Wird der Arbeitnehmer nicht ordnungsgemäß nach § 613a Abs. 5 BGB über den Betriebsübergang unterrichtet, verliert er sein Recht, dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf den Betriebserwerber zu widersprechen, erst nach sieben Jahren – selbst wenn er in der Zwischenzeit widerspruchslos für den Betriebserwerber gearbeitet hat.
BAG, Urteil vom 21. Dezember 2017 – 8 AZR 700/16
Der Arbeitnehmer war in einem Betriebsteil der Beklagten tätig, der zum 1. Januar 2006 auf die Erwerbergesellschaft überging. Die beiden Unterrichtungsschreiben, mit denen der Arbeitnehmer über den Betriebs(teil-)übergang sowie den Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf die Erwerbergesellschaft informiert wurde, enthielten unvollständige Angaben zu der Erwerbergesellschaft und zum Adressat der Widerspruchserklärung. Der Arbeitnehmer arbeitete nach dem Betriebs(teil-)übergang fast zehn Jahre widerspruchslose für die Erwerbergesellschaft. Erst mit Schreiben vom 1. September 2015 widersprach er gegenüber der Beklagten dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf die Erwerbergesellschaft.
Die Klage des Arbeitnehmers auf Feststellung, dass sein Arbeitsverhältnis zur Beklagten auch nach dem Betriebsübergang zu unveränderten Bedingungen fortbesteht, wies das BAG in letzter Instanz ab. Das BAG konnte offenlassen, ob der Arbeitnehmer vollständig und ordnungsgemäß über den Betriebs(teil-)übergang unterrichtet worden war mit der Folge, dass er nach § 613a Abs. 6 BGB dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf die Erwerbergesellschaft nur innerhalb eines Monats ab Zugang der Unterrichtung hätte widersprechen können. Denn – so das BAG – das Widerspruchsrecht sei bei widerspruchsloser Weiterarbeit für den Betriebserwerber über einen Zeitraum von fast zehn Jahren jedenfalls verwirkt, wenn der Arbeitnehmer zwar nicht ordnungsgemäß unterrichtet worden sei, aber grundlegende Informationen zum Übergang seines Arbeitsverhältnisses (geplanter Zeitpunkt sowie Gegenstand des Betriebsübergangs und des Betriebserwerbers) einschließlich seines Widerspruchsrechts erhalten habe.
Die zeitliche Grenze für den Eintritt der Verwirkung zieht das BAG – in einem obiter dictum – nach Ablauf von sieben Jahren ab dem Zeitpunkt des Betriebsübergangs. Als „Orientierungshilfe“ bemüht es die §§ 195, 121 Abs. 2 BGB: Der Zeitraum bis zum Eintritt der Verwirkung müsse deutlich mehr als drei Jahre (gesetzliche Regelverjährung) und deutlich weniger als zehn Jahre (Höchstfrist für die Anfechtung von Willenserklärungen) betragen.
Gleiss Lutz Kommentar
Die Entscheidung ist abzulehnen. Die 7-jährige Verwirkungsfrist ist angesichts der strengen Anforderungen, die das BAG an die Unterrichtung der Arbeitnehmer stellt, nicht praxisgerecht und findet keine Stütze im Gesetz. Viel näher hätte es gelegen, den Widerspruch in Anlehnung an die gesetzliche Regelverjährung für die Geltendmachung von Ansprüchen für maximal drei Jahre zuzulassen. Dennoch muss sich die Praxis auf diese Rechtsprechung einstellen. Betriebsveräußerer und Betriebserwerber sollten künftig, um eine Ausuferung des Widerspruchsrechts zu vermeiden, noch größere Sorgfalt auf die ordnungsgemäße Unterrichtung der Arbeitnehmer verwenden.