Arbeitsrecht

(Keine) monatliche Einsicht des Betriebsrats in Bruttoentgeltlisten

Begründet der Betriebsrat sein Verlangen nach einem monatlichen Einblick in die Listen über die Bruttolöhne und -gehälter gemäß § 80 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 BetrVG allein mit der Wahrnehmung einer Überwachungsaufgabe oder eines Mitbestimmungsrechts, kann der Arbeitgeber die weitere Einsichtnahme verweigern. Es muss ersichtlich sein, aus welchen Gründen der Einblick im verlangten monatlichen Turnus erforderlich ist.

BAG, Beschluss vom 29. September 2020 – 1 ABR 23/19

Sachverhalt

Die Beteiligten streiten über die monatliche Einsichtnahme des Betriebsrats in Bruttoentgeltlisten. Der Betriebsrat nahm im Januar 2017 Einblick in eine Excel-Tabelle, in der für jeden Monat des Jahres 2016 für jeden namentlich benannten Arbeitnehmer ein Gesamtbruttoentgelt, eine Jahressumme sowie ein Monatsdurchschnitt aufgelistet war. Im Juni 2017 forderte der Betriebsrat die Arbeitgeberin erneut auf, ihm Einblick in die aktuellen Bruttolohn- und gehaltslisten zu gewähren. Der Betriebsrat begründete sein Verlangen mit der Wahrnehmung seiner Überwachungsaufgabe und kündigte an, in Zukunft monatlich Einblick in die Listen nehmen zu wollen. Nachdem die Arbeitgeberin dies ablehnte, leitete der Betriebsrat ein Beschlussverfahren ein. Es sei aus Sicht des Betriebsrats nicht auszuschließen, dass die Arbeitgeberin unter Verletzung der Mitbestimmungsrechte nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 und Nr. 11 BetrVG Sonderzahlungen leiste.

Das Arbeitsgericht gab dem Antrag des Betriebsrats statt, das Landesarbeitsgericht wies ihn ab.

Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts

Die Rechtsbeschwerde des Betriebsrates blieb erfolglos.

Der Betriebsrat kann keinen Einblick in Bruttolohn- und -gehaltslisten im monatlichen Turnus beanspruchen. Zwar gehört es nach § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG zu den Aufgaben eines Betriebsrats, die Durchführung einer Betriebsvereinbarung zu überwachen. Damit ist aber keine Notwendigkeit einer monatlichen Einsichtnahme in die Listen dargetan. Gleiches gilt, soweit sich der Betriebsrat auf eine Verletzung des Mitbestimmungsrechts nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 oder Nr. 11 BetrVG beruft. Hat der Arbeitgeber Einsicht in die Entgeltlisten gewährt, ist die Reklamation eines Mitbestimmungsrechts möglich; ein weiterer Erkenntnisgewinn durch die turnusmäßige Einsicht ist nicht ersichtlich.

Dem Betriebsrat sind auf Verlangen jederzeit die zur Durchführung seiner Aufgaben erforderlichen Unterlagen zur Verfügung zu stellen (§ 80 Abs. 2 Satz 2 BetrVG). In diesem Rahmen ist der Betriebsausschuss oder ein nach § 28 BetrVG gebildeter Ausschuss auch berechtigt, Einblick in die Bruttolohn- und -gehaltslisten zu nehmen. Dabei verlangt das Gesetz eine auf das konkrete Einsichtsverlangen bezogene, spezifische Prüfung der Erforderlichkeit für die vom Betriebsrat geltend gemachten Aufgaben. So steht dem örtlichen Betriebsrat kein Einsichtsrecht zu, wenn er betriebsübergreifend Einblick in unternehmensweite Bruttoentgeltlisten verlangt. Beruft sich der Betriebsrat auf die Überwachung der zugunsten der Arbeitnehmer geltenden Gesetze, besteht ebenso wenig ein Anspruch, wenn er sich nicht auf die Einhaltung von Ge- oder Verboten bezieht.

Gleiss Lutz kommentiert

Das BAG hat klargestellt, dass ein Einblicksrecht in Bruttoentgeltlisten gemäß § 80 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 BetrVG in der Regel besteht, wenn sich der Betriebsrat auf eine Überwachungsaufgabe oder ein Mitbestimmungsrecht beruft; ein besonderes Überwachungsbedürfnis muss nicht dargelegt werden. Ein turnusmäßiges Einblicksrecht kann damit allein jedoch nicht begründet werden. „Einblick“ ist dabei wörtlich zu verstehen. Der Betriebsrat hat keinen Anspruch auf Überlassung der Bruttoentgeltlisten in physischer Form. Auch aus § 13 Abs. 2 S. 1 EntgTranspG folgt kein Anspruch des Betriebsrats auf dauerhafte Überlassung der Bruttoentgeltlisten.

 
Forward
Expertise