BAG, 22. August 2017 – 1 ABR 24/16
Die Frage, ob geleistete Überstunden durch Zahlung oder Freizeitausgleich abgegolten werden, unterliegt nicht der Mitbestimmung des Betriebsrats nach § 87 I Nr. 2 und 3 BetrVG. Aus dem allgemeinen Überwachungsrecht des Betriebsrats nach § 80 I BetrVG folgt kein Unterlassungsanspruch, wenn der Arbeitgeber bei Ausgleich bzw. Abgeltung von Überstunden gegen geltende Tarifverträge verstößt.
Bei der beklagten Arbeitgeberin galten die Entgelttarifverträge der Deutsche Post AG. Die Entgelttarifverträge enthielten eine detaillierte Regelung, wie Überstunden durch Freizeit auszugleichen oder finanziell abzugelten sind. Zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat entstanden Meinungsverschiedenheiten über die Auslegung der tariflichen Regelungen. Streitig war insbesondere, ob die Arbeitgeberin Überstunden auch ohne Antrag der Arbeitnehmer in Geld abgelten durfte. Der Betriebsrat war der Ansicht, die Entscheidung zwischen Abgeltung und Freizeitausgleich falle unter § 87 I Nr. 2, 3 BetrVG, sodass er einen Unterlassungsanspruch habe, solange nicht die Einigungsstelle entschieden habe. Jedenfalls aber ergebe sich ein Unterlassungsanspruch aus § 80 I BetrVG, wonach der Betriebsrat über die korrekte Anwendung von Tarifverträgen zu wachen habe.
Sowohl die Vorinstanzen als auch das BAG wiesen die Unterlassungsanträge zurück. § 87 I Nr. 2 und 3 BetrVG seien nicht einschlägig. Sofern der Arbeitgeber die in der Vergangenheit geleisteten Überstunden finanziell abgelte, ändere sich an Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit (Nr. 2) nichts. Es liege auch keine Verkürzung oder Verlängerung der betriebsüblichen Arbeitszeit (Nr. 3) vor. Auf § 80 I BetrVG könne der Betriebsrat seinen Unterlassungsanspruch nicht stützen.
Gleiss Lutz Kommentar
Die Entscheidung ist zu begrüßen, auch wenn sie hinsichtlich der geltend gemachten Mitbestimmungsrechte nach § 87 I Nr. 2 und 3 BetrVG auch anders ausfallen hätte können. Denkbar wäre, dass bei der Wahl zwischen Abgeltung und Freizeitausgleich schon deshalb § 87 BetrVG tangiert ist, weil diese Frage untrennbar mit der Frage verbunden ist, ob überhaupt Überstunden geleistet werden, was unstreitig unter § 87 I Nr. 3 BetrVG fällt. Zu begrüßen ist die Klarstellung des ersten Senats, dass aus § 80 I BetrVG kein Unterlassungsanspruch des Betriebsrats resultiert, wenn der Arbeitgeber – vermeintlich – ein Gesetz oder einen Tarifvertrag falsch anwendet.