Mergers and Acquisitions

M&A-Update: Erneute Verschärfung der deutschen Investitionskontrolle

Die Bundesregierung hat mit Kabinettsbeschluss vom 19. Dezember 2018 entschieden, die Regeln zur Kontrolle ausländischer Investitionen in deutsche Unternehmen erneut zu verschärfen:

  • Ausländische Investitionen im Bereich kritischer Infrastrukturen und besonders sicherheitsrelevanter Sektoren sollen schon ab einem Stimmrechtsanteil des ausländischen Investors von 10 % (und nicht erst – wie bislang – ab 25 %) durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie („BMWi“) kontrolliert werden können.
  • In dem Zusammenhang wird auch der Kreis kritischer Infrastrukturen auf Teile der Medienwirtschaft ausgedehnt.
  • In Zukunft werden deshalb deutlich mehr M&A-Transaktionen der Prüfkompetenz des BMWis unterfallen. Obwohl die Voraussetzungen, unter denen das Ministerium eine Transaktion untersagen oder beschränken kann, unverändert bleiben, gehen mit dieser Reform zusätzliche Einschränkungen für die internationale M&A-Praxis einher.

Die Änderung tritt am Tag nach der Verkündung im Bundesanzeiger in Kraft, die zeitnah zu erwarten ist.

Investitionskontrolle nach bisheriger Rechtslage

Durch die am 19. Dezember 2018 vom Bundeskabinett beschlossene Änderung der Außenwirtschaftsverordnung („Änderungsverordnung“) soll das BMWi sicherheitsrelevante Beteiligungen ausländischer Investoren bereits ab einem Stimmrechtsanteil von 10 % überprüfen dürfen. Bislang lag die Prüfschwelle des BMWi in der deutschen Investitionskontrolle bei 25 % der Stimmrechte, d.h. das BMWi darf einen Anteilskauf derzeit nur dann prüfen, wenn der ausländische Investor nach dem Anteilserwerb 25 % der Stimmrechte eines deutschen Unternehmens erreicht oder überschreitet. Ab Erreichen dieser Schwelle unterscheidet die Außenwirtschaftsverordnung („AWV“) zwei Formen der Investitionskontrolle:

  • Im Bereich der sektorübergreifenden Investitionskontrolle, bei der das Prüfungsrecht des BMWis unabhängig davon besteht, zu welcher Branche das inländische Zielunternehmen gehört, können Anteilserwerbe von ausländischen Investoren untersucht werden, die weder in der EU noch in der Europäischen Freihandelszone ansässig sind. Ein Anteilskauf ist in diesem Bereich gegenüber dem BMWi nur meldepflichtig, wenn die Transaktion in bestimmten Branchen, den sog. kritischen Infrastrukturen, stattfindet. Zu kritischen Infrastrukturen gehören bislang die Bereiche Energie, Wasser, Ernährung, Telekommunikation, Transport sowie das Finanz-, Versicherungs- und Gesundheitswesen.
  • Der Anwendungsbereich der sektorspezifischen Investitionskontrolle ist demgegenüber nur eröffnet, wenn das inländische Zielunternehmen in einem besonders sicherheitsrelevanten Industriebereich tätig ist, beispielsweise der Herstellung oder Entwicklung von Kriegswaffen und militärischer Ausrüstung sowie von Produkten mit IT-Sicherheitsfunktionen zur Verarbeitung staatlicher Verschlusssachen. Derartige Investitionen unterliegen sogar einem Freigabevorbehalt, der überdies auch für Investoren aus dem EU-Ausland gilt.

Senkung des Schwellenwerts

Durch die Änderungsverordnung soll der Schwellenwert für ausländische Investitionen in kritische Infrastrukturen und Unternehmen, die aufgrund ihrer besonderen Sicherheitsrelevanz der sektorspezifischen Investitionskontrolle unterliegen, von 25 % auf 10 % der Stimmrechte abgesenkt werden. Das heißt, sobald ein ausländischer Investor durch einen Anteilserwerb 10 % der Stimmrechte an Unternehmen im Bereich kritischer Infrastrukturen erreicht oder überschreitet, besteht für diesen Erwerbsvorgang eine Meldepflicht gegenüber dem BMWi; bei Unternehmenskäufen auf dem Gebiet der sektorspezifischen Investitionskontrolle besteht bei einem Erwerb von 10 % oder mehr der Stimmrechte die Notwendigkeit, eine Freigabe durch das BMWi einzuholen. Das Prüfungsrecht des BMWi weitet sich dadurch erheblich aus.

Mit der Änderungsverordnung löst sich die Bundesregierung von der 25 %-Schwelle, die bislang damit begründet wurde, dass ab dieser Schwelle eine Sperrminorität mit einem bestimmenden Einfluss auf die Geschäftsführung bestehen kann. Zur Begründung der 10 %-Schwelle, die sogar unterhalb der von Wirtschaftsminister Peter Altmaier geforderten 15 %-Schwelle liegt, bezieht sich die Bundesregierung auf die Benchmark-Definition der OECD (2008). Danach liege eine Direktinvestition, die durch ein langfristiges Interesse und den Kontrollanspruch des Investors gekennzeichnet ist, regelmäßig schon vor, wenn sich der Erwerber mit mindestens 10 % am Unternehmen beteiligt.

Hintergrund der Senkung des Schwellenwerts für die deutsche Investitionskontrolle dürften aber vor allem Übernahmen und Beteiligungserwerbe durch chinesische Investoren und nicht zuletzt auch der Fall 50Hertz sein: Das Chinesische Staatsunternehmen State Grid Corporation of China plante im Sommer 2018, 20 % der Anteile an 50Hertz – einem der vier deutschen Stromübertragungsnetzbetreiber – zu erwerben. Der geplante Erwerb lag unterhalb des Schwellenwerts von 25 % der Stimmrechte und damit außerhalb des Anwendungsbereichs der aktuellen deutschen Investitionskontrolle. Um den Erwerb unter Verweis auf sicherheitspolitische Bedenken zum Schutz kritischer Infrastrukturen dennoch zu verhindern, wies die Bundesregierung schließlich die staatseigene KfW an, den entsprechenden Anteil an 50Hertz zu erwerben. So machte der Fall 50Hertz die Grenzen der deutschen Investitionskontrolle deutlich.

Erweiterung der kritischen Infrastrukturen auf Unternehmen der Medienwirtschaft

Zu den kritischen Infrastrukturen gehören nach der Änderungsverordnung zukünftig auch Unternehmen der Medienwirtschaft, die „mittels Rundfunk, Telemedien oder Druckerzeugnissen zur öffentlichen Meinungsbildung beitragen und sich durch besondere Aktualität und Breitenwirkung auszeichnen“. Entsprechende Investitionen in diese Branche, die den neuen Schwellenwert von 10 % erreichen, werden damit ebenfalls einer Meldepflicht gegenüber dem BMWi unterworfen und das Prüfungsrecht des Ministeriums auslösen.

Auswirkungen auf die M&A-Praxis

Im Bereich der kritischen Infrastrukturen und der sektorspezifischen Investitionskontrolle wird sich die Senkung des Schwellenwerts erheblich auf die M&A-Praxis auswirken. Ausländische Investitionen in diesen Sektoren werden nunmehr bereits ab einem Stimmrechtsanteil von 10 % melde- bzw. (im Rahmen der sektorspezifischen Kontrolle) freigabepflichtig sein und der Prüfungsbefugnis des BMWi unterliegen. Im Ergebnis wird das BMWi auch kleinere Transaktionen daraufhin prüfen dürfen, ob diese die öffentliche Ordnung oder Sicherheit oder wesentliche Sicherheitsinteressen der Bundesrepublik Deutschland gefährden. Auch in vielen Fällen von Minderheitsbeteiligungen an deutschen Unternehmen unter 25 % der Stimmrechte ist deshalb in Zukunft eine detaillierte Risikoanalyse geboten, die das Geschäftsfeld des Zielunternehmens, den Erwerber und etwaige Sicherheitsbedenken unter die Lupe nimmt. Zudem kann es in einigen dieser Fälle zukünftig ratsam oder sogar geboten sein, mehr Zeit zwischen Signing und Closing einzuplanen.

Außerhalb des Bereichs kritischer Infrastrukturen und der sektorspezifischen Investitionskontrolle wird sich die Rechtslage durch die Änderungsverordnung dagegen nicht ändern. Hier bleibt es dabei, dass das BMWi solche Investitionen erst dann auf eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland prüfen darf, wenn die Investition den Erwerb von mindestens 25 % der Stimmrechte zum Gegenstand hat.

Weitere Änderungen der Außenwirtschaftsverordnung zum Boykottverbot

Die Änderungsverordnung sieht darüber hinaus u.a. vor, dass das Boykottverbot eingeschränkt werden soll. Bislang gilt, dass Unternehmen und Privatpersonen nach deutschem Recht keine Erklärung im Außenwirtschaftsverkehr abgeben dürfen, wonach sie sich an einem Boykott gegenüber einem anderen Staat beteiligen. Die Änderungsverordnung sieht nun vor, dass dieses Boykottverbot dann nicht gilt, wenn gegen den betreffenden Staat auch der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen, der Rat der Europäischen Union oder die Bundesrepublik Deutschland wirtschaftliche Sanktionsmaßnahmen beschlossen hat. Die praktische Handhabe unterschiedlicher weltweiter Sanktionen soll dadurch für die Unternehmen erleichtert werden. Ob dies gelingt, erscheint jedoch offen, da in Anbetracht der US-Sanktionen gegen den Iran kürzlich der Anwendungsbereich der Blocking-Statute der EU, Verordnung (EG) Nr. 2271/96, erweitert wurde.

Gleiss Lutz Kommentar

Die Regeln zur Kontrolle ausländischer Investitionen in Deutschland sind bereits im Juli 2017 deutlich verschärft worden. Damals standen Verfahrensfragen im Vordergrund der Verordnungsnovelle. Insbesondere wurden die Prüfungsfristen für das BMWi erheblich verlängert und Meldepflichten für Transaktionen im Bereich kritischer Infrastrukturen eingeführt. In diesen Trend zur Verschärfung der deutschen Investitionskontrolle reiht sich auch die aktuelle Änderungsverordnung ein. Ausländische Investitionen im Bereich kritischer Infrastrukturen und besonders sicherheitsrelevanter Sektoren sollen schon ab einem Stimmrechtsanteil von 10 % durch das BMWi kontrolliert werden können. Obwohl die Voraussetzungen, unter denen das BMWi eine Transaktion untersagen oder beschränken kann, unverändert bleiben, gehen mit dieser Reform zusätzliche Einschränkungen für die internationale M&A-Praxis einher. Denn in Zukunft werden deutlich mehr Transaktionen der Prüfkompetenz des BMWi unterfallen.

Die in der Änderungsverordnung vorgesehene Branchendefinition von „Unternehmen der Medienwirtschaft“ ist denkbar offen und überlässt dem BMWi mit einer Reihe von unbestimmten Rechtsbegriffen einen weiten Einschätzungsspielraum, ob nun eine kritische Infrastruktur betroffen ist oder nicht. Die Verordnungsbegründung fängt diese Offenheit nicht ausreichend ein. Durch die Unbestimmtheit dieser Branchendefinition kann bei Transaktionen in diesem Bereich, die zum Erwerb von Stimmrechtsanteilen zwischen 10 % und 25 % führen, in Zukunft unsicher sein, ob eine Meldepflicht greift und ob das Prüfungsrecht des BMWi ausgelöst wird. Das hätte durch eine eindeutigere Verordnungsfassung vermieden werden können.

Weiterleiten