Arbeitsrecht

BAG: Kryptowerte als Sachbezug i.S.d. § 107 GewO

Das BAG (Urteil vom 16. April 2025 – 10 AZR 80/24) hatte sich jüngst mit der Frage zu befassen, ob Kryptowerte (hier: Etherum („ETH“)) zur Erfüllung von Provisionsansprüchen geeignet sind. Es entschied, dass diese als Sachbezug i.S.d. § 107 Abs. 2 S. 1 GewO vereinbart werden können, wenn dies objektiv im Interesse des Arbeitnehmers liegt. Der unpfändbare Betrag des Arbeitsentgeltes muss aber dem Arbeitnehmer nach § 107 Abs. 2 S. 5 GewO in Geld ausgezahlt werden.

Sachverhalt

Die Klägerin war vom 1. Juni 2019 bis zum 31. Dezember 2021 bei der Beklagten, einem Unternehmen im Bereich Kryptowährungen, beschäftigt. Der Arbeitsvertrag sah sowohl ein festes Arbeitsentgelt als auch eine Provisionsregelung vor. Vereinbart war eine Provision, die in Euro berechnet und am Fälligkeitstag (jeweils letzter Tag des Folgemonats) „zum aktuellen Wechselkurs“ in die Kryptowährung Ethereum (ETH) umzurechnen und in ETH zu erfüllen war. Unmittelbar vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses erfüllte die Beklagte einen Teil der Provisionsansprüche in Euro. Mit ihrer Klage macht die Klägerin die Zahlung weiterer Provisionen iHv 19,194 ETH für die Monate Februar und März 2020 geltend. 
Das Arbeitsgericht und das Landesarbeitsgericht gaben der Klage statt.

Entscheidung

Aufgrund mangelnder Feststellungen aller notwendiger Tatsachen hob das BAG das Berufungsurteil auf und verwies die Sache zurück an das Landesarbeitsgericht. Es bestätigte aber im Grundsatz die Auffassung des Landesarbeitsgerichts, dass die Klägerin einen Anspruch auf Provisionszahlung in ETH habe.

  • Die Klage sei zulässig, insbesondere sei sie hinreichend bestimmt. Der Antrag auf Übertragung einer konkreten Menge ETH an ein noch zu benennendes Wallet genüge den Anforderungen des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Die fehlende Angabe des Wallets oder die Kursschwankungen von ETH stünden der Bestimmtheit nicht entgegen. Die Wallet-Angabe könne im Vollstreckungsverfahren nachgeholt werden.
  • ETH sei kein „Geld“, sondern ein Kryptowert, sodass § 107 Abs. 1 GewO (Berechnung und Auszahlung in Euro) nicht anwendbar sei.
  • Eine Erfüllung durch Übertragung von ETH als Sachbezug nach § 107 Abs. 2 S. 1 GewO sei zulässig, wenn dies im objektiven Interesse des Arbeitnehmers liege. Dies sei hier der Fall: Die Klägerin sei mit Kryptowährungen vertraut, die ETH-Zahlung sei transparent und auf Basis des Euro-Werts berechnet, zudem bestünde eine reale Gewinnchance durch Kurssteigerungen.
  • Die Beschränkung des  § 107 Abs. 2 Satz 5 GewO sei zu beachten. Dem Arbeitnehmer müsse dementsprechend mindestens der unpfändbare Betrag seines Entgelts in Geld ausgezahlt werden. Aufgrund von Berechnungsfehlern des Landesarbeitsgerichts bei der Feststellung des pfändbaren Teils des Arbeitsentgelts verwies das BAG das Verfahren zur erneuten Prüfung an das Landesarbeitsgericht zurück.
  • Rechtsfolge eines Verstoßes gegen § 107 Abs. 2 S. 5 GewO sei iVm § 134 BGB die Nichtigkeit der Vereinbarung. Bei einer Teilbarkeit der Sachbezugsvereinbarung (hier: ETH in einzelnen Einheiten) führe dies aber nur zur Teilnichtigkeit in Bezug auf den unpfändbaren Betrag des Entgelts. Das Arbeitsentgelt sei in diesem Fall bis zur Pfändungsgrenze in Geld zu leisten und der Sachbezug entsprechend zu kürzen.

Gleiss Lutz kommentiert

Die Entscheidung des BAG stellt klar: eine Gewährung des kompletten Arbeitsentgelts in Kryptowährungen ist mit dem deutschen Recht nicht vereinbar. Unternehmen können aber weiterhin unter Beachtung der arbeitsrechtlichen Vorgaben für Sachlohngewährung Kryptowerte an ihre Mitarbeiter als Vergütung leisten.

Die Gewährung von Provisionen in Kryptowährungen muss objektiv im Interesse des Arbeitnehmers liegen. Das ist insbesondere bei Tätigkeiten in der Kryptobranche denkbar. Es sollten die Euro-Berechnungsbasis, der Umrechnungstag und die Übertragung einer bestimmten Token-Anzahl ausdrücklich vereinbart werden. Der unpfändbare Betrag des Arbeitsentgelts muss dem Arbeitnehmer nach § 107 Abs. 2 S. 5 GewO in Geld ausgezahlt werden. Um hier korrekt vorzugehen, müssen die Pfändungsfreigrenzen unter Zusammenrechnung von Geld- und Sachbestandteilen berechnet werden.

Die Gewährung von Kryptowerten und ihr jeweiliger Kurswert zum Übertragungszeitpunkt sollten genau dokumentiert werden. Die präzise Berechnung des umgerechneten Wertes der Kryptowährung zum jeweiligen Buchungstag ist auch für die korrekte Berechnung der auf den Sachbezug zu entrichtenden Sozialversicherungsbeiträge und der Lohnsteuer relevant. Kryptowerte wie Bitcoin und ETH sind für die Zwecke der Lohnsteuer als Geldleistung zu versteuern.

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