Arbeitsrecht

Anhörung des Betriebsrats bei außerordentlicher Kündigung

Im Rahmen der Anhörung des Betriebsrats zu einer außerordentlichen fristlosen Kündigung muss der Arbeitgeber weder über einen tariflichen Sonderkündigungsschutz bezüglich der ordentlichen Kündbarkeit des Arbeitnehmers noch über die Kündigungserklärungsfrist informieren.

BAG, Urteil vom 07. Mai 2020 – 2 AZR 678/19 

Sachverhalt

Die Beteiligten streiten unter anderem über die Wirksamkeit einer außerordentlichen fristlosen Kündigung. Der Arbeitgeber kündigte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger mit Schreiben vom 7. März 2018 außerordentlich fristlos, hilfsweise ordentlich zum
31. Oktober 2018. Zuvor wurde der Betriebsrat hierzu mit Schreiben vom 2. März 2018 angehört und erteilte am 5. März 2018 zu beiden Kündigungen seine Zustimmung. Der Kläger erhob rechtzeitig Kündigungsschutzklage. Der Kläger beruft sich nebst anderer Aspekte darauf, dass die Anhörung des Betriebsrats nicht ordnungsgemäß erfolgt sei. Der Arbeitsvertrag zwischen den Beteiligten nimmt einen Tarifvertrag in Bezug, welcher die ordentliche Kündbarkeit des Klägers ausschließt. Über diesen Sonderkündigungsschutz und über die Wahrung der Ausschlussfrist gem. § 626 Abs. 2 BGB hätte der Arbeitgeber den Betriebsrat im Rahmen der Anhörung informieren müssen.

Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts  

Das BAG hob das angefochtene Urteil auf und verwies die Sache zurück an das Berufungsgericht.

Der Arbeitgeber muss den Betriebsrat vor der Anhörung zu einer außerordentlichen fristlosen Kündigung weder über einen bestehenden tariflichen Sonderkündigungsschutz, soweit dieser lediglich die ordentliche Kündbarkeit des Arbeitnehmers weitgehend ausschließt, noch über die Wahrung der Kündigungserklärungsfrist informieren.

Die in § 102 Abs. 1 S. 2 BetrVG normierte Mitteilungspflicht des Arbeitgebers dient dem Zweck, dem Betriebsrat die Möglichkeit der Überprüfung der Kündigungsgründe im Hinblick auf ihre Stichhaltigkeit und Gewichtigkeit zu verschaffen und gegebenenfalls Einwände gegenüber dem Arbeitgeber vorzubringen. Eine eigenständige Überprüfung der Wirksamkeit der Kündigung muss nicht ermöglicht werden.

  • Nach Auffassung des BAG ist die ordentliche Kündbarkeit des Arbeitnehmers und somit der Sonderkündigungsschutz nicht relevant für die Beurteilung der Stichhaltigkeit der die außerordentliche Kündigung begründenden Umstände. Der außerordentlichen fristlosen Kündigung könne ungeachtet der tatsächlichen ordentlichen Kündbarkeit die Zumutbarkeit der Einhaltung einer realen oder fiktiven Kündigunsfrist durch den Betriebsrat entgegengehalten werden. Ein Widerspruchsrecht des Betriebsrats gemäß § 102 Abs. 3 BetrVG bestehe im Fall der außerordentlichen fristlosen Kündigung ohnehin nicht.
  • Die Wahrung der Kündigungserklärungsfrist sei lediglich für die Beurteilung der rechtlichen Wirksamkeit der Kündigung jedoch nicht für die Beurteilung der Gewichtigkeit der ihr zugrundeliegenden Gründe durch den Betriebsrat relevant, sodass auch die Einhaltung der Ausschlussfrist nicht Bestandteil der Informationspflicht des Arbeitgebers sei.

Gleiss Lutz kommentiert

Zutreffend hat das BAG in seiner Entscheidung die Informationspflicht des Arbeitsgebers im Rahmen der Betriebsratsanhörung hinsichtlich der Einhaltung der Kündigungserklärungsfrist abgelehnt. Zu beachten ist hierbei jedoch Folgendes:

Zum einen wird der Arbeitgeber nicht von der Pflicht entbunden, den Betriebsrat darüber zu informieren, wann sich der kündigungsrelevante Sachverhalt zugetragen hat. Zum anderen müssen alle Angaben die der Arbeitgeber freiwillig zur Einhaltung der Kündigungserklärungsfrist macht, der Wahrheit entsprechen.

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