Bereits im Juli 2025 stellte das Bundesgesundheitsministerium (BMG) – trotz der zu diesem Zeitpunkt noch ausstehenden gesetzlich vorgeschriebenen Evaluierung – einen Referentenentwurf für ein Gesetz zur Änderung des Medizinal-Cannabisgesetzes (MedCanG) vor, das nunmehr am 8. Oktober 2025 in überarbeiteter Fassung vom Bundeskabinett beschlossen wurde. Der Gesetzesentwurf, der bereits am 5. November 2025 im Gesundheitsausschuss des Deutschen Bundestages debattiert werden soll, sieht eine deutliche Verschärfung des MedCanG vor und würde eine Rückkehr zur vollständig analogen Versorgungssituation bedeuten. Befürworter sehen in der geplanten Verschärfung einen Gewinn für die Arzneimittelsicherheit, wohingegen Kritiker Versorgungslücken befürchten.
Der zwischenzeitlich am 29. September 2025 veröffentliche 1. Zwischenbericht des Forschungsprojekts „Evaluation des Konsumcannabisgesetzes“ (EKOCAN), in dem die Auswirkungen der Teillegalisierung auf den Kinder- und Jugendschutz, den Gesundheitsschutz sowie die cannabisbezogene Kriminalität untersucht wurden, konnte einen dringenden Handlungsbedarf in Bezug auf die untersuchten Bereiche nicht feststellen. Durch das Medizinalcannabis wurden im Jahr 2024 schätzungsweise etwa 12 bis 14% des Gesamtbedarfs an Cannabis gedeckt. Der Zwischenbericht konnte dabei jedoch nicht seriös quantifizieren, in welchem Umfang Medizinalcannabis ohne medizinischen Bedarf und zu Freizeitzwecken genutzt wird.
Vor dem Hintergrund der gesetzgeberischen Entwicklungen sollen in der Folge die wichtigsten Regelungen des derzeit geltenden Cannabisgesetzes (CanG) noch einmal in den Blick genommen werden, insbesondere hinsichtlich des MedCanG und dessen geplanter Verschärfung. Die beiden wichtigsten Neuerungen aus dem Jahr 2024 waren:
- Der Anbau und der Vertrieb von Medizinalcannabis wird durch ein reines Erlaubnisverfahren statt eines Vergabeverfahrens geregelt. Die Zeiten des zentralen Einkaufs durch die Cannabisagentur sind vorüber.
- Medizinalcannabis wird aus dem Betäubungsmittelgesetz (BtMG) gestrichen und unterliegt damit weniger bürokratischen Auflagen. Der Versand von (telemedizinisch) ärztlich verordnetem medizinischem Cannabis durch Apotheken ist möglich.
Für Hersteller, Ärzte, Apotheken, Patienten, aber auch digitale Plattformmodelle ergaben sich dadurch zahlreiche neue Chancen und Herausforderungen. Die geplante Verschärfung des MedCanG könnte zumindest die Neuerungen in Hinblick auf die Fernverschreibungs- und Versandmöglichkeiten rückgängig machen. In diesem Beitrag beleuchten wir daher die aktuelle Rechtslage sowie die geplanten Änderungen des aktuellen Gesetzesentwurfs.
Geltende Rechtslage: Verschreibung von medizinischem Cannabis über Online-Plattformen und Versand durch Apotheken
Im Zuge der mit dem aktuell geltenden MedCanG verbundenen Liberalisierungen ist die Verschreibung von medizinischem Cannabis über Online-Plattformen in den Fokus gerückt. Zahlreiche Plattformen, die Patienten eine telemedizinische Konsultation vermitteln und – im Fall einer ärztlichen Verschreibung – oftmals auch mit einer oder mehreren Versandapotheke(n) kooperieren, treten mittlerweile auf den Markt und sind zunehmend nachgefragt. Die ärztliche Verordnung von medizinischem Cannabis auf telemedizinischem Wege und der anschließende Apothekenversand der Cannabisprodukte unterliegen nach der Teillegalisierung aktuell im Grundsatz keinen gesonderten Regelungen gegenüber herkömmlichen Arzneimitteln. Lediglich die allgemeinen Vorschriften des Apotheken- und Arzneimittel(-werbe-)rechts müssen beachtet werden. Hervorzuheben sind dabei insbesondere §§ 9, 10 Heilmittelwerbegesetz (Verbot der Werbung für telemedizinische Behandlung sowie Verbot der Werbung für verschreibungspflichtige Arzneimittel). Die Tätigkeit einiger Plattformen wurde auf dieser Grundlage bereits gerichtlich eingeschränkt.
Reformpläne: Verschreibungs- und Versandverbot
Die geplante Verschärfung des MedCanG stellt das aktuelle Verschreibungs- und Versandangebot von Online-Plattformen grundlegend in Frage und richtet sich gezielt gegen telemedizinische Angebote. Der Gesetzentwurf sieht ein Verbot der Fernverschreibung und des Versandhandels mit Medizinalcannabis vor.
- Danach darf zukünftig die Verschreibung von Medizinalcannabis nur nach einem persönlichen Kontakt zwischen einer Ärztin oder einem Arzt und der Patientin oder dem Patienten in der Arztpraxis der verschreibenden Ärztin oder des verschreibenden Arztes erfolgen. Folgeverschreibungen dürfen dann ohne erneuten persönlichen Kontakt nur vorgenommen werden, wenn die verschreibende Ärztin oder der verschreibende Arzt der Patientin oder dem Patienten innerhalb der letzten vier Quartale das Medizinalcannabis nach einem persönlichen Kontakt verschrieben hat.
- Eine ausschließliche Behandlung im Rahmen der Videosprechstunde wird nach dem Gesetzentwurf explizit ausgeschlossen.
- Daneben soll auch der Versandweg für Medizinalcannabis künftig unzulässig sein. Für Patientinnen und Patienten mit eingeschränkter Mobilität bliebe einzig die Möglichkeit bestehen, über den Botendienst der Apotheken beliefert zu werden, der im Bedarfsfall durch pharmazeutisches Personal der Apotheke erfolgt.
Die Bundesregierung begründet diese Maßnahmen mit der Notwendigkeit, die Patientensicherheit zu gewährleisten. Eine Beeinträchtigung der Arzneimittelversorgung wird hingegen nicht angenommen. Die Sonderstellung von Medizinalcannabis als Arzneimittel mit Suchtrisiko und weiteren gesundheitlichen Risiken erfordert nach Ansicht der Bundesregierung umfassende Aufklärungs- und Beratungspflichten, die im Rahmen einer persönlichen Beratung in der Apotheke erfolgen müssten.
Dennoch ist das geplante Fernverschreibungs- und Versandverbot auch in Anbetracht der nachvollziehbaren Ziele durchaus kritisch zu bewerten. Denn es steht in einem schwer auflösbaren konzeptionellen Widerspruch dazu, dass (Medizinal-)Cannabis nicht mehr als Betäubungsmittel gilt und zu Genusszwecken ohne weitere Voraussetzung konsumiert werden darf. Für die Verwirklichung der angestrebten Ziele kommen alternative und weniger einschneidende Regelungen, wie etwa eine der Verschreibung vorausgehende zwingende Videosprechstunde sowie eine obligatorische pharmazeutische Videoberatung mit qualifizierten Apothekenpersonal für Versandapotheken in Betracht.
Fazit
Die politischen Diskussionen um die Rücknahme oder Reform der Cannabisteillegalisierung haben im Lichte des vorliegenden Gesetzesentwurfs zur Änderung des MedCanG wieder Fahrt aufgenommen. Mit der geplanten Verschärfung wären für Medizinalcannabis gegenüber anderen verschreibungspflichtigen Arzneimitteln wieder mehr Besonderheiten als bisher zu beachten. Ob und in welchem Umfang noch Anpassungen des Gesetzesentwurfes in den Beratungen im Deutschen Bundestag erfolgen, bleibt abzuwarten. Dafür, dass es noch Änderungen geben könnte, spricht jedenfalls, dass der zuständige Berichterstatter der SPD-Bundestagsfraktion jüngst erklärt hat, dass der Entwurf noch angepasst werden müsste. Es sei sicherzustellen, dass Patienten, die auf medizinisches Cannabis angewiesen sind, auch weiterhin einfachen und barrierefreien Zugang dazu haben, egal ob sie in städtischen oder in ländlichen Regionen leben.
Sollte das Fernverschreibungs- und Versandverbot in der aktuell geplanten Form Realität werden, dürfte dies nicht nur für die Patientinnen und Patienten, sondern insbesondere auch für digitale Plattformen erhebliche Einschnitte bedeuten, obwohl zur Verwirklichung der gesetzgeberischen Ziele auch alternative Regelungsmöglichkeiten in Betracht kämen.