Mit der im Frühjahr 2025 erfolgten Änderung des Grundgesetzes zur Einrichtung eines Sondervermögens für Infrastruktur und Klimaschutz beginnt die Bundesregierung eine Investitionsoffensive. Ziel ist es, die deutsche Infrastruktur zu modernisieren und zukunftsfähig zu machen. Für Unternehmen – insbesondere aus dem Bausektor – ergeben sich daraus erhebliche Chancen: Die zu erwartende Vielzahl öffentlicher Ausschreibungen eröffnet neue Auftragsmöglichkeiten in einem volumenstarken Marktumfeld.
Im Frühjahr 2025 beschloss der Bundestag die Änderung von Art. 143h GG. Nachdem auch der Bundesrat zustimmte, wurde der Weg frei für Investitionen in Höhe von insgesamt 500 Milliarden Euro über einen Zeitraum von zwölf Jahren. Davon fließen 100 Milliarden Euro in den Klima- und Transformationsfonds, weitere 100 Milliarden Euro gehen an die Länder für eigene Infrastrukturmaßnahmen. 300 Milliarden Euro verbleiben beim Bund zur Stärkung seiner Infrastruktur.
Dieser Beitrag beleuchtet die vergaberechtlichen Grundlagen für die Ausschreibung der mit der Investitionsoffensive verbundenen zu erwartenden (Bau-)Aufträge und gibt einen Überblick über die wichtigsten Investitionsvorhaben des Bundes.
Für weitere Details zum Sondervermögen – insbesondere auch mit Blick auf die Fördervoraussetzungen – verweisen wir auf den Beitrag vom 15. Juli 2025 (Dr. Marc Ruttloff, Dr. Lars Kindler, Philipp Rackevei: Referentenentwurf zur Errichtung eines Sondervermögens (SVIKG-E) und zur Finanzierung von Infrastrukturinvestitionen von Ländern und Kommunen (LuKIFG-E)).
Vergaberechtliche Grundlagen im Zusammenhang mit der Ausschreibung öffentlicher Aufträge
Mit der Bereitstellung umfangreicher öffentlicher Mittel im Rahmen des Sondervermögens gehen notwendigerweise auch vergaberechtliche Vorgaben einher. Denn öffentliche Auftraggeber dürfen Aufträge ab bestimmten Auftragssummen in aller Regel nicht frei vergeben, sondern müssen dabei das (Kartell-)Vergaberecht beachten. Dies soll sicherstellen, dass öffentliche Gelder wirtschaftlich, transparent und diskriminierungsfrei eingesetzt werden.
Öffentliche Auftraggeber sind in aller Regel zur europaweiten Ausschreibung verpflichtet, sobald der geschätzte Netto-Auftragswert bestimmte EU-Schwellenwerte erreicht oder überschreitet.
Bauleistungen, auf die es im Zuge der Investitionsoffensive maßgeblich ankommen wird, sind ab einem Nettoauftragswert von 5.538.000 Euro europaweit auszuschreiben. Für Vorhaben mit geringerem Volumen greifen regelmäßig die Vorgaben der VOB/A oder der UVgO.
Unabhängig vom Auftragswert und der vom öffentlichen Auftraggeber gewählten Verfahrensart unterliegt jedes Vergabeverfahren bestimmten vergaberechtlichen Grundsätzen. Diese sollen sicherstellen, dass öffentliche Mittel effizient und fair verwendet werden. Zu den zentralen Prinzipien gehören:
- Wettbewerb (§ 97 Abs. 1 S. 1 GWB bzw. § 2 Abs. 1 S. 1 VOB/A): Der Öffentliche Auftraggeber hat stets für größtmöglichen Wettbewerb zu sorgen.
- Transparenz (§ 97 Abs. 1 GWB bzw. § 2 Abs. 1 S. 1 VOB/A): Der Öffentliche Auftraggeber hat einen hinreichenden Grad an Transparenz herzustellen.
- Gleichbehandlung und Nichtdiskriminierung (§ 97 Abs. 2 GWB bzw. § 2 Abs. 2 VOB/A): Kein Bieter darf willkürlich bevorzugt oder benachteiligt werden.
- Verhältnismäßigkeit (§ 97 Abs. 1 S. 2 GWB bzw. § 2 Abs. 1 S. 1 VOB/A): Anforderungen an Unternehmen und Angebote müssen in einem angemessenen Verhältnis zum Auftragsgegenstand stehen.
- Wirtschaftlichkeit (§ 97 Abs. 1 S. 2 GWB bzw. § 2 Abs. 1 S. 2 VOB/A): Den Zuschlag erhält das Angebot, welches aus Sicht des Auftraggebers den größten wirtschaftlichen Mehrwert bietet – nicht zwingend das preislich günstigste.
Unternehmen, die sich an öffentlichen Ausschreibungen beteiligen möchten, sollten diese Grundsätze stets vor Augen haben. Denn wenn ein öffentlicher Auftraggeber gegen eines (oder gar mehrere) der Prinzipien bzw. weitere bieterschützende Regelungen verstößt, ergeben sich unter Umständen Rechtsschutzmöglichkeiten für betroffene Bieter.
Verteilung des Sondervermögens für das Jahr 2025
Das Bundeskabinett hat inzwischen Gesetzesentwürfe zur konkreten Verteilung des Sondervermögens beschlossen und einen Wirtschaftsplan für das Jahr 2025 vorgelegt (siehe hierzu im Einzelnen Deutscher Bundestag, Drucksache 21/500, Anlage 2 Wirtschaftsplan des Sondervermögens Infrastruktur und Klimaneutralität (6093)). Dieser definiert nicht nur den Mitteleinsatz im laufenden Haushaltsjahr, sondern gibt auch erste Ausblicke auf langfristige Investitionslinien. Die wesentlichen Eckpunkte:
- 100 Milliarden Euro fließen gemäß Art. 143h Abs. 1 S. 5 GG in den Klima- und Transformationsfonds
- 100 Milliarden Euro erhalten die Länder für eigene Infrastrukturinvestitionen
- 300 Milliarden Euro stehen dem Bund zur Verfügung
Für 2025 plant der Bund Ausgaben in Höhe von rund 19 Milliarden Euro. Der größte Teil dieser Mittel betrifft unmittelbar den Bausektor. Die Ausgaben sollen ausweislich des Plans folgenden Zwecken dienen:
- Verkehrsinfrastruktur, v.a. Brückenbau und Schienennetz (etwa 11,7 Milliarden Euro)
- Krankenhausinfrastruktur (1,5 Milliarden Euro)
- Energieinfrastruktur (etwa 855,2 Millionen Euro)
- Forschung und Entwicklung (etwa 472 Millionen Euro)
- Digitalisierung (etwa 4 Milliarden Euro)
- Wohnungsinfrastruktur (etwa 327 Millionen Euro)
Von den für 2025 vorgesehenen knapp 19 Milliarden Euro dürften demnach etwa 13,5 Milliarden Euro, die in die Verkehrs-, Krankenhaus- und Wohnungsinfrastruktur investiert werden sollen, den Bausektor betreffen.
Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur
Ein Großteil der geplanten Investitionen betrifft die Verkehrsinfrastruktur – ein Bereich mit direkter Relevanz für Unternehmen im Bau- und Ingenieurwesen.
- 2,5 Mrd. Euro sind für die Modernisierung von Autobahnbrücken vorgesehen.
- ca. 7,6 Mrd. Euro dienen als Baukostenzuschüsse für die Erhaltung des Bundesschienennetzes.
- Weitere ca. 1,6 Mrd. Euro werden für die Ausrüstung der Eisenbahninfrastruktur mit dem europäischen Zugsicherungssystem European Rail Traffic Management System (ERTMS) bereitgestellt – verbunden mit umfassenden baulichen Maßnahmen an Gleis- und Signalanlagen.
Investitionen in die Krankenhausinfrastruktur
Auch im Gesundheitswesen wird investiert: 1,5 Mrd. Euro sollen in den Ausbau der Krankenhausinfrastruktur fließen. Zwar sind die Mittel bislang nicht im Detail aufgeschlüsselt, jedoch ist davon auszugehen, dass ein Teil in Neubau- und Modernisierungsprojekte fließt – und damit ebenfalls Bauleistungen erforderlich werden.
Investitionen in die Wohnungsinfrastruktur
Für die Wohnungsinfrastruktur sind im Jahr 2025 327 Mio. Euro vorgesehen:
- ca. 243 Mio. Euro für klimafreundliches Bauen,
- ca. 62 Mio. Euro zur (1) Förderung von Wohneigentum für Familien und (2) zur Unterstützung des Programms „Jung kauft Alt“,
- 20,5 Mio. Euro für klimafreundliche Neubauten im Niedrigpreissegment,
- 180.000 Euro für die Umstrukturierung von Gewerbe zu Wohnen.
Investitionen durch den Klima- und Transformationsfonds und die Länder
Zusätzlich wird der Klima- und Transformationsfonds zur Finanzierung von Maßnahmen im Gebäudesektor beitragen – etwa für den klimagerechten Umbau von Bestandsgebäuden und den Ausbau klimafreundliche Mobilitätsinfrastruktur.
Auch auf Länderebene ist mit einem deutlichen Anstieg von Investitionen zu rechnen. Viele Länder kündigten an, ihre Mittel ebenfalls schwerpunktmäßig in die Bereiche Verkehr, Krankenhausinfrastruktur, Energieversorgung und Bevölkerungsschutz zu investieren – allesamt Bereiche mit hohem Bedarf an Bauleistungen. Zusätzlich können die Länder nun eigene Schulden in Höhe von bis zu 0,35 Prozent des Bruttoinlandsprodukts aufnehmen. Auch dadurch ist mit einem Investitionsschub zu rechnen. Mehrere Landesregierungen haben bereits angekündigt, die neuen finanziellen Spielräume vor allem für den Ausbau und die Modernisierung von Straßen- und Schieneninfrastruktur einsetzen zu wollen.
Langfristige Investitionsplanung des Bundes
Der Wirtschaftsplan enthält für die längerfristige Planung von Investitionen Verpflichtungsermächtigungen. Für die Erhaltung von Brücken werden bis zum Haushaltsjahr 2032 etwa 6,5 Milliarden Euro eingeplant, für die Ausrüstung der Infrastruktur mit dem ERTMS-Zugsicherungssystem etwa 8,7 Milliarden Euro. Für Baukostenzuschüsse zur Erhaltung der Schienenwege sind weitaus größere Investitionen, nämlich etwa 62,8 Milliarden Euro bis zum Haushaltsjahr 2029, eingeplant.
Auch für Investitionen in die Wohnungsinfrastruktur sieht der Wirtschaftsplan umfangreiche Verpflichtungsermächtigungen vor. Für klimafreundliche Neubauten ist bis zum Haushaltsjahr 2035 ein Investitionsvolumen von etwa 643,5 Millionen Euro vorgesehen. Klimafreundliches Bauen soll bis zum Haushaltsjahr 2035 mit weiteren 1,1 Milliarden Euro gefördert werden; die Umwandlung von Gewerbe zu Wohnen mit etwa 59,8 Millionen Euro. Zudem ist u.a. die Wohneigentumsförderung von Familien und die Unterstützung des Förderprogramms „Jung kauft Alt“ vorgesehen.
Potenzielle Auswirkungen auf das Vergaberecht bzw. Vergabeverfahren
Das Sondervermögen für Infrastruktur und Klimaschutz stellt ein staatliches Investitionspaket dar, das den deutschen Bausektor über Jahre hinweg prägen wird. Öffentliche Auftraggeber stehen unter Handlungsdruck. Zahlreiche Infrastrukturprojekte sollen bereits dieses Jahr umgesetzt werden. Erste Stimmen aus Politik und Verwaltung fordern daher, das Vergaberecht zu flexibilisieren, etwa durch eine Lockerung der Losvergabe.
Auch wenn konkrete gesetzgeberische Maßnahmen bislang nicht beschlossen sind, ist mit einer verstärkten Anwendung bereits vorhandener vergaberechtlicher Instrumente zur Verfahrensbeschleunigung zu rechnen. Dazu zählen insbesondere:
- Verkürzung von Angebots- und Bewerbungsfristen
- Verstärkte Nutzung von beschränkten Ausschreibungen sowie Verhandlungsverfahren mit und ohne Teilnahmewettbewerb.
Für interessierte Unternehmen bedeutet dies: Wer erfolgreich sein will, muss Ausschreibungen frühzeitig identifizieren und zügig reagieren. Gleichzeitig ist bei Großprojekten besondere Sorgfalt in der Angebotsausarbeitung geboten.
Unternehmen sollten sich darauf einstellen, dass öffentliche Ausschreibungen in den kommenden Jahren zunehmend umfangreich, technisch anspruchsvoll und zeitkritisch werden. Um bei solchen Ausschreibungen zum Zug zu kommen, werden strategische Vorbereitung und frühzeitige Beratung entscheidend sein.
Fazit
Das Sondervermögen für Infrastruktur und Klimaschutz wird in den kommenden Jahren zu einem deutlichen Anstieg öffentlicher Investitionen führen, insbesondere in Bereichen mit hohem Bedarf an Bauleistungen. Für Unternehmen im Bausektor ergeben sich daraus substanzielle Marktchancen. Gleichzeitig ist mit einer vermehrten Nutzung vergaberechtlicher Beschleunigungsinstrumente zu rechnen. Eine frühzeitige Beobachtung von Ausschreibungen sowie eine rechtlich fundierte vergabe- und vertragsrechtliche Vorbereitung auf komplexe Vergabeverfahren sind daher empfehlenswert.