Healthcare und Life Sciences

Telemedizin & Recht im deutschen Gesundheitssystem: Kontinuierlicher Fortschritt trotz hoher Komplexität und widerstreitender Interessen

Telemedizinische Behandlung ist inzwischen fester Bestandteil des deutschen Gesundheitssystems. Die hierfür geltenden Vorschriften sind allerdings komplex und werden laufend an den medizinischen und gesundheitspolitischen Fortschritt angepasst. Die gesundheitspolitisch kontroverse Einführung der elektronischen Patientenakte (ePA) sowie des E-Rezepts für Arzneimittel und Digitale Gesundheitsanwendungen haben die telemedizinischen Behandlungsmöglichkeiten zusätzlich erweitert. Arzneimittelbestellplattformen, die mit Ärzten und Apotheken kooperieren, vernetzen und beschleunigen die Behandlungs- und Verordnungsprozesse und bieten interessante Optionen für strategische Investoren.

Der Gesetzgeber muss dabei die richtige Balance aus einer Förderung telemedizinischer Behandlungsmöglichkeiten und Maßnahmen zum Schutz der bestehenden niedergelassenen Versorgungsstruktur durch Arztpraxen und Apotheken finden. Deshalb unterliegt die Telemedizin zugleich strengen Compliance-Vorgaben, die in der jüngsten Vergangenheit zu einer Vielzahl gerichtlicher Entscheidungen geführt haben.

Unsere Experten Enno Burk und Christoph Schoppe geben Ihnen im Folgenden einen praxisnahen Überblick über den aktuellen telemedizinischen Rechtsrahmen in Deutschland im Spannungsfeld aus rasant wachsenden digitalen Behandlungsmöglichkeiten und den verschiedenen gesundheitspolitischen Schwerpunktsetzungen.

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I. Online-Sprechstunden als Regelfall: neue Vorgaben für Vertragsärzte

Bereits seit 2018 ist die ausschließliche Fernbehandlung rechtlich zulässig – vorausgesetzt, sie ist ärztlich vertretbar und erfolgt mit der nötigen Sorgfalt (§ 7 Abs. 4 MBO-Ä, der mittlerweile von allen Landesärztekammern übernommen wurde).

Dieser Entwicklung wird nun auch auf Ebene des zwischen der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und dem GKV-Spitzenverband verhandelte Bundesmantelvertrages der Ärzte (BMV-Ä) stärker als bisher Rechnung getragen: Mit der neuen Anlage 31c zum BMV-Ä vom 01.03.2025 werden Online-Sprechstunden für Vertragsärzte zum Regelfall. So sollen alle Vertragsärzte im Rahmen des medizinisch Sinnvollen und unter Berücksichtigung der organisatorischen Verpflichtungen Videosprechstunden anbieten (§ 6 Abs. 1 Anlage 31c BMV-Ä). Die Mindestsprechstundenzeiten vor Ort in der Praxis bleiben dabei unangetastet (§ 9 Abs. 1 Anlage 31c BMV-Ä).

Darüber hinaus konkretisiert die neue Anlage zum BMV-Ä die Anforderungen an den Zugang zu Videosprechstunden für Patienten. Dieser muss niedrigschwellig sein. Die Vereinbarung einer Online-Sprechstunde hat diskriminierungsfrei zu erfolgen. Patienten sind bei der Terminvergabe grundsätzlich allein nach dem Grad ihrer medizinischen Behandlungsbedürftigkeit zu priorisieren (§ 6 Abs. 2 Anlage 31c BMV-Ä).

Ab dem 1. September 2025 gilt die weitere Vorgabe, dass Termine vorrangig an Patienten zu vergeben sind, die die in räumlicher Nähe zur Praxis wohnen (§ 7 Abs. 1 Anlage 31c BMV-Ä). Dies überrascht auf den ersten Blick – schließlich liegt ein Vorteil von Videosprechstunden gerade darin, weite Anreisen zu vermeiden. Tatsächlich soll die Regelung aber die strukturiere Anschlussversorgung im Fall weitergehenden Behandlungsbedarfs erleichtern. Ausnahmen bleiben zulässig (§ 7 Abs. 3 und 4 Anlage 31c BMV-Ä).

Anlage 31 enthält zudem neue Vorgaben zur technischen und räumlichen Ausstattung eines Telearbeitsplatzes. Zwar erlaubt § 24 Abs. 8 Ärzte-ZV inzwischen die Durchführung von Online-Sprechstunden außerhalb des Praxissitzes, doch müssen dabei bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein. Insbesondere nennt § 8 Abs. 1 Anlage 31c BMV-Ä diese Anforderungen:

  • Dezidierter, geschlossener Raum,
  • Telefonische Erreichbarkeit während der üblichen Praxisöffnungszeiten,
  • Zugriff und vollumfängliche Nutzbarkeit der elektronischen Patientendokumentation und der Anwendungen der Telematikinfrastruktur gem. § 334 SGB V.

Wichtig: Der Telearbeitsplatz muss sich innerhalb Deutschlands befinden (§ 8 Abs. 3). Ein Homeoffice im Ausland (etwa im Rahmen einer „Workation“) ist damit für Vertragsärzte nicht zulässig.

Vertragsärzte müssen ihren bestehenden Pflichten zum Angebot von Mindestsprechstunden und offenen Sprechstunden aber weiterhin weiterhin am Vertragsarztsitz nachkommen (§ 24 Abs. 8 Ärzte-ZV). Reine Online-Vertragsarztpraxen gibt es nicht und ihre Einführung ist nicht geplant. Den Schwerpunkt der Tätigkeit des niedergelassenen Vertragsarztes bildet noch immer die Versorgung der Patienten vor Ort in seiner Praxis.

 

II. Technische Mindestvoraussetzungen für Telemedizinprodukte

Der Einstieg in den Markt der Telemedizin als Videosprechstundenanbieter ist von der Einhaltung bestimmter technischer Anforderungen abhängig:

  • Videodienstanbieter, die Videosprechstunden ermöglichen, wie auch Kommunikationsdienstleister, welche die Daten für die konsiliarische Befundbeurteilung übermitteln, müssen nach den Vorgaben des Bundesmantelvertrag-Ärzte (BMV-Ä Anlage 31a und 31b) zertifiziert sein und unter anderem datenschutzrechtliche und datensicherheitsrelevante Voraussetzungen einhalten.
  • Die Erfüllung der Anforderungen von GKV-Spitzenverband und KBV wird von unabhängigen zertifizierenden Stellen im Rahmen der beizubringenden Nachweise geprüft. Derzeit gibt es 88 zertifizierte Videodienstanbieter (Stand: 13. Mai 2025). Diese Zahl hat sich innerhalb eines Jahres mehr als verdoppelt (43 zertifizierte Videodienstanbieter im September 2024).

 

III. Wettbewerb zwischen KBV und privaten Telemedizinportalen?

  • § 370a Abs. 1 SGB V sieht vor, dass die KBV ein elektronisches System zur Vergabe von Online-Sprechstunden bei Vertragsärzten für gesetzlich Versicherte errichtet. Das DigiG führte dafür Fristen ein: für die Vermittlung von telemedizinischen Leistungen war bereits der 30. Juni 2024 maßgeblich und für die Vermittlung von Behandlungsterminen ist es der 30. Juni 2025. Sowohl Videosprechstunden als auch Behandlungstermine können inzwischen über den von der KBV verantworteten Patientenservice 116117 (116117.de - Der Patientenservice: die Leistungen | 116117.de) online gebucht werden.
  • Die am Markt etablierten privaten Portale erhalten die Informationen, die in dem elektronischen Portal der KBV bereitgestellt werden, nur gegen eine Gebühr (§ 370a Abs. 4 Satz 1 SGB V).
  • Auch der Bund selbst betätigt sich im Bereich der digitalen Gesundheitsinformation: Bereits im Jahr 2020 wurde das nationale Gesundheitsportal https://gesund.bund.de errichtet – ein im Internet sowie über die Telematikinfrastruktur abrufbares Informationsportal, das gesundheits- und pflegebezogene Informationen barrierefrei in allgemein verständlicher Sprache zur Verfügung stellen soll (§ 395 Abs. 1 SGB V).

 

IV. Öffentlichkeitswerbung für telemedizinische Behandlungen

Für telemedizinische Behandlungen darf entgegen dem grundsätzlich bestehenden Werbeverbot für Fernbehandlungen gemäß § 9 Satz 1 HWG ausnahmsweise dann in der Öffentlichkeit geworben werden, wenn ein persönlicher ärztlicher Kontakt zwischen Arzt und Patient nach allgemein anerkannten fachlichen Standards nicht erforderlich ist (§ 9 Satz 2 HWG). Die Oberlandesgerichte legten die Neuregelung zunächst – konzeptionell fragwürdig – unnötig eng aus (siehe z. B. OLG München, Urteil vom 09. Juli 2020 – 6 U 5180/19; OLG Hamburg, Urteil vom 05. November 2020 – 5 U 175/19).

Der Bundesgerichtshof hatte mit Urteil vom 09. Dezember 2021 (I ZR 146/20) erstmals die Kriterien zur Bestimmung des „allgemein anerkannten fachlichen Standards“ definiert und damit Maßstäbe für die Zulässigkeit der Werbung für Fernbehandlungen – zu denen auch Videosprechstunden gehören – nach dem in § 9 Satz 2 HWG normierten Erlaubnistatbestand aufgestellt: 

  • Für eine rechtssichere und vorhersehbare Anwendung des § 9 Satz 2 HWG sind die „allgemein anerkannten fachlichen Standards“ unter Rückgriff auf den gleichlautenden Begriff in § 630a Abs. 2 BGB und die dazu mit Blick auf die vom Arzt zu erfüllenden Pflichten aus einem medizinischen Behandlungsvertrag entwickelten Grundsätze auszulegen. Vorteil: Bei der Auslegung kann auf umfangreiche Rechtsprechung zurückgegriffen werden, wodurch eine vorhersehbare und rechtssichere Anwendung § 9 Satz 2 HWG erfolgen kann.
  • Ob eine beworbene Fernbehandlung nach ärztlichem Berufsrecht zulässig wäre, ist für § 9 HWG hingegen nicht entscheidend.

Indem der Bundesgerichtshof einerseits auf den fortbestehenden Ausnahmecharakter von Fernbehandlungen hinwies, gleichzeitig auf die gesetzgeberisch gewünschte Weiterentwicklung der telemedizinischen Möglichkeiten verwies, macht das Gericht deutlich, einer solchen Dynamik unter Beachtung der fachlichen Standards jedenfalls nicht ablehnend gegenüberzustehen.

Aktuelle Rechtsprechung zeigt jedoch, dass weiterhin ein strenger Maßstab anzulegen ist:

  • Das OLG Frankfurt (Urteil v. 06.03.2025 – 6 U 74/24) stellte jüngst klar, dass die Fernbehandlung nicht wie Präsenzmedizin beworben werden darf. Patienten müssen erkennen, dass eine Behandlung aus der Ferne Grenzen hat und nicht für jede Indikation geeignet ist.
  • Das LG München I (Urteil v. 03.03.2025 – 4 HK O 15458/24) lehnte eine allein auf Fragebögen basierende Verschreibung von Adipositas-Medikamenten ab. Medizinischer Standard seien weitergehende Tests.
  • Auch das OLG Köln (Urteil v. 10.06.2022 – I-6 U 204/21) forderte bei der Behandlung von Asthma und Erektionsstörungen mehr als digitale Formulare: Die fehlende Möglichkeit nonverbaler Eindrücke und Rückfragen mache eine valide Fernbehandlung unmöglich.

 

V. Öffentlichkeitswerbung für verschreibungspflichtige Arzneimittel

§ 10 HWG verbietet darüber hinaus die Werbung für verschreibungspflichtige Medikamente gegenüber Laien. Dass auch diese Vorschrift für zahlreiche telemedizinische Plattformen von großer Relevanz ist, zeigen aktuelle Gerichtsentscheidungen: So hat das OLG Frankfurt in der bereits erwähnten Entscheidung (OLG Frankfurt (Urteil v. 06.03.2025, 6 U 74/24)) hierzu im März 2025 entschieden, dass bereits die namentliche Nennung eines Arzneimittels auf einer Website (z. B. medizinisches Cannabis) gegen das Verbot des § 10 HWG verstößt, wenn dadurch der Absatz gefördert werden soll.

Auch indirekte Werbung – etwa durch die Verbindung einer Diagnosebeschreibung mit einem konkreten Medikamentenangebot – kann verboten sein. Dies nahm das LG München I im zuvor skizzierten Urteil (Urteil v. 03.03.2025 – 4 HK O 15458/24) ebenfalls bereits an, als lediglich über eine „Gewichtsverlustbehandlung“ informiert wurde, aufgrund des Kontexts jedoch klare Assoziationen darüber hervorgerufen wurden, welches Arzneimittel konkret beworben werden sollte.

Plattformen müssen daher sorgsam zwischen reiner Information und Werbung unterscheiden. Allgemeine Aufklärung über Krankheiten ist zulässig, konkrete Empfehlungen zu verschreibungspflichtigen Medikamenten nicht – die Grenzen sind dabei fließend. So kann bereits die Nennung oder bildliche Darstellung eines Arzneimittels reichen, um eine unzulässige Werbung im Sinne des § 10 HWG zu begründen. Es kommt stets auf die konkrete Darstellung auf der Website an, sodass es ratsam ist, das Online-Angebot vor dem Launch umfassend rechtlich prüfen zu lassen, um Verstöße und damit einhergehende Konsequenzen zu vermeiden.

 

VI. Apothekenrechtliche Hürden: Rezeptweiterleitung an Partnerapotheken mit Umsicht

Telemedizinische Plattformen kooperieren oftmals mit (Versand-)Apotheken, um ihren Kunden eine unmittelbare Bezugsquelle für etwaig verschriebene Arzneimittel an die Hand geben zu können. Insoweit ist jedoch Vorsicht geboten. Denn das Apothekenrecht verlangt Neutralität bei der Wahl der Abgabestelle. § 11 Abs. 1a ApoG verbietet das Sammeln und Weiterleiten von Verschreibungen gegen Entgelt oder Vorteil. Zudem ist das Recht auf freie Apothekenwahl der Patienten stets zu respektieren.

Der Bundesgerichtshof (Urteil v. 20.02.2025, I ZR 46/24) hat insoweit klargestellt, dass Online-Marktplätze, die (Partner-)Apotheken gegen pauschale Nutzungsgebühren listen, nicht automatisch gegen das Verbot verstoßen. Konkret nahm der BGH an, dass § 11 Abs. 1a ApoG einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen dem gewährten Vorteil und den dort genannten Handlungen erfordere, das Entgelt müsste mithin gezielt für die Weiterleitung oder Vermittlung von Verschreibungen gezahlt werden. Eine monatliche Grundgebühr, die unabhängig von der Zahl der verkauften Arzneimittel über die Plattform gezahlt werde, falle nicht darunter.

Zudem darf eine telemedizinische Plattform die freie Apothekenwahl nicht einengen. Der BGH sah diese im konkreten Fall nicht verletzt. Die Plattform zeige demnach nur Apotheken an, die einen Partnervertrag abgeschlossen haben, schränke damit jedoch nicht die Wahlfreiheit des Kunden ein, denn die Entscheidung die Seite zu nutzen, sei lediglich eine selbständige Konkretisierung dessen Wahlrechts.

Für eine ausführliche Besprechung der BGH-Entscheidung sei auf unseren Beitrag vom 11. März 2025 verwiesen (BGH urteilt zu Apotheken-Marktplätzen: Grünes Licht für digitale Vertriebsmodelle (BGH I ZR 46/24) | Gleiss Lutz). 

 

VII. Medizinproduktrechtliche Hürden

Werden Wearables oder vernetzte Diagnostika im Rahmen der telemedizinischen Behandlung verwendet, fallen sie regelmäßig unter die EU-Medizinprodukteverordnung (MDR), wenn sie Funktionen mit medizinischer Zweckbestimmung übernehmen. Nach Anhang VIII Regel 11MDR ist Software, die zur Diagnose oder Überwachung dient, mindestens der Risikoklasse IIa zuzuordnen (hierzu etwa: Hanseatisches OLG, Urteil v. 20.06.2024, 3 U 3/24 bezüglich einer dermatologischen Diagnose-App).

 

VIII. „Booster“ für eine stärkere Nachfrage telemedizinischer Leistungen

Neben der mengenmäßig gesetzlich nicht mehr begrenzten Einführung der Videosprechstunde, welche die Erbringung und Vergütung telemedizinischer Leistungen aus dem Homeoffice ermöglicht, gibt es verschiedene weitere Vorhaben im Rahmen der Digitalisierung des deutschen Gesundheitswesens, die sowohl die Informationsmöglichkeiten des Arztes als auch die verordnungsfähigen Versorgungsangebote aus Sicht des Patienten verbessern. Über eine engere Vernetzung von Arzt und Patient wird so ein größeres Tätigkeitsspektrum von Leistungen ermöglicht, als es in der Vergangenheit der Fall war. Hervorzuheben sind folgende Maßnahmen:

1. Elektronische Patientenakte (ePA)

Die ePA ist zentrales Element der digitalen und vernetzten Gesundheitsversorgung und der Telematikinfrastruktur. Seit 2021 waren die gesetzlichen Krankenkassen verpflichtet, ihren Mitgliedern die ePA anzubieten und alle Ärzte und Psychotherapeuten mussten schon über die notwendige Ausstattung verfügen, um die Daten über die Telematikinfrastruktur zentral in die ePA zu übertragen. Digitale Patientendaten sollen zentral an einem Ort gesammelt werden. Der Zeitplan des ePA-Rollouts stellt sich gegenwärtig wie folgt dar: 



2. Flächendeckende Einführung des E-Rezepts

  • Der flächendeckende und verpflichtende Einsatz des bereits im Jahr 2022 eingeführten E-Rezeptes scheiterte lange an technischen Voraussetzungen sowie datenschutzrechtlichen Bedenken. Seit dem 01. Januar 2024 ist das E-Rezept nunmehr verbindlicher Standard in der Arzneimittelversorgung gesetzlich Versicherter.
  • Das E-Rezept wird durch den Arzt digital erstellt, mit dem Heilberufsausweis elektronisch signiert und in der Telematikinfrastruktur gespeichert und verschlüsselt. Von dort kann es später von der Apotheke abgerufen werden. Technische Voraussetzung auf Praxisseite ist ein elektronischer Heilberufsausweis, eine Anbindung an die Telematikinfrastruktur mit einem entsprechenden Konnektor sowie ein E-Rezept-taugliches Praxisverwaltungssystem.
  • Patienten erhalten einen Zugriffscode (Token), den sie zum Einlösen des Rezepts an die Apotheke weitergeben.
  • Übermittlung des Tokens an die Patienten, wie auch das Einlösen bei der Apotheke, auf verschiedenen Wegen möglich:
    • E-Rezept-App
    • Ausdruck des Tokens und Auslesung in der Apotheke
    • Einlösung über die elektronische Gesundheitskarte (eGK, indem diese in der Apotheke in das Kartenterminal gesteckt wird
    • CardLink-Verfahren:Einlösung mithilfe der eGK und eines Smartphones, ohne dass die eGK physisch in ein Kartenlesegerät gesteckt werden muss (NFC-Lösung)
    • Seit 2024 können alle privaten sowie gesetzlichen Krankenkassen ihre ePA-Apps erweitern, sodass hierüber ebenfalls E-Rezepte empfangen und eingelöst werden können.
  • Weiterentwicklung des E-Rezepts auf Grundlage des DigiG durch Integration in die ePA: Integration geht über die bloße Darstellung auf der Benutzeroberfläche der Apps hinaus: Daten zu abgegebenen Arzneimitteln, Chargennummer und Dosierung (sogenannte Dispensierinformationen) werden an die ePA übermittelt, wenn der Patient dem nicht widersprochen hat
  • Datenübertragung soll eine der Grundlagen für einen digital unterstützten Medikationsprozess bilden. Zusammen mit weiteren Informationen, etwa zu Allergien, Unverträglichkeiten und Schwangerschaften, werden die Daten den Arztpraxen zugänglich gemacht und dadurch bei der Arzneimittelverordnung berücksichtigt. Damit verspricht das Zusammenspiel von E-Rezept und ePA nicht nur einen Mehrwert für eine zielführende Therapie unter Vermeidung von Doppelverordnungen sowie eine Verbesserung der Arzneimittelsicherheit, da der Arzt die Wechselwirkungen mit etwaigen bereits verordneten Arzneimitteln oder Vorerkrankungen besser beurteilen kann.
  • E-Rezept erfasst aktuell nur verschreibungspflichtige Arzneimittel und seit Anfang 2025 DiGAs. Perspektivisch wird es sich aber auf alle Arten von Arzneimitteln erstrecken.
  • Die Zeitpunkte der Erweiterung des E-Rezepts auf andere Leistungen zeigt die nachfolgende Übersicht:

3. DiGAs und Telemedizin

  • DiGAs bilden schon seit 2020 ein digitales Leistungsangebot in der GKV, welches auf Grundlage des Digitale Versorgungs Gesetz (DVG) entstanden ist. In den letzten Jahren hat sich in diesem Bereich eine innovative Branche digitaler Medizinproduktehersteller herausgebildet.
  • Derzeit werden 57 vorläufig oder dauerhaft aufgenommene Apps im offiziellen DiGA-Register des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) geführt. Zwölf Anwendungen, die bereits (vorläufig) als DiGAs zugelassen waren, wurden zwischenzeitlich aus dem Verzeichnis gestrichen – entweder auf Antrag des Herstellers oder, da kein positiver Versorgungszweck nachgewiesen werden konnte.Vor Inkrafttreten des DigiG waren als verschreibungsfähige DiGAs lediglich Medizinprodukte der Klasse I oder IIa, deren Hauptfunktion auf digitalen Technologien beruht, geeignet. Das DigiG erweiterte den gesetzlichen Leistungsanspruch auf höhere Risikoklassen, namentlich solche der Risikoklasse IIb. Mit dieser Ausweitung können DiGAs auch für komplexere Behandlungsprozesse – z. B. für das Telemonitoring – genutzt werden. Hier bieten sich neue Geschäftsfelder für DiGA-Entwickler.
    • DiGAs müssen vor ihrer Verordnungsfähigkeit in der GKV vom BfArM in das DiGA-Verzeichnis gem. § 139e SGB V aufgenommen worden sein. Die Anwendungsfelder der dort gelisteten DiGAs sind divers und gehen von der Behandlung depressiver Erkrankungen über Diabetes, Multiple Sklerose bis hin zu Migräne. Nach dem DiGA-Bericht des GKV-Spitzenverbandes aus 2024 wurden seit 2020 bis zum 31. Dezember 2024 insgesamt über 1 Mio. DiGAs verordnet.
    • Durch das DigiG wurde die zulässige Preisgestaltung für DiGAs verändert, die zukünftig stärker an Erfolgskriterien ausgerichtet werden soll. § 134 Abs. 1 Satz 3 SGB V sieht vor, dass in einer Vereinbarung ab dem 01. Januar 2026 festzulegen ist, dass der Anteil erfolgsabhängiger Preisbestandteile mindestens 20 Prozent des Vergütungsbetrags umfassen muss.
    • Durch das DigiG erfolgte zudem eine Gleichstellung der DiGAs zu anderen Heil- und Hilfsmitteln bei Schwanger- und Mutterschaft. Es besteht nunmehr ein Anspruch auf Nutzung von entsprechenden DiGAs während der Schwanger- und Mutterschaft (§ 24e Satz 1 SGB V).
    • Für alle im Verzeichnis gelisteten DiGAs ist nunmehr eine anwendungsbegleitende Erfolgsmessung verpflichtend vorgegeben, deren Ergebnisse fortlaufend an das BfArM gemeldet und im Verzeichnis ab dem 1. Januar 2026 veröffentlicht werden. Von dem Ergebnis der anwendungsbegleitenden Erfolgsmessung hängt – wie bereits erwähnt – künftig auch ein Teil der Vergütung der DiGA-Hersteller ab.

4. Investitionsmöglichkeiten im Bereich digitaler Gesundheitsangebote

  • Zudem bestehen Investitionsmöglichkeiten im Bereich digitaler Gesundheitsangebote für öffentliche Träger. Gemäß § § 68a ff. SGB V sind gesetzliche Krankenkassen, Kassenärztliche Vereinigungen, die KBV sowie die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung (KZBV) berechtigt, digitale Innovationen durch (Teil-)Übernahme der Kosten zu fördern. Digitale Innovationen sind telemedizinische/vernetzte Versorgungsangebote und digitale Medizinprodukte.
  • Krankenkassen können auch externe Anbieter in der Entwicklung unterstützen bzw. deren Beauftragung ist möglich. Seit Inkrafttreten des DigiG dürfen Krankenkassen hierfür bis zu 10 % - anstatt wie bisher bis zu 2 % - ihrer Finanzreserven als Wagniskapital zur Förderung der Entwicklung digitaler Innovationen anlegen (§ 263a SGB V).
  • Damit verfügen die Krankenkassen und Kassenärztlichen Vereinigungen über erheblich mehr Spielraum für die Zusammenarbeit sowohl mit bereits etablierten Anbietern als auch mit Start-Ups im Bereich telemedizinischer Leistungen und digitaler Medizinprodukte für die Entwicklung und Gestaltung digitaler Versorgungsangebote.

 

IX. Aufbruch für Telemedizin

Die telemedizinischen Versorgungsstrukturen in Deutschland haben sich in den letzten Jahren wesentlich verbessert und wurden erweitert. Bisherige gesetzliche Mengenbegrenzungen für Videosprechstunden wurden aufgehoben. Gerade in Kombination mit der inzwischen zulässigen Leistungserbringung im Homeoffice können Vertragsärzte Videosprechstunden nach Umsetzung durch die ärztliche Selbstverwaltung noch flexibler und umfassender einsetzen.

Die Weiterentwicklungen im Bereich des E-Rezepts sowie der ePA vereinfachen das Ausstellen, Übermitteln und Einlösen von Rezepten im Behandlungsalltag. Profitieren dürften auch Online-Apotheken und Apotheken-Plattformen sowie Logistik-Dienstleister, die eine zeitnahe Direktlieferung zu den Patienten für Apotheken anbieten.

Trotzdem bewegen sich die digitalen Angebote unverändert in einem komplexen rechtlichen Umfeld, bei dem der Gesetzgeber bemüht ist, digitale Versorgungsstrukturen einerseits zu fördern, andererseits aber bestehende Strukturen in der niedergelassenen (vertrags-) ärztlichen Versorgung und auf Apothekenebene zu erhalten. Der Ausgleich zwischen diesen gesundheitspolitischen Schwerpunktsetzungen wird auch bei zukünftigen Schritten zur Digitalisierung des deutschen Gesundheitssystems eine Herausforderung bleiben.

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