Mit der zunehmenden Bedeutung von Homeoffice in der Arbeitswelt gehen auch vermehrt rechtliche Fragestellungen einher. Insbesondere die Anordnung und der Widerruf einer Homeoffice-Tätigkeit durch den Arbeitgeber werden in unterschiedlichen Sachverhaltskonstellationen zum Thema. Das Landesarbeitsgericht München entschied nun über die Weisung eines Arbeitgebers, mit der dieser die Homeoffice-Tätigkeit eines Arbeitnehmers beendete und den Arbeitnehmer aufforderte, an den Büroarbeitsplatz zurückzukehren. Das Gericht ging im konkreten Fall von der Rechtmäßigkeit der Weisung aus.
LAG München, Urteil vom 26. August 2021 – 3 SaGa 13/21
Sachverhalt
Der Arbeitgeber beschäftigte den Arbeitnehmer als Grafiker. Der Arbeitnehmer erbrachte seine Tätigkeit seit Dezember 2020 aufgrund einer Erlaubnis des Geschäftsführers überwiegend im Homeoffice. Nachdem sich der Arbeitnehmer aus dem Homeoffice zunächst noch elektronisch zur Arbeit an- und abmeldete, stellte er diese Meldungen im weiteren Verlauf seiner Tätigkeit ein und nahm zwischen Januar und März 2021 an diversen virtuellen Mitarbeitermeetings trotz Einladung ohne Angabe von Gründen nicht mehr teil. Der Arbeitgeber mahnte den Arbeitnehmer ab und ordnete die Anwesenheit des Arbeitnehmers im Betrieb zu den regelmäßigen Bürozeiten an. Der Arbeitnehmer begehrte im Rahmen eines einstweiligen Verfügungsverfahrens, seine Tätigkeit weiterhin im Homeoffice zu erbringen und nur in Ausnahmefällen im Betrieb anwesend sein zu müssen. Er stützte sich dabei insbesondere auf § 2 Abs. 4 SARS-CoV-2-ArbSchV in der damaligen Fassung.
Entscheidung des LAG München
Das LAG entschied, dass der Arbeitgeber nicht verpflichtet ist, den Arbeitnehmer weiterhin im Homeoffice zu beschäftigen. Der Arbeitgeber könne grundsätzlich den Ort der Arbeitsleistung gem. § 106 GewO nach billigem Ermessen bestimmen. Das Weisungsrecht umfasse auch das Recht des Arbeitgebers, eine einmal erteilte Weisung mit Wirkung für die Zukunft wieder zurückzunehmen. Dies berechtige folglich auch, eine Homeoffice-Tätigkeit durch Weisung wieder zu beenden. Vor diesem Hintergrund durfte der Arbeitgeber im vorliegenden Fall den Arbeitsort durch Weisung neu bestimmen. Der Arbeitsort sei weder arbeitsvertraglich noch durch spätere Vereinbarung auf die Wohnung des Arbeitnehmers festgelegt worden.
Die Weisung des Arbeitgebers habe die Grenzen billigen Ermessens gewahrt, da zwingende betriebliche Gründe der Ausübung der Tätigkeit des Klägers im Homeoffice entgegenstanden. So entsprach die technische Ausstattung am häuslichen Arbeitsplatz nicht der am Bürostandort. Zudem sei nicht gewährleistet gewesen, dass Daten in vergleichbarer Weise wie unter Nutzung des Firmennetzwerks vor dem Zugriff Dritter geschützt seien. Auch das allgemeine Risiko einer Ansteckung mit Covid-19 stünde der Weisung nicht entgegen, da dieses durch ein Hygienekonzept und Einzelbüros am Standort des Arbeitgebers als gering einzuschätzen war.
Ein Recht auf Homeoffice ergebe sich auch nicht aus § 2 Abs. 4 SARS-CoV-2-ArbSchV in der damaligen Fassung. Nach dem Willen des Verordnungsgebers sollte die Regelung kein subjektives durchsetzbares Recht des Arbeitnehmers auf Homeoffice vermitteln.
Im Übrigen verwies das Gericht darauf, dass ein allgemeiner gesetzlicher Anspruch auf Homeoffice nicht bestehe. Nur ganz ausnahmsweise sei der Arbeitgeber verpflichtet, einer Tätigkeit des Arbeitnehmers im Homeoffice zuzustimmen. Solche besonderen Situationen, etwa wenn der Arbeitnehmer aufgrund seiner körperlichen Konstitution oder Betreuungs- und Pflegepflichten gegenüber nahen Angehörigen nicht mehr zur Leistungserbringung am Arbeitsplatz in der Lage sei, lägen im konkreten Fall jedoch nicht vor.
Bewertung und Folgen für die Praxis
Das Urteil liegt auf der Linie der bislang in diesem Zusammenhang ergangenen Rechtsprechung (u.a. ArbG Berlin 10. August 2020 – 19 Ca 13189/19; LAG Köln 12. April 2021 – 2 SaGa 1/21). Die Gerichte verneinen in den konkreten Einzelfällen ein subjektives Recht des Arbeitnehmers auf eine Tätigkeit im Homeoffice. Sie stützen sich insbesondere auf das Fehlen eines allgemeinen gesetzlichen Anspruchs auf Homeoffice und der damit einhergehenden gesetzgeberischen Grundentscheidung. Die Hürden für eine ermessensgerechte Versagung einer Homeoffice-Tätigkeit setzt das LAG München nicht hoch an und betont damit die Organisationshoheit des Arbeitgebers.
Ob sich dieser Maßstab in naher Zukunft ändern wird, ist noch unklar. Der Koalitionsvertrag der Ampel-Regierung sieht für Beschäftigte in geeigneten Tätigkeiten einen Erörterungsanspruch über mobiles Arbeiten und Homeoffice vor. Dem Homeoffice-Wunsch sollen Arbeitgeber nur dann widersprechen können, wenn betriebliche Belange entgegenstehen. Eine Ablehnung dürfe nicht sachfremd oder willkürlich sein. Dies deutet zumindest daraufhin, dass der Organisationshoheit des Arbeitgebers weiterhin ein hoher Rang eingeräumt wird.
Ob und unter welchen Voraussetzungen der Arbeitgeber die Rückkehr aus dem Homeoffice anordnen kann, hängt zudem davon ab, welche Regelungen die Parteien hierzu in einer etwaigen Homeoffice-Vereinbarung geschlossen haben. Daher ist zu einer vorausschauenden Vertragsgestaltung zu raten.