Öffentliches Recht

Nordrhein-Westfalen verabschiedet Bürgerenergiegesetz

Nordrhein-Westfalen hat seit dem 28. Dezember 2023 ein eigenes Bürgerenergiegesetz. Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Bürger- und Gemeindenbeteiligungsgesetz Mecklenburg-Vorpommern vom 23. März 2022 entsteht nun ein nationaler Flickenteppich mit unterschiedlichen Regelungen zur finanziellen Teilhabe an Windenergieanlagen. Der nationale Windenergieausbau wird dadurch weiter erschwert. 

Am 28. Dezember 2023 ist das Gesetz über die Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern sowie Gemeinden an der Windenergienutzung in Nordrhein-Westfalen (Bürgerenergiegesetz NRW – "BürgEnG") in Kraft getreten. Nach Mecklenburg-Vorpommern (BüGembeteilG, 2016) und Brandenburg (BbgWindAbgG, 2019) hat nun auch Nordrhein-Westfalen finanzielle Beteiligungspflichten für Vorhabenträger bei der Errichtung von genehmigungsbedürftigen Windenergieanlagen eingeführt. Da das Gesetz keine konkrete Beteiligungsform vorschreibt, verbleibt ein großer Umsetzungsspielraum. Von der direkten Beteiligung an dem Gesamtvorhaben oder an einzelnen Windenergieanlagen bis hin zu Anlageprodukten oder Direktzahlungen sind viele Optionen denkbar. Für Vorhabenträger wird in Zukunft entscheidend sein, ob der eigene Vorschlag einer Beteiligungsform auch die Zustimmung der jeweiligen Standortgemeinde findet.

Zweck des Gesetzes

Zweck des Gesetzes ist es, „durch die finanzielle Beteiligung von Einwohnerinnen und Einwohnern sowie Gemeinden an Bau und Betrieb von neuen Windenergieanlagen ein größtmögliches Maß an Akzeptanz und Teilhabe zu erreichen“ (§ 1 BürgEnG, Herv. d. Verf.). Der Landesgesetzgeber sieht in der Akzeptanz der Bevölkerung gegenüber Windenergieanlagen eine wichtige Stellschraube für die zügige Genehmigung und Realisierung der Ausbauvorhaben und dadurch einen wesentlichen Schritt auf dem Weg zur Klimaneutralität. Indem das Gesetz die verpflichtende Beteiligung auch für Bürgerinnen und Bürger vorsieht, soll die freiwillige finanzielle Beteiligungsmöglichkeit von Gemeinden aus § 6 EEG ergänzt werden.

Wer ist Verpflichteter?

Das Gesetz nimmt Vorhabenträger in die Pflicht, der Standortgemeinde ein Angebot zur finanziellen Beteiligung der Beteiligungsberechtigten am Ertrag des Vorhabens zu machen (§ 7 Abs. 1 BürgEnG). Vom Anwendungsbereich erfasst ist sowohl die Errichtung von genehmigungsbedürftigen Windenergieanlagen in Nordrhein-Westfalen nach § 4 Abs. 1 Bundes-Immissionsschutzgesetz ("BImSchG") und der vollständige Austausch von Anlagen bei einem Repowering (§ 2 Abs. 1 BürgEnG). Zu den Vorhabenträgern gehören neben den Antragstellern der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung für die beabsichtigte Errichtung von Windenergieanlagen auch die Betreiber der Windenergieanlagen und jeweils die Rechtsnachfolger (vgl. § 3 Abs. 1 BürgEnG). Bürgerenergiegesellschaften hingegen sind nach § 2 Abs. 5 BürgEnG ausdrücklich nicht vom Anwendungsbereich des Gesetzes erfasst. Bürgerenergiegesellschaften sind – ohne eine bestimmte Gesellschaftsform vorauszusetzen – Zusammenschlüsse lokal verankerter Personen zu einem gemeinsamen Zweck (zu den einzelnen Voraussetzungen vgl. § 3 Nr. 15 EEG). Der Bundesgesetzgeber sieht für Bürgerenergiegesellschaften Ausnahmen von Ausschreibungspflichten für Windenergieanlagen an Land und Solaranlagen vor, um so die lokale Akzeptanz zu stärken. Dieser mit dem BürgEnG gemeinsame Zweck würde konterkariert, wenn Bürgerenergiegesellschaften nun landesrechtlich beteiligungsverpflichtet würden. 

Wer ist beteiligungsberechtigt?

Aussicht auf eine finanzielle Beteiligung haben nach dem BürgEnG Gemeinden, deren Gemeindegebiet zumindest teilweise innerhalb eines um die Windenergieanlage gelegenen Umkreises von 2.500 Metern um die Turmmitte der Windenergieanlage liegt. Auch natürliche Personen, die zum Zeitpunkt der Erteilung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung seit mindestens drei Monaten ihren Haupt- oder Nebenwohnsitz innerhalb einer solchen Gemeinde haben, sind beteiligungsberechtigt.

Wie läuft die Beteiligung ab?

Beteiligungsvereinbarung

Das vom Vorhabenträger zu erstellende Angebot muss eine finanzielle Beteiligung der Beteiligungsberechtigten vorsehen. Ausweislich der Gesetzesbegründung wird in der Standortgemeinde der ideale Vertragshandlungspartner gesehen, damit die Bedürfnisse und Gegebenheiten vor Ort möglichst umfassend in die Wahl einer Beteiligungsform einfließen. Betont wird auch die große Flexibilität bei der Ausgestaltung einer Beteiligungsvereinbarung. § 7 Abs. 3 BürgEnG sieht verschiedene – nicht abschließend aufgeführte – Möglichkeiten der direkten und indirekten finanziellen Beteiligung an einem Windenergievorhaben vor, darunter:

  • eine Beteiligung an der Projektgesellschaft des Vorhabens,
  • das Angebot über den Kauf einer oder mehrerer Windenergieanlagen,
  • die finanzielle Beteiligung über Anlageprodukte,
  • vergünstigte lokale Stromtarife und Sparprodukte,
  • pauschale Zahlungen an einen definierten Kreis von Anwohnerinnen und Anwohnern oder Gemeinden,
  • die Finanzierung gemeinnütziger Stiftungen oder Vereine oder
  • die finanzielle, gesellschaftsrechtliche oder anderweitige Beteiligung von Bürgerenergiegesellschaften, Genossenschaften, Gemeinden oder im überwiegenden Eigentum der beteiligungsberechtigten Gemeinden stehenden Unternehmen.

Ersatzbeteiligung und Ausgleichsabgabe

Insbesondere in der Beteiligung von Bürgerenergiegesellschaften sieht der Landesgesetzgeber ein Mittel für größtmögliche Akzeptanzgewinne. Während sich eine finanzielle Beteiligung organisatorisch durch Zahlungsvereinbarungen vergleichsweise einfach abbilden lassen dürfte, wird die Praxis zeigen, welche Formen beispielsweise der gesellschaftsrechtlichen Beteiligung von Organisation der Projekt-/Betreibergesellschaft im Einzelfall tatsächlich praktikabel sind.

Kommt eine Beteiligungsvereinbarung nicht zustande, ist in § 8 BürgEnG die Ersatzbeteiligung als nachrangiges Modell vorgesehen. Die Ersatzbeteiligung setzt sich aus zwei Einzelpflichten zusammen: einer jährlichen Zahlung in Höhe von 0,2 Cent pro erzeugter Kilowattstunde über 20 Jahre an die beteiligungsberechtigten Gemeinden ab Inbetriebnahme und einer Offerte für eine Eigenkapitalbeteiligung in Form eines Nachrangdarlehens an die beteiligungsberechtigten Personen. Kommt der Vorhabenträger diesen Pflichten nicht nach, kann die zuständige Behörde (Ministerium für Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz und Energie des Landes Nordrhein-Westfalen) den Vorhabenträger zur Zahlung einer Ausgleichsabgabe in Höhe von 0,8 Cent pro Kilowattstunde verpflichten.

Ausblick

Mit dem BürgEnG hat sich nun auch Nordrhein-Westfalen für die landesrechtliche Einführung finanzieller Beteiligungspflichten bei der Errichtung von Windenergieanlagen entschieden. Auch in anderen Bundesländern sind bereits konkrete Gesetzesvorhaben bekannt geworden. So sollen insbesondere in Niedersachsen, Thüringen und Sachsen-Anhalt zeitnah Gesetzesentwürfe in die Landesparlamente eingebracht werden. 

Damit entsteht ein nationaler Flickenteppich unterschiedlicher Teilhabegesetze in Deutschland. Auch wenn seitens der Länder eine einheitliche Gestaltung entsprechender Gesetze angestrebt wird, müssen Vorhabenträger und Anlagenbetreiber bis dahin die landespezifischen Besonderheiten im Blick behalten. Mit § 6 EEG besteht dabei bereits eine bundeseinheitliche Möglichkeit der finanziellen Beteiligung von Gemeinden an Windenergieanlagen; diese Möglichkeit mag zwar nicht den Detaillierungsgrad der Landesregelungen aufweisen und ist zudem auch nicht verpflichtend ausgestaltet, sie bietet aber den Vorteil, dass national agierende Vorhabenträger die Projektbedingungen unterschiedlicher Vorhaben übertragen können. Sachgerechter wäre es mithin, die bundesweit einheitliche Reglung des § 6 EEG zu einer – mit den Ländern abgestimmten – Pflichtvorschrift zu machen, um die Zersplitterung der Rechtslage zu vermeiden.

Weiterleiten