Arbeitsrecht

Unangemessene Benachteiligung durch dreijährige Kündigungsfrist

BAG, 26. Oktober 2017 – 6 AZR 158/16

Wird die gesetzliche Kündigungsfrist für den Arbeitnehmer in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen erheblich verlängert, kann darin auch dann eine unangemessene Benachteiligung entgegen den Geboten von Treu und Glauben im Sinn von § 307 Abs. 1 S. 1 BGB liegen, wenn die Kündigungsfrist für den Arbeitgeber in gleicher Weise verlängert wird.

Die klagende Arbeitgeberin beschäftigte den beklagten Arbeitnehmer seit 2009 als Speditionskaufmann in ihrer Niederlassung in Leipzig. Im Juni 2012 unterzeichneten die Parteien eine Zusatzvereinbarung, die vorsah, dass sich die gesetzliche Kündigungsfrist für beide Seiten auf drei Jahre zum Monatsende verlängert. Außerdem sah sie eine Erhöhung des monatlichen Bruttogehalts von 1.400 EUR auf 2.400 EUR vor. Das Entgelt sollte im Übrigen bis zum 30. Mai 2015 nicht weiter erhöht werden und bei späteren Neufestsetzungen wieder mindestens 2 Jahre unverändert bleiben. Nachdem ein Kollege des Beklagten festgestellt hatte, dass auf den Computern der Niederlassung im Hintergrund das zur Überwachung des Arbeitsverhaltens geeignete Programm „PC Agent“ installiert war, kündigte der Beklagte am 24. Dezember 2014 das Arbeitsverhältnis zum 31. Januar 2015. Die Klägerin beantragt die gerichtliche Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis bis zum 31. Dezember 2017 fortbesteht. Das LAG hat die Klage abgewiesen.

Die Revision der Klägerin war erfolglos. Die in AGB enthaltene Verlängerung der Kündigungsfrist benachteilige den Beklagten im Einzelfall entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen und sei deshalb nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB unwirksam. Bei einer vom Arbeitgeber vorformulierten Kündigungsfrist, die die Grenzen des § 622 Abs. 6 BGB und des § 15 Abs. 4 TzBfG einhält, aber wesentlich länger ist als die gesetzliche Regelfrist des § 622 Abs. 1 BGB, sei nach Abwägung aller Umstände des Einzelfalls unter Beachtung von Art. 12 Abs. 1 GG zu prüfen, ob die verlängerte Frist eine unangemessene Beschränkung der beruflichen Bewegungsfreiheit darstelle. Die Vorinstanz habe hier ohne Rechtsfehler eine solche unausgewogene Gestaltung trotz der beiderseitigen Verlängerung der Kündigungsfrist bejaht. Der Nachteil für den Beklagten werde nicht durch die vorgesehene Gehaltserhöhung aufgewogen, zumal die Zusatzvereinbarung das Vergütungsniveau langfristig einfriere.

Gleiss Lutz Kommentar

Das Urteil des BAG, das bisher nur als Pressemitteilung vorliegt, ist nachvollziehbar. Kündigungsfristen sollen u.a. dem Arbeitnehmer Zeit gewähren, damit er einen neuen Arbeitsplatz finden kann. Ist eine lange Kündigungsfrist für den Arbeitnehmer bei einer Arbeitgeberkündigung i. d. R. vorteilhaft, kann sie daher bei einer Eigenkündigung in der Tat ins Gegenteil umschlagen, umso mehr, wenn der Arbeitnehmer freigestellt werden kann. Mit Spannung ist zu erwarten, ob sich die Entscheidung auch dazu verhält, welche Kündigungsfrist im Regelfall noch als angemessen gilt.

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