des BAG steht der Umstand, dass ein Arbeitnehmer bereits in einen Betrieb eingegliedert und in diesem wahlberechtigt ist, seiner Wahlberechtigung in einem anderen Betrieb nicht entgegen. Eine Wahlberechtigung in mehreren Betrieben sei möglich. Eine abschließende Entscheidung in der Sache konnte der Senat nicht treffen. Nach Ansicht des BAG bedarf es einer weiteren Aufklärung durch das LAG, ob die in der Gesamtbetriebsvereinbarung festgelegten Betriebsstrukturen wirksam und inwiefern die Matrix-Führungskräfte in den Betrieb Region Süd eingegliedert sind.

Gleiss Lutz kommentiert

Nachdem der erste Senat die Möglichkeit der Wahlberechtigung eines Arbeitnehmers in mehreren Betrieben in einer früheren Entscheidung noch ausdrücklich offengelassen hatte (Beschluss vom 12. Juni 2019 – 1 ABR 5/18), erkennt der siebte Senat diese nun ausdrücklich an. Die bisher nur als Pressemitteilung vorliegende Entscheidung hat große Bedeutung für Betriebsratswahlen in Unternehmen, die in betriebsübergreifenden Matrixstrukturen organisiert sind. Das LAG Baden-Württemberg (Beschluss vom 13. Juni 2024 – 3 TaBV 1/24) sah in seiner nun vom BAG aufgehobenen Entscheidung für das aktive Wahlrecht von Matrix-Führungskräften als entscheidend an, welchem Betrieb sie arbeitsvertraglich zugeordnet sind. Die Zuordnung der von ihnen geführten Mitarbeiter hielt es dagegen für unerheblich. Mit dem Beschluss scheint sich das BAG der zweifelhaften Auffassung des LAG Hessen (Beschluss vom 22. Januar 2024 – 16 TaBV 98/23) anzuschließen, welches für das aktive Wahlrecht ausreichen lässt, dass eine Matrix-Führungskraft Führungsaufgaben im Hinblick auf die dem jeweiligen Betrieb angehörenden Arbeitnehmer wahrnimmt. Die Entscheidung könnte zur Folge haben, dass es zu einer Vervielfachung von Wahlberechtigungen von Matrix-Führungskräften kommt, wenn diese ein Team führen, dessen Mitglieder auf mehrere Betriebe des Unternehmens verteilt sind. Dieses Ergebnis würde dem Repräsentations- und Demokratieprinzip der Betriebsverfassung widersprechen. Allerdings ist aufgrund der bislang lediglich vorliegenden Pressemitteilung noch unklar, ob ein solches Ergebnis tatsächlich eintreten könnte. Denkbar erscheint, dass der siebte Senat an eine Eingliederung in mehrere Betriebe hohe Voraussetzungen stellen und bspw. die bloße Ausübung des fachlichen Weisungsrechts gegenüber Arbeitnehmern eines Betriebs nicht ausreichen lassen wird.

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