Öffentliches Recht

Schneller und effizienter Wohnungsbau: Bundestag beschließt ,,Bau-Turbo‘‘ – Was das neue Gesetz für Planung und Genehmigung bedeutet

Am 9. Oktober 2025 hat der Bundestag den sogenannten Bau-Turbo beschlossen. Mit dem Bau-Turbo verfolgt der Gesetzgeber das Ziel, die bislang häufig langwierigen Planungsverfahren im Wohnungsbau signifikant zu beschleunigen und zugleich die Handlungsspielräume für Gemeinden und Bauherren zu erweitern. 

Abweichen vom bestehenden Bauplanungsrecht (§ 246e BauGB n.F.)

Die prominenteste Regelung des neuen Gesetzes ist § 246e Abs. 1 Baugesetzbuch („BauGB“) n.F. Die Norm selbst wird ebenso wie das neue Gesetz als „Bau-Turbo“ bezeichnet. Der Bau-Turbo ermöglicht Abweichungen vom bestehenden Bauplanungsrecht für Vorhaben zum Wohnungsbau. Jede Abweichung vom Bauplanungsrecht steht jedoch unter ausdrücklichem Zustimmungsvorbehalt der Gemeinden, um deren Planungshoheit zu wahren (§ 246e Abs. 2 i.V.m. § 36a BauGB n.F.). Im Gegensatz zum gemeindlichen Einvernehmen kann die Zustimmung aus anderen Gründen als einem Verstoß gegen §§ 31, 33, 34, 35 BauGB verweigert werden. Sie kann nicht von der nächsthöheren Behörde ersetzt werden.

Die Gemeinden können die Zustimmung erteilen, wenn keine erheblichen Umwelt- oder Nachbarschaftsbelastungen zu erwarten sind. Entscheidet sich die Gemeinde für die Anwendung des Bau-Turbo, können zusätzliche Wohnungen bereits nach einer dreimonatigen Prüfphase genehmigt werden, ohne dass ein Bebauungsplan neu aufgestellt oder geändert werden muss. Dies schließt auch Bauen von Wohnraum ganz ohne Bebauungsplan mit ein. Das eröffnet die Möglichkeit, schnell und flexibel neuen Wohnraum zu schaffen. Im Außenbereich soll der Bau-Turbo jedoch nur begrenzt zur Anwendung kommen und die Wohnungsbauvorhaben müssen im unmittelbaren räumlichen Zusammenhang mit bestehenden Siedlungen stehen (§ 246e Abs. 3 BauGB n.F.). Damit wird die vorrangige Nutzung innerstädtischer Flächen für den Wohnungsbau unterstrichen. 

Zur Klarstellung: Dies macht nicht das Einholen einer Baugenehmigung nach dem jeweiligen Landesrecht obsolet. Länder können aber eigene Beschleunigungsinstrumente für das Erteilen einer Baugenehmigung vorsehen (z.B. Genehmigungsfiktion und verkürzte Beteiligungsfristen), so bereits eingeführt mit dem Gesetz für schnelleres Bauen in Baden-Württemberg, das am 28. Juni 2025 in Kraft getreten ist. Nach unserer Einschätzung könnte der Bau-Turbo mittelbar aber auch zu einer Verkürzung der Genehmigungsverfahren führen. Denn bei Anwendung des Bau-Turbos dürfte für die Genehmigungsbehörde der Prüfschritt „Entgegenstehen bauplanungsrechtlicher Belange“ entfallen. Der Prüfungsumfang würde sich auf ordnungsrechtliche Fragen, beispielsweise des Brandschutzes, beschränken.

Die Regelung ist bis zum 31. Dezember 2030 befristet. Das Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen („BMWSB“) wird die Wirksamkeit der neuen Regelungen bis Ende 2029 evaluieren und dabei vor allem prüfen, ob sie zur Schaffung neuen Wohnraums beitragen. Das BMSWB hat darüber hinaus FAQ zu dem neuen Gesetz veröffentlicht und will die Gemeinden und Bauherren mit Webinaren und einem „Bau-Turbo-Lab“ unterstützen.

Weitere zentrale Änderungen im Überblick

Das neue Gesetz ändert neben § 246e BauGB n.F. auch flankierende Regelungen, insbesondere §§ 9, 31 und 34 BauGB. Daneben werden bestehende Instrumente zur Beschleunigung von Bauvorhaben verlängert.

  • Erleichterungen beim Lärmschutz (§ 9 Abs. 1 Nr. 23a BauGB)

    § 9 Abs. 1 Nr. 23a BauGB sieht erleichterte Festsetzung von Lärmschutzregelungen vor. Gemeinden können nun konkrete Immissionsgrenzwerte festsetzen und dabei in „begründeten Fällen“ von den Vorgaben der TA-Lärm abweichen. Ziel ist es, Lärmkonflikte im Zuge von Nachverdichtungen, also dem Entstehen neuer Gebäude und Wohnungen innerhalb bestehender Stadtgebiete, pragmatisch zu lösen und damit zusätzliche Wohnbaupotenziale zu erschließen. Was unter begründeten Fällen zu verstehen ist, wird durch das Gesetz nicht definiert.

  • Befreiung vom Bebauungsplan (§ 31 Abs. 3 BauGB n.F.)

    § 31 Abs. 3 BauGB n.F. eröffnet die Möglichkeit, im Bereich eines bestehenden Bebauungsplans zusätzliche Wohnbebauung zuzulassen, auch über die ursprünglichen Vorgaben des Plans hinaus. So können etwa ganze Straßenzüge nachverdichtet werden, indem Aufstockungen, Anbauten oder das Bauen in zweiter Reihe ermöglicht werden. Dadurch entsteht neuer Wohnraum, ohne dass ein neuer Bebauungsplan aufgestellt werden muss, vorausgesetzt, die Vorhaben fügen sich in die städtebauliche Umgebung ein und öffentliche Belange stehen nicht entgegen. 

  • Abweichungen beim Bauen im unbeplanten Innenbereich (§ 34 Abs. 3b BauGB n.F.)

    Künftig können auch in unbeplanten Innenbereichen Wohngebäude errichtet werden, selbst wenn diese sich nicht vollständig in den Bebauungszusammenhang einfügen. Dadurch sollen Flächenpotenziale besser genutzt und neue Projekte erleichtert werden, insbesondere in Städten mit begrenztem Baugrund. Insbesondere nimmt die Bundesregierung an, dass dadurch weitere Nachverdichtungspotenziale im Innenbereich (z.B. Hinterlandbebauung) aktiviert werden können.

  • Verlängerung des Umwandlungsverbots (§ 250 BauGB)

    Mietwohnungen sollen auch künftig nicht ohne Weiteres in Eigentumswohnungen umgewandelt werden dürfen. Dieses Umwandlungsverbot bleibt ein zentrales Instrument, um Mieterinnen und Mieter vor Verdrängung aus ihrem vertrauten Wohnumfeld zu schützen. Daher wird der sogenannte Umwandlungsschutz in Gebieten mit angespanntem Wohnungsmarkt gemäß § 250 BauGB um weitere fünf Jahre verlängert. 

  • Verlängerung der Bestimmung von Gebieten mit einem angespannten Wohnungsmarkt (§ 201a BauGB)

    Ebenso wird die Regelung nach § 201a BauGB, die den Bundesländern die Möglichkeit gibt, Gebiete mit angespanntem Wohnungsmarkt auszuweisen, bis zum 31. Dezember 2031 verlängert. Dadurch erhalten Kommunen auch künftig steuernde Instrumente, um auf lokale Herausforderungen im Wohnungsbau flexibel zu reagieren. Dazu zählen insbesondere die vereinfachte Anwendung von Vorkaufsrechten, die Möglichkeit zu Befreiungen, sowie die Durchsetzung von Baugeboten.

  • Absicherung bestehender Betriebe (§ 216a BauGB n.F.)

    Mit dem neu eingeführten § 216a BauGB wird geregelt, dass eine nachträgliche Unwirksamkeit eines Bebauungsplans nicht dazu führt, dass gewerbliche oder industrielle Betriebe im Umfeld nachträglich eingeschränkt oder mit zusätzlichen Lärmschutzauflagen belastet werden. Dadurch sind bestehende Betriebe rechtlich abgesichert, wenn nachträglich Wohnnutzung in ihre Nähe gerückt ist, insbesondere bei formellen Fehlern in der Bauleitplanung.

Was bedeutet der Bau-Turbo für die Gemeinden?

Der Bau-Turbo eröffnet den Gemeinden einerseits, Verfahren zu vereinfachen und Handlungsspielräume für Wohnungsbau zu nutzen. Durch das ausdrückliche Zustimmungserfordernis wird die Planungshoheit der Gemeinden gewahrt; sie kann sich auch gegen die Anwendung dieser Möglichkeit entscheiden. 

Obwohl der Bau-Turbo nach außen hin eine Entbürokratisierung verspricht, führt es in den Gemeinden intern zu zusätzlichen Aufgaben. Die Umsetzung des neuen Gesetzes könnte zu Unsicherheiten führen, insbesondere im Hinblick auf unbestimmte Rechtsbegriffe („begründete Fälle“, § 9 Abs. 1 Nr. 23a BauGB). Zudem existieren für diese neuen Verfahren keine etablierten Abläufe wie bei standardisierten Planverfahren. Viele Kommunen sind daher gefordert, die Anwendung des § 246e BauGB neu zu organisieren, Mitarbeiter zu qualifizieren und interne Abstimmungsprozesse anzupassen.

Fazit 

Mit dem „Bau-Turbo“ sendet die Bundesregierung ein klares Signal für eine beschleunigte Schaffung von Wohnraum. Die befristeten Neuregelungen eröffnen den Gemeinden und Bauherren neue, praxisnahe Instrumente, um kurzfristig auf die angespannte Lage am Wohnungsmarkt zu reagieren. Zugleich bleibt die kommunale Planungshoheit gewahrt. Gemeinden entscheiden selbst, ob sie den Bau-Turbo anwenden wollen. 

Gleichwohl ist der „Bau-Turbo“ als kurzfristige Maßnahme zu verstehen und ersetzt keine grundlegenden strukturellen Reformen im Bau- und Planungsrecht. Vielmehr bildet das Gesetz einen ersten Schritt, dem – wie im Koalitionsvertrag vorgesehen – weitergehende Reformen des BauGB und der Baunutzungsverordnung folgen sollen. Die weitere Entwicklung bleibt mit Spannung zu verfolgen.

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