Zur Reduzierung des bürokratischen Aufwands für Unternehmen plant die EU-Kommission durch eine umfassende sog. „Omnibus“-Initiative, Vereinfachungen in den Bereichen nachhaltige Finanzberichterstattung, Taxonomie und Sorgfaltspflichten im Bereich der Nachhaltigkeit umzusetzen. Davon ist auch die „CBAM-VO“ (Verordnung (EU) 2023/956 des Europäischen Parlaments und des Rats) betroffen. Der Vorschlag der EU-Kommission zur Vereinfachung der CBAM-VO wurde nun vom Europäischen Parlament und vom Rat förmlich angenommen und wird drei Tage nach Veröffentlichung im Amtsblatt der EU in Kraft treten.
Kern der Vereinfachung der CBAM-VO ist eine de-minimis-Regelung, die zahlreiche Unternehmen künftig vom persönlichen Anwendungsbereich ausnehmen wird. Im Detail bleiben Rechtsfragen allerdings weiterhin ungeklärt. Der folgende Beitrag gibt einen Überblick über die zentralen Änderungen und offene Fragestellungen.
I. Hintergrund
Nach der Ankündigung durch die Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen im November 2024 hat die EU-Kommission am 26. Februar 2025 die sog. Omnibus-Initiative vorgelegt, die auch Änderungen und Vereinfachungen der CBAM-VO avisiert. Den Änderungsvorschlag bezüglich der CBAM-VO unterstützt das Europäische Parlament im Wesentlichen mit vereinzelten Änderungen in seiner Verhandlungsposition vom 22. Mai 2025 (im Folgenden der „Parlamentstext“). Auch die Verhandlungsposition des Rates der EU vom 27. Mai 2025 („Verhandlungsposition des Rates“) entspricht neben einigen Vereinfachungen und Präzisierungen der Vorschriften im Wesentlichem dem Vorschlag der EU-Kommission.
Am 18. Juni 2025 einigten sich die europäischen Institutionen schließlich im Rahmen der Trilogverhandlungen auf die Änderungen der CBAM-Verordnung. Das EU-Parlament hatte die geeinigte Fassung bereits am 10. September 2025 angenommen. Der Rat hat die geeinigte Fassung am 29. September 2025 angenommen. Die Änderungen müssen nun im Amtsblatt der EU veröffentlicht werden und treten drei Tage nach Veröffentlichung in Kraft.
Durch das nun beschlossene, umfassende Maßnahmenpaket soll im Ergebnis der bürokratische Aufwand für Unternehmen reduziert werden.
II. Funktionsweise des CBAM
Der Carbon Border Adjustment Mechanism („CBAM“) der Europäischen Union ist ein Instrument, das darauf abzielt, einen fairen Preis für die Kohlenstoffemissionen zu erheben, die bei der Produktion von kohlenstoffintensiven Gütern entstehen, die in die EU importiert werden. Ziel des CBAM ist es, eine sauberere industrielle Produktion in Nicht-EU-Ländern zu fördern und sicherzustellen, dass die Kohlenstoffpreise für Importe den Kohlenstoffpreisen der inländischen Produktion entsprechen. Dies soll die Verlagerung von Kohlenstoffemissionen in schwächer regulierte Regionen der Welt (sog. carbon leakage) verhindern. Der CBAM wird ab 2026 in seinem endgültigen Regime angewendet, während die derzeitige Übergangsphase von 2023 bis 2025 dauert.
EU-Importeure von Waren, die unter den CBAM fallen, müssen sich bei den nationalen Behörden registrieren, wo sie CBAM-Zertifikate für die bei der Herstellung der Waren freigesetzten Treibhausgase kaufen können. Der Preis der Zertifikate wird auf Basis des wöchentlichen Durchschnittspreises der Zertifikate des European Union Emissions Trading System (EU-ETS) berechnet. Die Importeure müssen die in ihren Importen enthaltenen Emissionen deklarieren und jährlich die entsprechende Anzahl an Zertifikaten abgeben. Wenn Importeure nachweisen können, dass während der Produktion der importierten Waren bereits ein Kohlenstoffpreis gezahlt wurde, kann der entsprechende Betrag abgezogen werden.
III. Welche Änderungen der CBAM-Verordnung sind vorgesehen?
Die Anpassungen der CBAM-VO durch die Omnibus-Initiative betreffen im Wesentlichen die folgenden Kernpunkte, die zu einer Reduzierung des anfallenden Aufwands für betroffene Unternehmen führen sollen:
1. Befreiung von CBAM-Pflichten
1.1 Kleinerer Importeure
Die Omnibus-Initiative der Kommission sieht eine Mindestimportschwelle für den Import emissionsrelevanter Waren vor, um die Importeure geringer Warenmengen zu entlasten. Bislang erfasst der Anwendungsbereich der CBAM-VO alle Importe von emissionsintensiven Waren, die im Annex I der CBAM-VO festgelegt sind, oberhalb einer Wertgrenze von EUR 150. Nach Auffassung der Kommission verantwortet allerdings nur ein kleiner Teil der Importeure einen großen Anteil der in die Union eingeführten grauen Emissionen. Eine Erstreckung des Anwendungsbereichs auf kleine und mittlere Importeure, die zusammen weniger als 1 % der erfassten Emissionen ausmachen, belaste diese Unternehmen unverhältnismäßig. Daher sollen nach der neuen Initiative künftig nur Importeure in den Anwendungsbereich der Verordnung fallen, die jährlich insgesamt mehr als 50 Tonnen Nettomasse CBAM-relevanter Waren in die Union einführen (sogenannter „massenbasierter Schwellenwert“). Der Parlamentstext sowie die Verhandlungsposition des Rates unterstützten diesen neuen de-minimis-Massenschwellenwert ausdrücklich.
Die Änderung der CBAM-VO sieht nun vor, dass der massenbasierte Schwellenwert künftig von der EU-Kommission angepasst werden kann, um wesentliche Änderungen in Emissionsintensitäten oder Handelsmustern zu berücksichtigen. Die Einhaltung und Durchsetzung der vorgesehenen Schwellenwerte sollen mit der Omnibus-Initiative ebenfalls verbessert werden.
1.2 Im EWR erzeugter Strom
Darüber hinaus sieht die CBAM-VO künftig eine weitere Ausnahme im Anwendungsbereich der Verordnung vor. So soll die CBAM-VO nicht auf Strom und Wasserstoff Anwendung finden, der vollständig auf dem Festlandsockel oder in der ausschließlichen Wirtschaftszone („AWZ“) eines Mitgliedstaats des Europäischen Wirtschaftsraums („EWR“) erzeugt und unmittelbar in das Zollgebiet der Union eingeführt wird. Diese Regelung wird auch in den Erwägungsgründen der Verordnung ausdrücklich hervorgehoben. Dort wird klargestellt, dass das CBAM zwar grundsätzlich für die Einfuhr von Strom gilt, jedoch nicht für Strom, der unter den genannten Voraussetzungen aus der AWZ eines EWR-Mitgliedstaats stammt. Die Ausnahmeregelung trägt der besonderen geografischen und energiewirtschaftlichen Lage bestimmter EWR-Staaten Rechnung und soll sicherstellen, dass die CBAM-Vorgaben nicht zu unverhältnismäßigen Handelshemmnissen im Strom- und Wasserstoffsektor führen.
Es gilt außerdem, dass elektrischer Strom und Wasserstoff, der in der AWZ oder auf dem Festlandsockel eines Mitgliedstaats oder eines Drittlands erzeugt wird, als Ware mit Ursprung mit diesem Mitgliedstaat bzw. diesem Drittland gilt. Strom und Wasserstoff, der in der AWZ eines Drittlands erzeugt wird, gilt daher als Ware mit Ursprung in diesem Drittland und unterliegt den Regelungen der CBAM-VO.
1.3 Keine Anwendung der de-minimis-Ausnahme für Importe von Strom und Wasserstoff
Einfuhren von Wasserstoff oder Strom werden jedoch nicht unter die de-minimis-Ausnahmeregelung fallen. Als Hauptgrund hierfür führt der Rat an, dass bei diesen Einfuhren durch die Einführung einer de-minimis Regelung keine Senkung der Verwaltungskosten der Einführer zu erwarten sei.
2. Möglichkeit zur Delegation von Berichterstattungspflichten an Dritte
Die Omnibus-Initiative sieht in Art. 5 Abs. 7a CBAM-VO die Einführung eines sog. CBAM-Vertreters vor. Für CBAM-Anmelder soll es in Zukunft möglich sein, die Abgabe der CBAM-Erklärung auf den CBAM-Vertreter zu delegieren, sie also von diesem vornehmen zu lassen. Der CBAM-Vertreter wird in einem Mitgliedsstaat ansässig sein und bestimmte technische Anforderungen erfüllen müssen, etwa die Registrierung mit einer Wirtschaftsakteursregistrierungs- und Identifikationsnummer. Der CBAM-Anmelder bleibt auch im Falle der Delegation für die Erfüllung der CBAM-Verpflichtungen rechtlich verantwortlich. Durch die ausdrückliche Möglichkeit, erfahrene Dienstleister einzubeziehen, wird die Operationalisierung für die Unternehmen jedoch deutlich erleichtert.
3. Verschiebung des Verkaufs von CBAM-Zertifikaten auf den Februar 2027
Kernelement des CBAM ist die Einführung von CBAM-Zertifikaten in Anlehnung an den Emissionszertifikatehandel des ETS. Von Letzterem unterscheiden sich die CBAM-Zertifikate jedoch darin, dass keine festgelegte Obergrenze für die Gesamtzahl an auszugebenden Zertifikaten existiert und dass die ausgegebenen Zertifikate auch nicht zwischen Unternehmen handelbar sind, um bestehende Handelsströme aus Drittländern in die Union nicht zu beeinträchtigen (kein Cap-and-Trade-System). Der Verkauf dieser CBAM-Zertifikate sollte ursprünglich nach einer Übergangsphase am 1. Januar 2026 starten. Mit der Änderung der CBAM-VO wird der Verkauf auf den 1. Februar 2027 verschoben, um Unsicherheiten hinsichtlich der konkreten Umsetzung im planmäßig vorgesehenen ersten Geltungsjahr 2026 zu beseitigen und den Informationsaustausch zwischen dem CBAM-Register und der sog. gemeinsamen zentralen Plattform zu optimieren. Über die gemeinsame zentrale Plattform werden zukünftig durch die Mitgliedstaaten CBAM-Zertifikate an zugelassene CBAM-Anmelder verkauft. Die Daten zu den CBAM-Zertifikaten der Anmelder werden in einer standardisierten elektronischen Datenbank, dem sog. CBAM-Register, gespeichert und stehen somit den zuständigen Behörden automatisch und in Echtzeit zur Verfügung.
CBAM-Anmelder sollen, um sich an die Verordnungsänderungen anpassen zu können, erst ab dem Jahr 2027 verpflichtet sein, CBAM-Zertifikate für Emissionen zu erwerben, die aus Waren resultieren, die im Jahr 2026 in die Union eingeführt werden. Der Preis der im Jahr 2027 gekauften CBAM-Zertifikate, der den Emissionen der im Jahr 2026 importierten Waren entspricht, soll den Preis der EU-ETS-Zertifikate im Jahr 2026 widerspiegeln.
4. Vereinfachung der Berechnung sog. „grauer“ Emissionen für bestimmte Waren
„Graue“ Emissionen i.S.d. CBAM sind Treibhausgase, die direkt bei der Herstellung von Waren freigesetzt werden und Treibhausgase, die indirekt freigesetzt werden, weil bei der Herstellung Strom genutzt wird, der u.U. seinerseits nicht emissionsfrei produziert wurde. Bei der Berechnung der erforderlichen CBAM-Zertifikate kommt es auf diese grauen Emissionen an. Die Ermittlung dieser grauen Emissionen bereitet jedoch regelmäßig Schwierigkeiten. Sofern sich die tatsächlichen Emissionen nicht ermitteln lassen, können CBAM-Anmelder bei der Ermittlung der Emissionen auf Standardwerte zurückgreifen.
Die Omnibus-Initiative zielt darauf, Berechnungen der CBAM-Anmelder, die sich auf Standardwerte stützen, zu vereinfachen. Zu diesem Zweck sollen die Standardwerte für Ausfuhrländer, die keine zuverlässigen Daten für eine Warenart bieten können, künftig auf der höchsten Emissionsintensität derjenigen Ausfuhrländer, für die zuverlässige Daten für eine Warenart herangezogen werden können, basieren.
Für Aluminium-, Stahl- und Eisenprodukte sollen künftig im Regelfall nur noch Emissionen berücksichtigt werden, die bei der Herstellung von Vorprodukten entstehen und nicht – wie bislang – auch Emissionen, die bei der Endverarbeitung der Aluminium-, Stahl- und Eisenprodukte entstehen.
Darüber hinaus wird durch die Änderungen der Anwendungsbereich der bei der Berechnung berücksichtigten Vormaterialien deutlich eingegrenzt. Künftig sollen bei der Berechnung der grauen Emissionen nur noch solche Vormaterialien berücksichtigt werden, die in Anhang I der CBAM-Verordnung ausdrücklich aufgeführt sind und deren Ursprung in einem Drittland liegt, das nicht gemäß Anhang III Nummer 1 von der CBAM-Regelung ausgenommen ist. Diese Klarstellung soll die Transparenz und Konsistenz der Berechnungen erhöhen und die Nachvollziehbarkeit für Anwender verbessern.
Außerdem wird Strom im Zusammenhang mit der Berechnung der grauen Emissionen in den Anhang II der CBAM-Verordnung aufgenommen, da bei der Stromerzeugung – wie bei den in Anhang II aufgeführten Waren – nur direkte Emissionen berücksichtigt werden und indirekte Emissionen für die Stromerzeugung keine Relevanz haben.
Es ist davon auszugehen, dass die Ermittlung grauer Emissionen für CBAM-Anmelder aufgrund dieser Änderungen künftig einfacher umzusetzen wird. Nichtsdestotrotz müssen Unternehmen auch künftig frühzeitig ein Verständnis dafür entwickeln, wie die Ermittlungsprozesse funktionieren, um die entsprechenden Daten im eigenen Unternehmen zielgerichtet sammeln zu können.
5. Erweiterte Möglichkeit für CBAM-Anmelder zur Geltendmachung von in einem Drittland gezahlten Kohlenstoffpreisen
Art. 9 Abs. 1 CBAM-VO sieht bisher die Möglichkeit eines CBAM-Anmelders vor, in der CBAM-Erklärung eine Verringerung der Anzahl der abzugebenden CBAM-Zertifikate geltend zu machen, um einem etwaigen im Ursprungsland für die angegebenen Emissionen entrichteten Kohlenstoffpreis Rechnung zu tragen und so Doppelbelastungen zu vermeiden.
Die während des Übergangszeitraums gesammelten Informationen zeigen, dass es teils schwierig ist, erforderliche Informationen über den in einem Drittland tatsächlich gezahlten Kohlenstoffpreis zu erhalten. Die neue Omnibus-Initiative sieht deshalb die Einführung von Standard-Kohlenstoffpreisen in Anlehnung an das Standardwerte-System (s.o.) vor. Abweichend von den bestehenden Vorschriften soll sich ein CBAM-Anmelder im Rahmen des Verringerungsantrags in seiner CBAM-Erklärung auf jährliche Standard-Kohlenstoffpreise berufen können, wenn der im Drittland bezahlte Kohlenstoffpreis nicht mehr ermittelt werden kann. Die Kommission soll ab dem Jahr 2027 Standard-Kohlenstoffpreise pro Drittland auf der Grundlage der besten verfügbaren Daten aus zuverlässigen, öffentlich zugänglichen Informationen und von Drittländern bereitgestellten Informationen.
Nicht adressiert hat die Kommission mit der Omnibus-Initiative aber diejenigen Kosten, die Unternehmen entstanden sind, weil sie Zertifikate auf dem freiwilligen Zertifikatemarkt erwarben. Insoweit würde selbst mit der Umsetzung der Omnibus-Initiative in der derzeitigen Fassung die bislang bestehende Rechtsunsicherheit nicht beseitigt.
Ungeachtet dieser Rechtsunsicherheit wird die Umsetzung der Omnibus-Initiative zumindest dazu führen, dass Unternehmen Ausgaben für Treibhausgasemissionen in Drittstaaten einfacher berücksichtigen lassen können. Das setzt allerdings voraus, dass sich Unternehmen einen Überblick darüber verschaffen, inwieweit ihre importierten Waren schon Gegenstand einer Bepreisung von Treibhausgasemissionen waren. Hierbei sollte insbesondere berücksichtigt werden, ob bei der Produktion verwendeter Strom preisliche Aufschläge enthält, die die Treibhausgasemissionen berücksichtigen, die bei dessen Erzeugung entstanden. Dies erfordert ein tiefes Verständnis der eigenen Lieferkette.
IV. Fazit & Ausblick
Für betroffene Unternehmen können die mit der Omnibus-Initiative vorgeschlagenen Anpassungen des CBAM eine Entlastung bedeuten. Das gilt insbesondere für Importeure unterhalb des Schwellenwertes und daher gerade für kleine und mittlere Unternehmen (KMU). Auch durch die gezielte Begrenzung der zu berücksichtigenden Vormaterialien auf bestimmte Ursprungsstaaten und eine vereinfachte Berechnungsmethodik soll der bürokratische Aufwand reduziert werden.
Die Änderung der CBAM-VO wurde inzwischen vom Europäischen Parlament und dem Rat angenommen und muss noch in der finalen Fassung im Amtsblatt der EU veröffentlicht werden. Die Änderungen werden dann drei Tage nach der Veröffentlichung in Kraft treten.
Unabhängig von der nun bevorstehenden Anpassung der CBAM-VO beabsichtigt die EU-Kommission zudem noch im Jahr 2025 eine komplette Überprüfung der CBAM-VO und deren Auswirkung auf andere, dem EU-ETS unterfallende Branchen und nachgelagerte Waren vorzunehmen. Insoweit ist denkbar, dass sich der Anwendungsbereich bei einer möglichen Anpassung an die vom EU-ETS erfassten Sektoren künftig erweitert.
In jedem Fall sollten betroffene Unternehmen die Entwicklungen sorgfältig im Auge behalten, um sich zielgerichtet auf die jeweils geltende Rechtslage einstellen zu können.