Compliance & Investigations

Zur Neuregelung der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung

Zum 1. Juli 2017 ist – in Umsetzung der EU-Richtlinie „über die Sicherstellung und Einziehung von Tatwerkzeugen und Erträgen aus Straftaten in der Europäischen Union" (Richtlinie 2014/42/EU) – das Gesetz zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung in Kraft getreten. Die neuen Vorschriften wirken sich sowohl auf Unternehmen aus, zu deren Lasten Straftaten begangen werden, als auch auf Unternehmen, gegen die ermittelt wird.

Da es sich bei der Vermögensabschöpfung nicht um Sanktionen handelt, gilt das strafrechtliche Rückwirkungsverbot nicht. Die neuen Regelungen gelten somit auch für Straftaten, die bereits vor Inkrafttreten der Gesetzesänderung begangen wurden, aber erst jetzt Gegenstand eines Ermittlungsverfahrens sind oder abgeurteilt werden.

„Einziehung" als neue Begrifflichkeit

Die Neuregelung wirkt sich zunächst auf die bisher im Zusammenhang mit der Vermögensabschöpfung verwendete Terminologie aus. Der Gesetzgeber gibt die nach der alten Rechtslage vorhandene Unterscheidung zwischen „Einziehung" und „Verfall" auf und schafft das einheitliche Rechtsinstitut der „Einziehung". Die Terminologie der Vermögensabschöpfung wird damit an den international und vor allem europarechtlich verwendeten Begriff „confiscation" angepasst.

Stärkung des Opferschutzes – d. h. zugleich Stärkung geschädigter Unternehmen

Die zentrale Regelung der Vermögensabschöpfung, § 73 StGB, stärkt den Opferschutz und kommt auch durch Straftaten geschädigten Unternehmen zugute. Der Verfall (also die Abschöpfung von durch Straftaten erlangten Vorteilen) war bislang ausgeschlossen, soweit einem Verletzten aus der Tat ein Anspruch gegen den Täter erwachsen war (§ 73 Abs. 1 Satz 2 StGB a. F.). Das bedeutete faktisch, dass der Verfall bei Eigentums- und Vermögensdelikten nicht möglich war. Diese Regelung – häufig als „Totengräber des Verfalls" kritisiert – hat der Gesetzgeber nun gestrichen. Ermittlungsbehörden können den Taterlös bzw. den entsprechenden Wertersatz nach der Neuregelung auch dann abschöpfen („einziehen"), wenn der Verletzte Ansprüche gegen den Täter hat. Die Einziehung ist allerdings gemäß § 73e StGB ausgeschlossen, soweit die Ansprüche des Verletzten erloschen sind.

Erweiterte Einziehung von Taterträgen über den Bereich der Organisierten Kriminalität hinaus

Während nach der bisherigen Gesetzeslage der sogenannte „erweiterte Verfall" auf Katalogstraftaten, insbesondere aus dem Bereich der banden- und gewerbsmäßigen Delikte, begrenzt war, gilt die „erweiterte Einziehung" nunmehr für sämtliche Straftaten (§ 73a StGB).

Dem Täter oder Teilnehmer können im Wege der erweiterten Einziehung nun auch Gegenstände entzogen werden, die durch oder für irgendeine andere Straftat erlangt worden sind. Folglich können sämtliche inkriminierten Gegenstände des Täters eingezogen werden, sofern das Gericht von deren deliktischer Herkunft überzeugt ist. Es ist nicht erforderlich, dass das Gericht die Straftat konkret feststellt oder nachweist.

Selbstständige Einziehung

Neu ist die Regelung über die selbstständige Einziehung in § 76a Abs. 4 StGB. Ein aus einer rechtswidrigen Tat herrührender Gegenstand, der in einem Verfahren wegen des Verdachts einer Katalogtat sichergestellt worden ist, kann auch dann selbständig eingezogen werden, wenn der von der Sicherstellung Betroffene nicht wegen der Straftat verfolgt oder verurteilt werden kann. Katalogtaten sind u. a. Straftaten aus dem Bereich der Organisierten Kriminalität und der Terrorismusfinanzierung, aber auch aus anderen Bereichen.

Für Unternehmen ist diese Regelung vor allem bedeutsam, weil die Geldwäsche als Katalogtat erfasst wird (§ 76a Abs. 4 Nr. 1f StGB) und aufgrund des Vortatenkataloges der Geldwäsche letztlich das gesamte Wirtschaftsstrafrecht einbezogen wird.

Stärkung und Präzisierung des Bruttoprinzips

Nach der Reform gilt weiterhin das sogenannte Bruttoprinzip, d. h. es können sämtliche Vermögenswerte abgeschöpft werden, die dem Täter, Teilnehmer oder einem Drittbegünstigten aus der Verwirklichung des Tatbestandes in irgendeiner Tatphase zugeflossen sind.

Der Gesetzgeber hat jedoch präzisiert, wie die Festlegung des durch eine Straftat „Erlangten" erfolgt. Diese Konkretisierung ist praktisch von erheblicher Bedeutung, weil die nähere Bestimmung des Bruttoprinzips bislang, auch innerhalb der Strafsenate des Bundesgerichtshofes, umstritten war.

In einem ersten Schritt ist das Erlangte aufgrund einer „rein gegenständlichen Betrachtungsweise" zu bestimmen. Dabei wird nicht auf eine unmittelbare kausale Beziehung zwischen Tat und Bereicherung abgestellt. In einem zweiten Schritt können im Rahmen einer wertenden Betrachtung Gegenleistungen oder Aufwendungen in Abzug gebracht werden (§ 73d StGB), sofern diese nach den gesetzlichen Wertungen gerechtfertigt sind. Das Abzugsverbot beschränkt sich insoweit auf dasjenige, was der Täter willentlich und bewusst für die vom Strafgesetz missbilligten Vorgänge aufwendet oder einsetzt.

Diese Präzisierung des Bruttoprinzips wirkt sich insbesondere auf die praktisch besonders relevanten Korruptionssachverhalte aus. Nach der Neuregelung dürften Aufwendungen und Kosten, die im Rahmen eines durch Bestechungsgelder erlangten Auftrages angefallen sind, bei der Bemessung der Vermögensabschöpfung in weiten Teilen abgezogen werden.

Beschlagnahme und Vermögensarrest

Wie schon nach alter Rechtslage dient die Beschlagnahme von Vermögensgegenständen der Sicherung der Einziehung (§§ 11b - 111d StPO), während die Einziehung des Wertersatzes (§ 73c StGB) durch den Vermögensarrest (§§ 111e - 111g StPO) erfolgt. Im Grundsatz reicht in beiden Fällen ein strafprozessualer Anfangsverdacht aus, damit die Beschlagnahme oder der Vermögensarrest angeordnet werden kann. Das hat weitreichende Folgen, da allein auf Grundlage eines Anfangsverdachts – eine Schwelle, die leicht überschritten werden kann – signifikante Vermögenswerte „eingefroren" werden können. Liegt ein dringender Tatverdacht vor, „soll" die Beschlagnahme bzw. der Vermögensarrest angeordnet werden. Erleichterte Geltendmachung von Ansprüchen

Die Neuregelung der Vermögensabschöpfung erleichtert die Geltendmachung von Ansprüchen, etwa von geschädigten Unternehmen, auch im Hinblick auf eine mögliche Insolvenz des Täters.

Sind die durch die Straftaten erlangten Vermögensgegenstände noch vorhanden, entscheidet das Tatgericht im Urteil über deren „Einziehung". Nach Rechtskraft des Urteils werden die Vermögensgegenstände an die Tatgeschädigten zurückübertragen (§ 459h Abs. 1 StPO). Sind die Taterlöse nicht mehr vorhanden, ordnet das Gericht die Einziehung des Geldbetrages an, der dem Wert des ursprünglich erlangten Gegenstandes entspricht (§ 73d StGB). Nach Rechtskraft werden die zur Sicherung dieser Wertersatzeinziehung sichergestellten Vermögensgegenstände verwertet und der Erlös wird an den oder die Verletzten ausgekehrt (§ 459h Abs. 2 StPO). Die Entschädigung des Verletzten bzw. Geschädigten erfolgt im strafrechtlichen Vollstreckungsverfahren durch die Staatsanwaltschaft als Vollstreckungsbehörde. Diese entscheidet auf Grundlage des ergangenen Urteils über die Auskehrung und Rückübereignung von Vermögensgegenständen.

Das geschädigte Unternehmen muss seine Ansprüche gegen den Täter nicht mehr zivilrechtlich geltend machen und etwa einen Vollstreckungstitel erwirken. Es kann innerhalb von sechs Monaten nach ergangenem Urteil seine Ansprüche bei der Staatsanwaltschaft als Vollstreckungsbehörde anzeigen und geltend machen. Lediglich im Einzelfall kann es für Unternehmen sinnvoll sein, auch den Zivilrechtsweg zu beschreiten – zum Beispiel, wenn abzusehen ist, dass angesichts eines komplexen und umfangreichen Strafverfahrens die Beschreitung des Zivilrechtswegs schneller sein dürfte.

Im Hinblick auf eine mögliche Insolvenz des Täters kam es nach der bisherigen Rechtslage häufig zu einem „Windhundrennen". Der Geschädigte, der zuerst agierte, bekam unter Umständen alles, während andere Geschädigte leer ausgehen konnten. Nach der Neufassung hingegen findet im Falle mehrerer Geschädigter eine einheitliche Verteilung des eingezogenen Vermögens an alle Geschädigten statt. Im Mangelfall, d. h. falls das Vermögen des Täters nicht ausreicht, um alle Geschädigten zu befriedigen, beantragt die Staatsanwaltschaft die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Täters. Die Verteilung erfolgt dann nach den Maßgaben des Insolvenzverfahrens.
Weiterleiten