Energie & Infrastruktur

Steigen die Erfolgsaussichten für Investitionsschiedsklagen von Energieunternehmen gegen Spanien?

ENERGY NEWS #29/2016

EU law does not and cannot „trump“ public international law – Mit diesem grundsätzlichen Statement begründete ein ICSID-Schiedsgericht unter Vorsitz von Alain Pellet am 6. Juni 2016 in einer Investitionsschiedsklage gegen Spanien seine Zuständigkeit. Wird Spanien doch noch zahlen müssen für seine Kehrtwende bei der Förderung erneuerbarer Energien?

 

Zusammenfassung

  • In einer Investitionsschiedsklage der RREEF Infrastructure (G.P.) Limited und RREEF Pan-European Infrastructure Two Lux S.à r.l. gegen Spanien hat ein ICSID-Schiedsgericht unter dem Vorsitz von Alain Pellet am 6. Juni 2016 seine Zuständigkeit erklärt. Die Entscheidung in der Sache darf nun mit Spannung erwartet werden.
  • In den ersten beiden Investitionsschiedsverfahren, die sich mit der Frage befassten, ob Spanien durch die Beschränkung der Förderung erneuerbarer Energien gegen den Energie-Charta-Vertrag (Energy Charter Treaty, ECT) verstößt, hatte Spanien obsiegt.

 

Hintergrund

Spanien, aber auch andere europäische Länder wie die Tschechischen Republik und Italien, hatten in den Jahren vor der Finanzkrise einen gesetzlichen Förderrahmen für erneuerbare Energien geschaffen, um Anreize für ausländische Energieunternehmen zu setzen und den Ausbau erneuerbarer Energien voranzutreiben. Dabei wurden vor allem fixe Einspeisevergütungen über eine lange Laufzeit zugesagt. Noch 2008 wurden in Spanien Einspeisevergütungen von 30 Ct/kWh für eine Laufzeit von mindestens 25 Jahren garantiert. Um zu verhindern, dass der Endverbraucherstrompreis übermäßig ansteigt, wurden diese Vergütungszusagen durch staatliche Subventionen für Strom aus erneuerbaren Energien flankiert.

Im Zuge der Finanzkrise und der darauf folgenden Staatsschuldenkrise konnten die hohen Subventionen jedoch nicht mehr aufrechterhalten werden. 2010 entschied sich die spanische Regierung, die Förderung rückwirkend zu beschränken. Es sollten nur noch Anlagen gefördert werden, die vor 2008 in Betrieb genommen worden waren. Gleichzeitig wurde der Gesamtumfang der förderungsfähigen Kilowattstunden gedeckelt und eine Netzdurchleitungsgebühr erhoben. Auf diese Weise sollte eine weitere Verschuldung des Landes in Milliardenhöhe verhindert werden. Für die betroffenen Unternehmen, darunter auch deutsche Unternehmen wie RWE/Innogy, STEAG und die Stadtwerke München, die zweistellige Milliarden-Investitionen getätigt hatten, führte die rückwirkende Änderung des Förderrahmens zu Gewinnausfällen in Millionenhöhe.

Auf Grundlage des am 17. Dezember 1994 abgeschlossenen Energie-Charta-Vertrags (Energy Charter Treaty, ECT), der Investitionen im Energiesektor schützt, erhoben daher zahlreiche Investoren Klage gegen Spanien. Der ECT, der unter anderem von allen EU-Staaten außer Großbritannien unterzeichnet wurde, erlaubt es ausländischen Investoren im Falle einer Vertragsverletzung durch den Gaststaat, ein internationales Investor-Staat Schiedsverfahren nach den Schiedsregeln des International Centre for Settlement of Investment Disputes (ICSID), des Schiedsgerichtsinstituts der Stockholmer Handelskammer (SCC) oder der UNCITRAL einzuleiten.

Seit 2011 haben über 30 Unternehmen und Einzelpersonen von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht und Schiedsverfahren gegen Spanien eingeleitet. Dabei stützen sich die Kläger vor allem auf Art. 10 Abs. 1 ECT. Dieser sichert Investoren eine gerechte und billige Behandlung (fair and equitable treatment) zu. Danach ist es einem Staat untersagt, seinen Rechtsrahmen überraschend und willkürlich, sowie dergestalt zu verändern, dass berechtigte Erwartungen der Investoren (legitimate expectations) verletzt werden. Verletzt der Staat seine Pflicht zur gerechten und billigen Behandlung, ist er dem Investor zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.

Verfahren bis heute – Vorteil Spanien

Das erste Schiedsverfahren, das nach den Regeln des Schiedsgerichtsinstituts der Stockholmer Handelskammer (SCC) verhandelt wurde, gewann Spanien. Die Klage des niederländischen Unternehmens Charanne und des luxemburgischen Unternehmens Construction Investment wurde am 21. Januar 2016 als unbegründet abgewiesen. Das Schiedsgericht unter Vorsitz von Alexis Mourre hielt eine grundlegende Änderung eines Förderregimes für zulässig, wenn diese Änderung nicht zu einer unverhältnismäßigen Benachteiligung des Investors führt. Unverhältnismäßig sei eine Benachteiligung dabei nur, wenn unnötige Maßnahmen getroffen werden, die plötzlich und unvorhersehbar das Förderregime ändern. Dies sei nicht der Fall gewesen und deshalb seien die Investoren auch nicht in ihrem Anspruch auf eine gerechte und billige Behandlung verletzt worden. Ihnen stehe daher kein Schadensersatz zu. Das Schiedsgericht legte den unterlegenen Investoren Verfahrenskosten in Höhe von 1,3 Mio. Euro auf.

Auch in einem zweiten noch unveröffentlichten Schiedsverfahren nach den Schiedsregeln der SCC unter Vorsitz von Yves Derains unterlagen der niederländische Investor Isolux Infrastructure Netherlands und das kanadische Unternehmen PSP Investment. Die Investoren hatten sich nicht nur gegen die Reduzierung der Einspeisevergütung, sondern auch gegen die Einführung einer Steuer auf den Betrieb von Solaranlagen gewehrt.

Das Obsiegen Spaniens in den ersten beiden Verfahren kann als richtungsweisend auch für zukünftige Schiedsklagen gegen Spanien gesehen werden. Dabei ergingen die Schiedssprüche keineswegs einstimmig. Der in beiden Verfahren beteiligte Schiedsrichter Dr. Guido Santiago Tawil verfasste jeweils abweichende Voten zugunsten der Kläger. Sollten sich zukünftige Schiedsgerichte an den ersten beiden Entscheidungen orientieren, wären die Erfolgsaussichten von Schiedsklagen gegen Spanien in gleich gelagerten Sachverhalten eher gering.

Trendwende zugunsten der Investoren?

Eine neue Entscheidung, diesmal durch ein ICSID-Schiedsgericht, könnte nun zu einer Kehrtwende in diesen Verfahren führen. Es geht hier um eine Klage von RREEF Infrastructure gegen Spanien. Zwar ist in der Sache noch nichts entschieden, denn das Schiedsgericht unter dem Vorsitz von Alain Pellet hat sich am 6. Juni 2016 zunächst lediglich für zuständig erklärt. Beachtlich ist jedoch die Deutlichkeit, mit der das Schiedsgericht das Argument zurückweist, Investoren aus EU-Staaten könnten nicht auf Grundlage des ECT gegen EU-Mitgliedstaaten klagen. Das Schiedsgericht erklärte, dass Europarecht Völkerrecht grundsätzlich nicht verdrängen könne: „EU law does not and cannot „trump“ public international law.“ Wiederholte Anträge der EU-Kommission, als amicus curiae zu der von ihr vertretenen Gegenansicht Stellung zu nehmen, hatte das Schiedsgericht zuvor abgewiesen.

Eine wirkliche Trendwende zugunsten der Investoren ist damit noch nicht eingeleitet, denn die Entscheidung über die Begründetheit der Klage steht noch aus. In Zeiten wachsender Kritik an Schiedsverfahren als illegitime Beschränkung staatlicher Souveränität wird es viel Feingefühl bei der Anwendung des Standards fairer und billiger Behandlung bedürfen. Der Standard betrifft zunächst einmal Situationen, in denen Investoren gezielt geschädigt, willkürlich behandelt oder ihnen ein faires Verfahren verwehrt wurde, wobei auch berechtigte Erwartungen eine Rolle spielen können. Diese Aspekte werden mittlerweile aber immer häufiger mit der Frage vermengt, inwieweit staatliche Regulierung im Interesse der Allgemeinheit durch Schiedsgerichte beschränkt werden kann.

Es ist daher mit Spannung zu erwarten, ob sich Pellet und seine Co-Schiedsrichter Pedro Nikken und Robert Volterra der Linie der beiden SCC-Schiedsgerichte anschließen und Spaniens Maßnahmen für legitim erklären, oder ob sie eigene Wege gehen und die Änderung des Förderregimes als ungerechte und unbillige Behandlung der ausländischen Investoren beurteilen werden.

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