Kartellrecht

„EU-Fusionskontrolle II“ – Verordnung über drittstaatliche Subventionen offiziell verabschiedet

Die EU hat heute ihre Verordnung über den Binnenmarkt verzerrende drittstaatliche Subventionen (englisch: Foreign Subsidies Regulation) förmlich beschlossen. Die endgültige Fassung des Textes, über den bereits im Juni dieses Jahres im sog. Trilog-Verfahren eine politische Einigung erzielt wurde, entspricht weitgehend dem Vorschlag der Kommission von Mai 2021. Die neuen Vorschriften werden erhebliche Auswirkungen auf M&A-Transaktionen haben und die Kosten sowie den Verwaltungsaufwand für viele EU- und Nicht-EU-Unternehmen, die im EU-Binnenmarkt tätig sind, deutlich erhöhen.

Die Verordnung soll eine "Regelungslücke" schließen, die sich daraus ergibt, dass die EU-Mitgliedstaaten den strengen Grenzen des EU-Beihilferechts unterliegen, wenn sie in der EU tätige Unternehmen subventionieren wollen, während für von Drittstaaten gewährte Subventionen keine vergleichbare Beihilfekontrolle besteht.

Die neuen Vorschriften geben der Kommission drei weitreichende Instrumente an die Hand, um gegen durch drittstaatliche Subventionen verursachte Verzerrungen im Binnenmarkt vorzugehen:

  • Eine anmeldebasierte Fusionskontrolle für bestimmte M&A-Transaktionen
  • Ein anmeldebasiertes Instrument zur Überprüfung von Angeboten in bestimmten öffentlichen Vergabeverfahren
  • Ein allgemeines Auffanginstrument zur Ad-hoc-Untersuchung aller anderen Marktsituationen auf eigene Initiative der Kommission.

Auch wenn die neuen Vorschriften primär auf drittstaatliche Unternehmen zielen, werden sie auch für EU-Unternehmen zu mehr Bürokratie und zusätzlichem Aufwand führen.
 

Neue Regel werden bald gelten und müssen schon jetzt berücksichtigt werden

Die Verordnung wird 20 Tage nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der EU in Kraft treten, also möglicherweise noch vor Jahresende. Die meisten der neuen Vorschriften werden sechs Monate nach dem Inkrafttreten gelten, also voraussichtlich ab Mitte 2023. Der Geltungsbeginn ist wichtig, da die neuen Vorschriften nur auf solche M&A-Transaktionen und öffentliche Vergabeverfahren Anwendung finden, bei denen das Signing bzw. die Einleitung des Vergabeverfahrens nach diesem Datum liegt. Die neuen Anmeldepflichten gelten im Übrigen erst 9 Monate nach dem Datum des Inkrafttretens, d. h. voraussichtlich ab dem vierten Quartal 2023.

Eine wichtige Erweiterung ergibt sich in zeitlicher Hinsicht daraus, dass die Kommission, sobald die neuen Regeln gelten, auch drittstaatliche Subventionen prüfen kann, die in den letzten drei bis fünf Jahren vor dem Geltungsbeginn gewährt wurden. Die neuen Regeln müssen also schon jetzt bei der Planung von M&A-Transaktionen und der Inanspruchnahme drittstaatlicher Subventionen berücksichtigt werden. 
 

Weitreichende Anmeldepflichten für M&A-Transaktionen und Angebote im Rahmen öffentlicher Ausschreibungen

Mit der Verordnung werden neue Anmeldepflichten eingeführt, die auf bestimmten Umsatz- und Zuwendungsschwellen beruhen:

  • Eine Anmeldepflicht für M&A-Transaktionen, die auf den Erwerb der alleinigen oder gemeinsamen Kontrolle oder die Gründung eines Vollfunktionsgemeinschaftsunternehmens gerichtet sind („Zusammenschlüsse“), wenn
  1. das erworbene Unternehmen oder das Gemeinschaftsunternehmen in der EU ansässig ist und im letzten Geschäftsjahr in der EU einen Gesamtumsatz von mindestens EUR 500 Mio. erzielt hat; und
  2. die an dem Zusammenschluss beteiligten Unternehmen in den letzten drei Geschäftsjahren insgesamt drittstaatliche finanzielle Zuwendungen von mehr als EUR 50 Mio. erhalten haben.
  • Eine Verpflichtung für Unternehmen, die an öffentlichen Vergabeverfahren teilnehmen, drittstaatliche finanzielle Zuwendungen anzumelden, wenn
  1. der geschätzte Gesamtwert des öffentlichen Auftrags mindestens EUR 250 Mio. beträgt; und
  2. der Wirtschaftsteilnehmer, der an einem solchen Vergabeverfahren teilnimmt, hat in den letzten drei Geschäftsjahren insgesamt finanzielle Zuwendungen von mindestens 4 Mio. EUR pro Drittland erhalten.

Wird dieser Schwellenwert (b) nicht erreicht, muss der Bieter eine Erklärung vorlegen, in der er alle erhaltenen drittstaatlichen finanziellen Zuwendungen auflistet und bestätigt, dass diese nicht anmeldepflichtig sind.

Darüber hinaus ist die Kommission berechtigt, auf eigene Initiative die Anmeldung von Zusammenschlüssen oder Angeboten in öffentlichen Vergabeverfahren zu verlangen, wenn die oben genannten Schwellenwerte nicht erreicht werden. In einem solchen Fall wird das betreffende Vorhaben wie eine anmeldepflichtige Transaktion/finanzielle Beteiligung behandelt.
 

„EU-Fusionskontrolle II“

Die Anmeldepflichten gehen mit Vollzugsverboten einher: Anmeldepflichtige M&A-Transaktionen dürfen nicht vollzogen und öffentliche Aufträge nicht an anmeldepflichtige Bieter vergeben werden, bevor die Kommission ihre Prüfung abgeschlossen hat. Verstöße gegen die Anmeldepflicht und/oder das Vollzugsverbot können mit erheblichen Geldbußen geahndet werden (bis zu 10 Prozent des Gesamtumsatzes der beteiligten Unternehmen).

Die Anmeldepflichten und Prüfverfahren sind unabhängig von anderen regulatorischen Verfahren, z. B. im Rahmen der EU-Fusionskontrollverordnung (FKVO). Unternehmen müssen also unter Umständen parallele Anmeldungen vorbereiten und parallele Verfahren im Rahmen verschiedener Rechtsinstrumente mit unterschiedlichen Fristen und Vollzugsverboten bewältigen.

Das Verfahren für die Prüfung anmeldepflichtiger Zusammenschlüsse lehnt sich eng an das Fusionskontrollverfahren nach der FKVO an: Es gibt ein Vorprüfverfahren ("Phase I") von 25 Arbeitstagen, an das sich möglicherweise eine eingehende Prüfung ("Phase II") von weiteren 90 Arbeitstagen anschließt (mit möglichen Verlängerungen, z. B. im Falle des Angebots von Verpflichtungszusagen). Darüber hinaus wird es im Vorfeld der eigentlichen Anmeldung eine informelle Pränotifizierungsphase geben, die in komplexen Fällen leicht 6 Monate oder mehr dauern kann.  Für die Prüfung anmeldepflichtiger Angebote in öffentlichen Vergabeverfahren gelten unterschiedliche Fristen: Die Vorprüfung kann hier bis zu 30 Arbeitstage dauern, die eingehende Prüfung bis zu 130 Arbeitstage gerechnet ab Eingang der vollständigen Anmeldung.

Die Ermittlungsbefugnisse, die der Kommission zur Verfügung stehen (insbesondere Auskunftsersuchen und Durchsuchungen), orientieren sich ebenfalls weitgehend an dem bekannten Instrumentarium der FKVO. Wichtig ist, dass die Verordnung weitreichende Beweiserleichterungen für den Fall vorsieht, dass das betroffene Unternehmen und/oder der betreffende Drittstaat nicht mit der Kommission kooperieren.
 

Entscheidend für die neuen Anmeldepflichten: Erhalt „drittstaatlicher finanzieller Zuwendungen“

Der Begriff der „drittstaatlichen finanziellen Zuwendungen“, die für die Anmeldepflichten maßgeblich sind, ist extrem weit. Er umfasst auch eine Vielzahl von Transaktionen und Maßnahmen, die – z.B. mangels einer selektiven Begünstigung – gar kein Subventionselement beinhalten:

  • Zu den relevanten „finanziellen Zuwendungen“ gehören die Übertragung von Mitteln oder Verbindlichkeiten wie Kapitalzuführungen, Zuschüsse, Darlehen, Darlehensbürgschaften, steuerliche Anreize, der Ausgleich von Betriebsverlusten, der Ausgleich für finanzielle Belastungen durch die öffentliche Hand, ein Schuldenerlass, die Umwandlung von Schulden in Eigenkapital oder Umschuldungsmaßnahmen, aber auch der Verzicht auf Einnahmen und sogar die bloße Bereitstellung oder der Kauf von Waren oder Dienstleistungen, unabhängig davon, ob diese Transaktionen zu Marktbedingungen erfolgen oder nicht.
  • Zu den relevanten „drittstaatlichen Ursprüngen“ der finanziellen Zuwendungen gehören nicht nur drittstaatliche Regierungsbehörden, sondern auch alle öffentlichen und sogar privaten Einrichtungen, deren Handlungen dem Drittstaat zugerechnet werden können.

Wichtig ist, dass sämtliche „finanziellen Zuwendungen“ aus allen Drittstaaten, die in den letzten drei Jahren vor der Anmeldung gewährt wurden, zusammengerechnet werden müssen, unabhängig davon, ob sie direkt oder auch nur indirekt mit der betreffenden M&A-Transaktion bzw. dem Vergabeverfahren in Zusammenhang stehen. Die relevanten „finanziellen Zuwendungen“ erfassen nicht nur Zuwendungen, an die direkt an einer M&A-Transaktion oder einem Vergabeverfahren beteiligten Gesellschaften. Zu berücksichtigen sind vielmehr alle finanziellen Zuwendungen, die der jeweiligen Unternehmensgruppe dieser Gesellschaft zugeführt wurden.

In Anbetracht der Reichweite der erfassten „drittstaatlichen finanziellen Zuwendungen“ wird deren Ermittlung mit einigem Aufwand und nicht unerheblichen Schwierigkeiten verbunden sein. Es ist jedenfalls davon auszugehen, dass eine große Zahl von Transaktionen multinationaler Player im Rahmen der neuen Verordnung angemeldet und geprüft werden müssen. Es bleibt abzuwarten, ob und wie die Kommission in der Lage sein wird, diese zusätzliche Arbeitsbelastung zu stemmen.
 

Kommission kann selbst nicht-anmeldepflichtige M&A-Transaktionen von Amts wegen auch noch nach Closing untersuchen

Zusätzlich zu den beiden anmeldebasierten Instrumenten wird die Kommission auch die Möglichkeit haben, auf eigene Initiative potenzielle Wettbewerbsverzerrungen zu untersuchen, die sich aus drittstaatlichen Subventionen ergeben, und bei Bedarf Abhilfemaßnahmen anzuordnen. Dies schließt auch drittstaatliche Subventionen ein, die in den letzten fünf Jahren vor Geltungsbeginn der Verordnung gewährt wurden, sofern sie weiterhin wettbewerbsverzerrende Auswirkungen haben.

Im Rahmen dieses so genannten Ex-officio-Instruments kann die Kommission sogar beschließen, bereits vollzogene Zusammenschlüsse oder vergebene öffentliche Aufträge von Amts wegen zu überprüfen. Dies schließt auch Fälle ein, in denen keine vorherige Anmeldung erforderlich war, weil die Anmeldeschwellen nicht erreicht wurden. Ist die Wettbewerbsverzerrung erheblich und kann sie nicht durch verhaltensbezogene oder strukturelle Maßnahmen oder durch die Rückzahlung der Subvention behoben werden, dann kann die Kommission den Unternehmen aufgeben, den Zusammenschluss rückgängig zu machen.
 

Materieller Prüfungsmaßstab lässt viele Fragen offen

Inhaltlich ermächtigt die Verordnung die Kommission zu prüfen, ob finanzielle Zuwendungen von Nicht-EU Staaten "drittstaatliche Subventionen" darstellen, die "den Binnenmarkt verzerren". Ist dies der Fall, so hat die Kommission dafür zu sorgen, dass solche Verzerrungen durch Verpflichtungszusagen oder von der Kommission auferlegte Abhilfemaßnahmen beseitigt werden. Bieten die betreffenden Unternehmen keine angemessenen Verpflichtungszusagen an, kann die Kommission anmeldepflichtige M&A-Transaktionen oder Angebote im Rahmen von öffentlichen Vergabeverfahren für unzulässig erklären.

Eine drittstaatliche Subvention liegt vor, wenn eine finanzielle Zuwendung eines Drittstaats (i) einem Unternehmen, das eine wirtschaftliche Tätigkeit im Binnenmarkt ausübt, einen "Vorteil" verschafft und (ii) dieser Vorteil „selektiven Charakter“ hat, d. h. auf ein oder mehrere bestimmte Unternehmen oder Wirtschaftszweige beschränkt ist. Diese Begriffe sind den bekannten Konzepten des "Vorteils" und der "Selektivität" im EU-Beihilfenrecht entlehnt und werden voraussichtlich auch im Einklang mit der Rechtsprechung und Kommissionspraxis zu diesen EU-beihilferechtlichen Konzepten ausgelegt werden.  Vereinfacht ausgedrückt bedeutet dies, dass eine „drittstaatliche Subvention" vorliegt, wenn ein Unternehmen/Wirtschaftszweig eine finanzielle Zuwendung aus drittstaatlichen Mitteln zu Bedingungen erhält, die das Unternehmen nicht von privaten Akteuren auf dem Markt hätte erhalten können, und wenn diese finanzielle Zuwendung nicht auch allen anderen Unternehmen/Wirtschaftszweigen in ähnlicher Situation zur Verfügung gestellt wird.

Handelt es sich bei der drittstaatlichen Zuwendung um eine drittstaatliche Subvention in diesem Sinne, dann muss die Kommission prüfen, ob diese Subvention "den Binnenmarkt verfälscht", d. h. ob sie geeignet ist, die Wettbewerbsposition des betreffenden Unternehmens im Binnenmarkt zu verbessern und somit den Wettbewerb im Binnenmarkt tatsächlich oder potenziell zu beeinträchtigen. Die Verordnung enthält eine nicht abschließende Liste von Indikatoren, die in diese Bewertung einfließen, wie z. B. die Höhe und die Art der Subvention, die wirtschaftliche und wettbewerbliche Situation des Unternehmens und der betroffenen Märkte, der Zweck und die Bedingungen, die mit der drittstaatlichen Subvention verbunden sind, sowie ihre Verwendung auf dem Binnenmarkt.

Darüber hinaus werden in der Verordnung bestimmte Kategorien drittstaatlicher Subventionen genannt, bei denen "höchstwahrscheinlich" davon auszugehen ist, dass sie den Binnenmarkt verzerren, nämlich: 

  • Drittstaatliche Subventionen, die einem notleidenden Unternehmen gewährt werden, ohne dass ein tragfähiger Umstrukturierungsplan vorliegt;
  • Unbegrenzte Garantien für Schulden/Verbindlichkeiten der begünstigten Unternehmen;
  • Exportfinanzierungsmaßnahmen, die nicht im Einklang mit dem OECD-Übereinkommen über öffentlich unterstützte Exportkredite stehen;
  • Subventionen, die unmittelbar eine M&A-Transaktion erleichtern oder die Abgabe eines „unangemessen günstigen Angebots“ im Rahmen eines Vergabeverfahrens ermöglichen.

Umgekehrt werden bestimmte Arten drittstaatlicher Subventionen wohlwollender beurteilt:

  • Eine drittstaatliche Subvention gilt nicht als binnenmarktverfälschend, wenn ihr Gesamtbetrag den Betrag einer De-minimis-Beihilfe im Sinne der Verordnung 1407/2013 - d. h. EUR 200.000 - pro Drittstaat in einem zusammenhängenden Zeitraum von drei Geschäftsjahren nicht überschreitet.
  • Es ist unwahrscheinlich, dass eine drittstaatliche Subvention den Binnenmarkt verzerrt, wenn ihr Gesamtbetrag in einem Zeitraum von drei aufeinanderfolgenden Geschäftsjahren EUR 4 Mio. nicht übersteigt.
  • Es kann davon ausgegangen werden, dass eine drittstaatliche Subvention den Binnenmarkt nicht verzerrt, wenn sie der Beseitigung von Schäden dient, die durch Naturkatastrophen oder außergewöhnliche Ereignisse entstanden sind.

Stellt die Kommission fest, dass eine drittstaatliche Subvention den Binnenmarkt verzerrt, prüft sie weiter, ob die wettbewerbsverzerrenden Auswirkungen durch positive Auswirkungen "auf die Entwicklung der betreffenden subventionierten Wirtschaftstätigkeit im Binnenmarkt ausgeglichen oder möglicherweise sogar aufgewogen werden können, wobei auch andere positive Auswirkungen der drittstaatlichen Subvention, wie z.B. allgemeinere positive Auswirkungen in Bezug auf die einschlägigen politischen Ziele, insbesondere die der Union, zu berücksichtigen sind". Leider enthält die Verordnung keine Hinweise, wie diese "Abwägungsprüfung" („balancing test“) in der Praxis tatsächlich umgesetzt werden soll. Die Kommission scheint bei der Abwägung der negativen und positiven Auswirkungen der drittstaatlichen Subvention und bei der Entscheidung über aus ihrer Sicht angemessene Abhilfemaßnahmen oder Verpflichtungszusagen über einen nahezu unbegrenzten Ermessensspielraum zu verfügen. Wahrscheinlich wird die Kommission die „Abwägungsprüfung“ und ihre Befugnis, Verpflichtungszusagen entgegenzunehmen oder Abhilfemaßnahmen aufzuerlegen, so ausüben, dass eine Gleichbehandlung mit Empfängern staatlicher Beihilfen, die von EU-Mitgliedstaaten gewährt werden, gewährleistet ist. Eine Garantie dafür gibt es jedoch nicht, und es besteht somit das Risiko, dass für drittstaatliche Subventionen und ihre Empfänger strengere Maßstäbe angewendet werden als nach EU-Beihilferecht.
 

Bürokratie und Rechtsunsicherheit

Es steht außer Frage, dass die neue Verordnung zu einem erheblichen bürokratischen Mehraufwand für alle Unternehmen führen wird, die in der EU tätig sind oder dort investieren wollen. Das Anmeldeverfahren für geplante M&A-Transaktionen und öffentliche Vergabeverfahren wird kostspielig und zeitaufwendig sein. Das neue System gilt parallel zu den bestehenden Fusionskontrollsystemen auf EU- und nationaler Ebene sowie zu den nationalen Vorschriften des Außenwirtschaftsrechts und der Investitionskontrolle, die natürlich ebenfalls weiterhin zu beachten sind. Die neuen Vollzugsverbote sowie die Risiken und Unwägbarkeiten - einschließlich der Möglichkeit der Kommission, von Amts wegen Fälle aufzugreifen, in denen die Anmeldeschwellen nicht erreicht werden, möglicherweise sogar nach Closing - werden auch im SPA entsprechend berücksichtigt werden müssen.

Aus der Sicht eines ausländischen Investors bilden all diese parallelen Regelungen mit unterschiedlichen Anforderungen und Zielen ein kompliziertes Labyrinth. Ohne hochspezialisierte Rechtsberatung von Fachleuten, die nicht nur mit M&A-Transaktionen und der kartellrechtlichen Fusionskontrolle, sondern auch mit dem EU-Beihilferecht und den nationalen Regelungen für ausländische Direktinvestitionen vertraut sind, wird es immer schwieriger - wenn nicht gar unmöglich – dieses zu durchschauen.

Die Kommission hat angekündigt, dass sie bis Ende des Jahres oder Anfang 2023 Entwürfe für Durchführungsrechtsakte einschließlich der Anmeldeformulare vorlegen wird, damit diese noch rechtzeitig vor Geltungsbeginn der Verordnung verabschiedet werden können. Die Kommission plant auch die Einrichtung eines vereinfachten Verfahrens für unproblematische Transaktionen; es ist jedoch unwahrscheinlich, dass diese vereinfachte Form der Anmeldung bereits von Beginn an zur Verfügung stehen wird.   

Detailliertere Leitlinien für die Anwendung der neuen Vorschriften werden voraussichtlich erst drei Jahre nach Inkrafttreten der Verordnung zur Verfügung stehen. Die Kommission hat sich jedoch verpflichtet, spätestens 12 Monate nach dem Inkrafttreten erste Klarstellungen zum Begriff der Wettbewerbsverzerrung im Binnenmarkt und zur Anwendung der Abwägungsprüfung zu geben. Bis diese Leitlinien in Kraft sind und somit die Kommission bei der Ausübung ihres Ermessens binden, werden in der EU tätige Unternehmen, die von drittstaatlichen Subventionen profitieren (und Unternehmen, die in der EU ansässige Unternehmen erwerben wollen), einer erheblichen Rechtsunsicherheit ausgesetzt sein.  
 

Fazit 

Die neuen Vorschriften werden erhebliche Auswirkungen auf M&A-Transaktionen haben und die Kosten sowie den Verwaltungsaufwand für viele EU- und Nicht-EU-Unternehmen, die im EU-Binnenmarkt tätig sind, deutlich erhöhen. Die längerfristige praktische Bedeutung der neuen Verordnung wird sehr stark davon abhängen, wie die Nicht-EU-Länder auf sie reagieren. In der Verordnung ist ausdrücklich festgelegt, dass die von der EU geschlossenen internationalen Abkommen Vorrang vor der neuen Verordnung haben. Die neue Verordnung mit ihren sehr weitreichenden und mehrdeutigen Inhalten kann somit auch als Verhandlungsmasse dienen. Sie soll daher sicher auch dazu beitragen, Drittländer davon zu überzeugen, dass bilaterale oder multilaterale Handelsabkommen mit klaren Vorschriften für eine faire und vorhersehbare Regelung drittstaatlicher Investitionen notwendig sind. Es bleibt abzuwarten, ob diese Strategie Erfolg haben wird.

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