Arbeitsrecht

(Keine) Nachgewährung von Urlaub bei Quarantäne?

Muss ein Arbeitnehmer während seines Jahresurlaubs aufgrund behördlicher Anordnung in Quarantäne, stellt sich die Frage, ob die beeinträchtigten Urlaubstage im Falle einer nicht vorliegenden Arbeitsunfähigkeit von dem Arbeitgeber nach zu gewähren sind. Dies wurde bisher überwiegend abgelehnt. Anders nun das LAG Hamm.

LAG Hamm, Urteil vom 27. Januar 2022 – 5 Sa 1030/21

Sachverhalt

Die Parteien streiten über die Nachgewährung von Urlaub aufgrund behördlicher Quarantäneanordnung. Der Kläger war bei der Beklagten als Schlosser zu einem Bruttomonatsgehalt von EUR 3.000 beschäftigt. Im Oktober 2020 wurde dem Kläger antragsgemäß Urlaub gewährt. In einem überschneidenden Zeitraum stufte die Stadt Hagen den Kläger als Kontaktperson eines an Corona Infizierten ein und verhängte die häusliche Quarantäne. Der Kläger verlangte von seinem Arbeitgeber daraufhin die Nachgewährung des Urlaubs für den überschneidenden Zeitraum. Das Begehren blieb in der Vorinstanz erfolglos.

Die Entscheidung

Die beim LAG Hamm eingelegte Berufung hatte hingegen Erfolg. Das LAG Hamm zieht § 9 BUrlG analog heran. Die Anordnung der häuslichen Quarantäne sei mit der tatsächlichen Erkrankung eines Arbeitnehmers vergleichbar; dieselbe Rechtsfolge daher herbeizuführen. Eine Erholung sei nach Ansicht des LAG Hamm während der Quarantäne angesichts der Quarantäneanordnung unmöglich. Der Arbeitnehmer sei in seiner Freizeitgestaltung erheblich eingeschränkt und müsse jederzeit mit einem Krankheitsausbruch rechnen. Der Jahresurlaub solle es den Arbeitnehmern ermöglichen, sich zu erholen und für Entspannung und Freizeit sorgen. Wenn sich der Kläger für Untersuchungen bereithalten müsse, ihm untersagt werde, sich mit anderen Personen zu treffen und das Verlassen der Wohnung verboten werde, sei eine Erholung ausgeschlossen. Die Situation sei daher mit einer Erkrankung vergleichbar.

Gleiss Lutz kommentiert

Die Entscheidung des LAG Hamm erscheint in Bezug auf Begründung und Ergebnis wenig überzeugend. Zurecht lehnen andere Gerichte (LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 15. Februar 2022 - 1 Sa 208/21; Landesarbeitsgericht Düsseldorf, Urteil vom 15. Oktober 2021 - 7 Sa 857/21; Landesarbeitsgericht Köln, Urteil vom 13. Dezember 2021 - 2 Sa 488/21) eine Nachgewährung von Urlaubstagen im Falle der Quarantäne übereinstimmend ab. Der Arbeitgeber schuldet richtigerweise keinen Urlaubserfolg. Er erfüllt seine Pflicht, indem er dem Arbeitnehmer zum Zwecke des Urlaubs von der Arbeitspflicht freistellt und die Zahlung des Urlaubsgeldes vorbehaltlos zusagt. Danach eintretende Störungen in der Gestaltung der Freizeit führen nur in den engen Grenzen der §§ 9 und 10 BUrlG zu einer Nachgewährung von Urlaubstagen.

Insbesondere nicht zu überzeugen vermag die Entscheidung des LAG Hamm, Urlaub auch für die rückwirkende Zeit der Quarantäneanordnung nach zu gewähren. Es ist im Gegensatz zu einer Erkrankung, die in der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung auch rückwirkend attestiert werden kann, nicht ersichtlich, warum eine Quarantäneanordnung für zurückliegende Tage den Urlaub hätte beeinträchtigen können. Eine Entscheidung des BAG und eine damit einhergehende Klärung der Rechtslage ist im Laufe diesen Jahres zu erwarten.

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