Energie & Infrastruktur

Gesetz zur Beschleunigung von Gerichtsverfahren im Infrastrukturbereich

Verwaltungsgerichtliche Verfahren über besonders bedeutsame Infrastrukturvorhaben dauern in der Regel sehr lang – zu lang! Das war bereits vor der Energiekrise ein wesentliches Hemmnis für die Transformation der Energiewirtschaft und diese Erkenntnis hat sich mit der Energiekrise seit 2022 verfestigt. Der Gesetzgeber dreht seit einem Jahr an unterschiedlichen Stellschrauben, um den Ausbau erneuerbarer Energien in Deutschland 
voranzubringen. Eine dieser Stellschrauben ist unter anderem die Verfahrensdauer von Gerichtsverfahren im Infrastrukturbereich. Wichtige Leitungstrassen, die Strom quer durch die Republik transportieren, sind für das Gelingen der Energiewende ebenso unabdingbar, wie der zügige Ausbau der LNG-Infrastruktur. Wenn solche Infrastrukturvorhaben in jahrelangen Gerichtsverfahren hängen bleiben, dann kommt auch die Energiewende nur schleppend voran. Mit dem Gesetz zur Beschleunigung von Gerichtsverfahren im Infrastrukturbereich versucht der Gesetzgeber nun dieses Problem zu adressieren. Der Bundesrat hat dem Gesetz am 3. März 2023 zugestimmt, sodass es zeitnah in Kraft treten wird.

I. Was sieht das Gesetz zur Beschleunigung von Gerichtsverfahren im Infrastrukturbereich vor?

Das Gesetz sieht Änderungen der Verwaltungsgerichtsordnung ("VwGO"), des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes ("UmwRG"), des Energiewirtschaftsgesetzes ("EnWG"), des Netzausbaubeschleunigungsgesetz Übertragungsnetz ("NABEG") sowie des Telekommunikationsgesetzes ("TKG") vor. Die Änderungen betreffen zusammengefasst im Wesentlichen die Anpassung des Verfahrensablaufs, eine strengere innerprozessuale Präklusion sowie die effizientere Ausgestaltung des einstweiligen Rechtsschutzes im Zusammenhang mit gerichtlichen Verfahren für Infrastrukturvorhaben im Sinne von
§ 48 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 bis 15 VwGO sowie § 50 Abs. 1 Nr. 6 VwGO.

1. Anpassung des Verfahrensablaufs

Mit seiner Änderung der VwGO hat der Gesetzgeber die erstinstanzlichen Zuständigkeiten des OVG erweitert um Streitigkeiten betreffend die Errichtung, den Betrieb und die Änderung von Anlagen von Windenergie auf See im Küstenmeer (§ 48 Abs. 1 Nr. 3a VwGO) sowie die des BVerwG um Streitigkeiten, die Vorhaben zur Errichtung und zur Anbindung von Terminals zum Import von Wasserstoff betreffen und über ihm nach dem LNG-Beschleunigungsgesetz zugewiesene Verfahren (§ 50 Abs. 1 Nr. 6 VwGO). Zur Kompetenzbündelung können den nach § 188b VwGO gebildeten besonderen Planungskammern und Planungssenaten nunmehr auch Sachgebiete zugewiesen werden, die nur im Zusammenhang mit Planungsrecht stehen. In diesem Kontext erlaubt der Gesetzgeber, dass das OVG durch den Einzelrichter und das BVerwG durch einen auf drei Richter reduzierten Senat entscheiden, wenn die Sache rechtlich und tatsächlich einfach gelagert ist und keine grundsätzliche Bedeutung aufweist (§ 9 Abs. 4 und § 10 Abs. 4 VwGO).

Der Absicht des Gesetzgebers entsprechend sollen gerichtliche Verfahren betreffend Infrastrukturvorhaben in Zukunft vorrangig behandelt und beschleunigt durchgeführt werden (sog. Vorrang- und Beschleunigungsgebot), wobei eine besondere Priorität bei Vorhaben, die nach Bundesgesetz im überragenden öffentlichen Interesse liegen, anzunehmen ist (§ 87c Abs. 1 VwGO). Ausgenommen hiervon sind allerdings Verfahren, die das Anlegen von Verkehrsflughäfen und -landeplätzen betreffen, sowie Planfeststellungsverfahren für Braunkohletagebaue. Diese Priorisierung sieht nicht nur in geeigneten Fällen die Anberaumung eines frühen ersten Termins vor, sondern soll sich auch in einer klaren Kommunikation durch den Berichterstatter oder Vorsitzenden über die Verfahrensstrukturierung und mögliche Terminierung der mündlichen Verhandlung widerspiegeln (sog. Verfahrensplan gemäß § 87c Abs. 2 VwGO).

Zur Vereinfachung der gerichtlichen Arbeit hat die Behörde elektronische Akten, sofern technisch möglich, als digital durchsuchbare Dokumente vorzulegen (§ 99 Abs. 1 S. 2 VwGO).

Hinsichtlich des Vorbringens von Tatsachen oder Beweismitteln, die der Begründung der Klage dienen, gilt die Klagebegründungsfrist von 10 Wochen aus § 6 S. 1 UmwRG auch für Klagen gegen Veränderungssperren nach dem NABEG (§ 16 Abs. 5 S. 2 NABEG i.V.m. § 43e Abs. 3 EnWG) und gegen Planfeststellungsbeschlüsse oder Plangenehmigungen nach dem EnWG (§ 43 Abs. 3 EnWG) sowie dem NABEG (§ 25 Abs. 5 NABEG i.V.m. § 43e Abs. 3 EnWG). Das Nichteinhalten dieser Frist führt zu einer
§ 6 S. 2 und 3 UmwRG entsprechenden Präklusion.

2. Zusätzliche Verschärfung der innerprozessualen Präklusion

Mit dem neu eingefügten § 87b Abs. 4 VwGO erfolgt auch für bedeutsame Infrastrukturvorhaben außerhalb des UmwRG, EnWG und NABEG eine Verschärfung der innerprozessualen Präklusion. Es steht fortan nicht mehr im Ermessen des Gerichts Erklärungen und Beweismittel zurückzuweisen, die nach einer durch das Gericht gesetzten Frist vorgebracht werden und zur Verfahrensverzögerung führen. Das Gericht hat nunmehr Erklärungen und Beweismittel ohne weitere Ermittlungen zurückzuweisen, wenn sie nicht innerhalb der durch das Gericht gesetzten Frist vorgebracht wurden, der Beteiligte die Verspätung nicht genügend entschuldigt und er zuvor über die Folgen einer Fristversäumung belehrt worden ist. Auf eine etwaige Verfahrensverzögerung kommt es für eine Zurückweisung nun nicht mehr an.

3. Effizientere Ausgestaltung des einstweiligen Rechtsschutzes

Zur weiteren Beschleunigung der verwaltungsgerichtlichen Verfahren erfolgt mit § 80c VwGO eine effizientere Gestaltung des einstweiligen Rechtsschutzes durch besondere ergänzende Vorgaben für die Anordnung oder Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung bei bedeutsamen Infrastrukturvorhaben. Danach kann das Gericht im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes bei Infrastrukturvorhaben einen Mangel des angefochtenen Verwaltungsaktes außer Acht lassen, wenn offensichtlich ist, dass dieser in absehbarer Zeit behoben sein wird. Ein solcher Mangel kann insbesondere eine Verletzung von Verfahrens- oder Formvorschriften oder ein Mangel bei der Abwägung im Rahmen der Planfeststellung oder der Plangenehmigung sein. Erfasst sind solche Verfahrens- und Formfehler, die nach § 75 Abs. 1a VwVfG oder § 45 VwVfG behoben oder geheilt werden können, sowie solche Abwägungsfehler, die durch Planergänzung oder durch ergänzendes Verfahren behoben werden können. Die Unbeachtlichkeit von Mängeln gilt jedoch grundsätzlich nicht für Verfahrensfehler nach § 4 Abs. 1 UmwRG, u.a. wenn die Umweltverträglichkeitsprüfung nicht durchgeführt worden ist.

Des Weiteren wird in § 80c Abs. 3 und 4 VwGO der Maßstab für eine Vollzugsfolgenabwägung des Gerichts festgelegt. Das Gericht soll im Rahmen einer solchen Abwägung die Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung in der Regel auf diejenigen Maßnahmen des angefochtenen Verwaltungsaktes beschränken, bei denen dies erforderlich ist, um anderenfalls drohende irreversible Nachteile zu verhindern. Es kann die beschränkte Anordnung oder Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung von der Leistung einer Sicherheit durch den Begünstigten des angefochtenen Verwaltungsaktes abhängig machen. Ferner hat das Gericht im Rahmen einer Vollzugsfolgenabwägung die Bedeutung von Vorhaben besonders zu berücksichtigen, wenn ein Bundesgesetz feststellt, dass diese im überragenden öffentlichen Interesse liegen. Solche Wertungen finden sich etwa im NABEG, im Gesetz zum Ausbau von Energieleitungen ("EnLAG"), im Erneuerbare-Energien-Gesetz ("EEG"), im EnWG und im LNG-Beschleunigungsgesetz ("LNGG").

II. Welche Auswirkungen hat das Gesetz in der Praxis?

Die Erweiterung der Zuständigkeitskataloge verkürzt bei Infrastrukturvorhaben insbesondere den zeitintensiven Instanzenzug. Im Fall des BVerwG wird insoweit sogar gleichzeitig im letzten Rechtszug entschieden. Der in Zukunft bei den Obergerichten und dem BVerwG anfallende Mehraufwand, der allein durch die Zunahme der Infrastrukturvorhaben zu erwarten ist, soll durch die Möglichkeit der Einzelrichterentscheidung bei den Obergerichten und der Entscheidung durch einen auf drei Richter*innen reduzierten Senat beim BVerwG kompensiert werden. Angesichts der Beschränkung auf einfach gelagerte Fälle ohne grundsätzliche Bedeutung bleibt abzuwarten, ob Gerichte von dieser Möglichkeit tatsächlich regen Gebrauch machen werden.

Mit § 87c VwGO hat der Gesetzgeber seine Intention zur Priorisierung der entsprechenden Verfahren bekräftigt, ohne diese, wie noch zuvor im Regierungsentwurf enthalten, verbindlich anzuordnen. Die Vorschrift soll dabei die gütliche Beilegung fördern, jedenfalls aber die Gerichte anhalten, entsprechend „wichtige“ Verfahren von Beginn an klar zu strukturieren und so zügig zu erledigen.

Die Festlegung der Klagebegründungsfrist auf 10 Wochen soll primär den Kläger anhalten, das von ihm angestrengte Verfahren zu beschleunigen. Im Falle des EnWG führt dies indes konträr sogar zu einer Verlängerung der Frist, was der Gesetzgeber aber im Hinblick auf eine einheitliche Regelung wohl hingenommen hat. Zudem ermöglichen es die verschärften Präklusionsvorschriften, die durch Beteiligte verschuldeten Verzögerungen des Verfahrens zu verhindern und können zur Begrenzung des Prozessstoffs sowie Straffung des Verfahrens führen. Die besonderen Vorgaben für das Verfahren im einstweiligen Rechtsschutz sollen bewirken, dass der vorläufige Vollzug besonders bedeutsamer und äußerst dringlicher Infrastrukturvorhaben so weitgehend wie möglich zugelassen wird.

Mit dem Gesetz zur Beschleunigung von verwaltungsgerichtlichen Verfahren für Infrastrukturvorhaben sind grundsätzlich die Voraussetzungen für eine Beschleunigung geschaffen worden. An vielen Stellen werden den Gerichten hierzu Möglichkeiten eröffnet, ohne sie indes zu verpflichten, sodass abzuwarten bleibt, ob die Gerichte von den Beschleunigungsmöglichkeiten regen Gebrauch machen werden.

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