Arbeitsrecht

Zulässigkeit und Grenzen des Einsatzes von KI im Arbeitsalltag

Mit steigender Leistungsfähigkeit von Systemen künstlicher Intelligenz (KI) steigt auch die Vielfalt von Aufgaben, die Arbeitnehmer an KI-Systeme auslagern können. Dabei stellen sich komplexe rechtliche Fragen bei der Zulässigkeit des Einsatzes von KI.

Zunehmender Einsatz von KI

Seit ChatGPT im November 2022 als Beta-Version veröffentlicht wurde, stehen KI-basierte Sprachmodelle in der Diskussion. Mit dem exponentiellen Anstieg der Nutzerzahlen – bereits im Januar 2023 durchbrach ChatGPT die Marke von 100 Millionen aktiven Nutzern – geht eine immer schnellere technologische Entwicklung einher. Als OpenAI, das Unternehmen hinter ChatGPT, im Jahre 2018 mit GPT-1 eine erste Version des Sprachmodells ankündigte, basierte das Modell noch auf 117 Millionen Parametern. Die aktuelle Version GPT-4 basiert laut Reuters bereits auf 200 Milliarden Parametern. Die ständige Weiterentwicklung erlaubt die Eingabe und Verarbeitung immer komplexerer Befehle und Sachverhalte. Von der Automatisierung repetitiver Tätigkeiten bis hin zur Analyse großer Datensätze zur besseren Entscheidungsfindung bieten sich scheinbar grenzenlose Möglichkeiten. Durch den niedrigschwelligen, d. h. von Smartphone und Computer jederzeit einfach erreichbaren Zugang, ist die Verlockung groß, sowohl Fleiß- als auch Kreativaufgaben an die KI auszulagern.

Höchstpersönlichkeit der Arbeitsleistung

Gemäß § 613 S. 1 BGB haben Arbeitnehmer ihre „Dienste im Zweifel in Person zu leisten“. Damit kommt der Charakter des Dienst- bzw. Arbeitsverhältnisses als Dauerschuldverhältnis zum Ausdruck, das von einer besonderen Beziehung der beiden Vertragsparteien zueinander geprägt ist. Der Arbeitgeber hat den Arbeitnehmer möglicherweise gerade wegen dessen Eigenschaften und spezifischen Erfahrungen eingestellt und deshalb ein Interesse daran, dass keine andere Person an Stelle des Arbeitnehmers die Arbeitsleistung erbringt.

Während die Verwendung von Hilfsmitteln wie Computern, Werkzeugen oder Datenbanken mit der Höchstpersönlichkeit der Arbeitsleistung vereinbar ist, widerspricht der Einsatz von Hilfspersonen dem Grundgedanken des § 613 S. 1 BGB. ChatGPT und andere dialogbasierte Sprachmodelle verwischen die bisher gezogene Trennlinie zwischen Hilfsmittel und Gehilfen, weil sie menschlich wirkende Antworten erzeugen. In der rechtswissenschaftlichen Literatur wird die Frage, ob der Grundsatz der Höchstpersönlichkeit der Arbeitsleistung dem Einsatz von KI im Weg steht, daher nicht einheitlich beantwortet.

Für eine arbeitsrechtliche Zulässigkeit des Einsatzes von KI im Arbeitsalltag im Einklang mit der Regelung des § 613 S. 1 BGB spricht jedenfalls die zum jetzigen Zeitpunkt (noch) fehlende eigene Rechtspersönlichkeit der KI. Es kann bezweifelt werden, ob KI derzeit einer menschlichen Hilfsperson gleichzustellen ist. Der Arbeitnehmer steuert die KI sowie die konkreten Aufgabenstellungen durch Eingabe von Befehlen. Damit beherrscht der Arbeitnehmer den Vorgang, an dessen Ende das von der KI erzeugte Arbeitsprodukt steht, welches der Arbeitnehmer wiederrum für seine Zwecke verwerten kann. Wird die KI hingegen nicht nur unterstützend tätig und hat der Arbeitnehmer keine Möglichkeit der abschließenden Kontrolle, kann ein Verstoß gegen die Höchstpersönlichkeit der Leistungserbringung sprechen. Insofern kommt es darauf an, wie die KI konkret genutzt wird. Angesichts dieser Rechtsunsicherheit, empfiehlt es sich für Arbeitgeber, generelle Leitlinien zum Umgang mit KI am Arbeitsplatz aufzustellen.

Pflicht zur Offenlegung

Daneben stellt sich die Frage, ob Arbeitnehmer sich bei der Arbeitsleistung „heimlich“ von einer KI unterstützen lassen dürfen oder den Einsatz von KI offenlegen müssen. Grundsätzlich dürfen Arbeitgeber ohne gesonderte Absprache (derzeit noch) davon ausgehen, dass Arbeitnehmer die zur Aufgabenerledigung notwendige gedankliche Leistung selbst erbracht haben. Gleichzeitig kann der Arbeitgeber aufgrund der rechtlichen und praktischen Folgen der Zuhilfenahme von KI (hierzu sogleich) ein berechtigtes Interesse daran haben, zu erfahren, dass der Arbeitnehmer das maßgebliche Arbeitsprodukt unter Einsatz von KI entwickelt hat. Aus Arbeitgebersicht wäre es mithin wünschenswert, dass Mitarbeiter den Einsatz von KI-Systemen aufforderungslos mitteilen. Eine rechtliche Auskunftspflicht kann sich aus der allgemeinen arbeitsrechtlichen Rücksicht- und Treuepflicht nach § 241 Abs. 2 BGB ergeben. Dies dürfte jedenfalls dann gelten, wenn Rechte und Pflichten des Arbeitgebers durch den Einsatz von KI tangiert werden, somit eine gewisse Bagatellschwelle durch den Einsatz von KI überschritten wird. In Individual- oder Kollektivvereinbarungen kann eine entsprechende Pflicht zur Offenlegung geregelt werden.

Tangierte Rechte und Pflichten des Arbeitgebers

Verwendet ein Arbeitnehmer zur Erledigung seiner Aufgaben KI, kann dies für den Arbeitgeber im Extremfall gravierende wirtschaftliche, datenschutzrechtliche und urheberrechtliche Folgen mit sich bringen. So geht die Rechtsprechung z. B. in urheberrechtlicher Hinsicht davon aus, dass der Arbeitnehmer im Zweifel auch ohne ausdrückliche Vereinbarung das Recht zur Nutzung der im Rahmen der Arbeitsleistung geschaffenen Werke auf den Arbeitgeber überträgt. Die übertragenen vermögensrechtlichen Nutzungsbefugnisse kann der Arbeitgeber dann seinerseits wirtschaftlich nutzen; die urheberrechtliche Leistung des Arbeitnehmers ist grundsätzlich mit dem Arbeitslohn abgegolten. Für den Fall, dass der Arbeitnehmer die eigentliche Kreativarbeit der KI überlässt, ist bisher offen, ob überhaupt eine persönliche geistige Schöpfung des Arbeitnehmers vorliegt. Sollte der Arbeitnehmer aufgrund des geringen menschlichen Anteils an dem jeweiligen Arbeitsprodukt nicht mehr als Schöpfer des Werks gelten, wären etwaige geschaffene Werke nicht urheberrechtlich geschützt.

Im Hinblick auf den Schutz von Geschäftsgeheimnissen besteht das Risiko der Offenlegung von sensiblen Unternehmensdaten durch den Einsatz von KI. Selbstlernende KI-Systeme wie ChatGPT speichern die ihnen gestellten Fragen und Ergebnisse, um die Qualität der eigenen Antwort stetig zu verbessern. Gibt ein Arbeitnehmer interne Daten in ChatGPT oder eine vergleichbare KI ein, wird die KI diese Informationen unter Umständen bei ähnlich gelagerten Anfragen anderer Nutzer verwenden. Dadurch könnte der Wissensstand des Arbeitgebers über Umwege sogar bei der Konkurrenz landen. Auch aus diesem Grund dürfte es sich anbieten, allgemein geltende Regelungen zur Nutzung von KI aufzustellen, die den Einsatz von KI soweit erforderlich limitieren.

Fazit

Der Einzug von KI-Systemen in unser Alltagsleben macht vor dem Arbeitsverhältnis nicht halt. Aufgrund von folgenschweren Auswirkungen, die ein ungesteuerter KI-Einsatz durch die Belegschaft für Unternehmen haben kann, stehen Arbeitgeber vor der Grundsatzfrage, wie sie mit den schnell wachsenden Möglichkeiten von KI-Einsatzszenarien umgehen möchten. Dabei reicht die Bandbreite potentieller Reaktionen von einem generellen Verbot von KI am Arbeitsplatz bis hin zu einer Ermutigung der Belegschaft zum Rückgriff auf KI, um in Zeiten des Fachkräftemangels einen Teil der Aufgaben schneller und personalschonender bewältigen zu können. Auf Grundlage des Direktionsrechts (§ 106 GewO) wäre sowohl eine Untersagung der Verwendung bestimmter KI-Modelle als auch eine Anweisung zur Verwendung von KI bei bestimmten Aufgaben denkbar. Generell ist es empfehlenswert, allgemein gültige Regelungen zum Einsatz von KI aufzustellen.

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