Wird ein Betrieb derart umstrukturiert, dass einzelne Filialen einem anderen Betrieb zugeordnet werden, so soll diese Neuzuordnung für die in der neuzugeordneten Filiale tätigen Arbeitnehmer eine personelle Einzelmaßnahme darstellen, selbst, wenn sich außer der Zuordnung zu dem anderen Betrieb keine Änderung der Tätigkeit ergibt. Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig.
LAG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 11. März 2021 – 10 TaBV 811/20
Sachverhalt
Die Beteiligten, die Arbeitgeberin und ein Betriebsrat streiten darüber, ob der Arbeitgeber mittels einer Umstrukturierung Einstellungen und Versetzungen iSd. §§ 99 Abs. 1, 95 Abs. 3 BetrVG vorgenommen hat. Die Arbeitgeberin betreibt in Berlin mehrere Kaffeehäuser, die in sog. Distrikten zusammengefasst sind. Jeder Distrikt stellt einen Betrieb dar, die meisten Distrikte (Betriebe) verfügen über Betriebsräte. Im November 2019 änderte die Arbeitgeberin die Zuordnung der Kaffeehäuser zu den Distrikten (Betrieben) und ordnete manche bisher dem Distrikt Berlin 2 zugeordneten Kaffeehäuser dem Distrikt Berlin 1 zu, ohne die Betriebsräte zu beteiligen. Der Betriebsrat des Distrikts Berlin 1 ist der Ansicht, die Zuordnung der Filialen zum Distrikt Berlin 1 stelle für die in den betroffenen Filialen tätigen Arbeitnehmer eine Einstellung iSd. § 99 Abs. 1 BetrVG dar, die er wegen Verstoßes gegen § 99 Abs. 1 BetrVG aufzuheben habe. Soweit Filialen, welche bisher dem Distrikt Berlin 1 zugeordnet waren, dem betriebsratslosen Distrikt 5 zugeordnet wurden, handele es sich um eine Versetzung, die ebenfalls aufzuheben sei. Die Arbeitgeberin verneint dies mit dem Hinweis, bis auf die geänderte Distriktszuordnung habe sich die Tätigkeit der betroffenen Arbeitnehmer nicht geändert. Das ArbG hat die Anträge des Betriebsrats zurückgewiesen.
Entscheidung
Auf die Beschwerde des Betriebsrats gab das LAG den Anträgen des Betriebsrats statt. Das LAG verweist zunächst umfangreich auf einen Beschluss der 15. Kammer des LAG Berlin-Brandenburg zu einer Neuzuordnung der Kaffeehäuser der Arbeitgeberin in einem einstweiligen Verfügungsverfahren. Darin kam die 15. Kammer zu dem Schluss, die Neuzuordnung stelle keine beteiligungspflichtige Versetzung dar, da die betroffenen Arbeitnehmer ihre Arbeit in dem jeweiligen Kaffeehaus in unveränderter Form verrichteten. Dann begründet die 10. Kammer ihre abweichende Beurteilung: Die betroffenen Arbeitnehmer würden aus einer betrieblichen Einheit herausgenommen und einer anderen betrieblichen Einheit zugewiesen, dies habe das BAG bereits im Jahr 1990 als Versetzung angesehen. Das LAG ließ wegen der grundsätzlichen Bedeutung die Rechtsbeschwerde zu.
Gleiss Lutz kommentiert
Die noch nicht rechtskräftige Entscheidung – die Rechtsbeschwerde ist beim BAG unter 7 ABR 8/21 anhängig – überzeugt nicht. Der Verweis auf das BAG-Urteil trägt ebenso wenig. Darin heißt es unter anderem: „Überdies ist schon nach dem allgemeinen Sprachgebrauch eine Versetzung gerade die Zuweisung eines anderen Dienst- oder Arbeitsortes, ohne daß danach differenziert wird, ob der neue Arbeitsort sich im selben oder einem anderen Betrieb des Unternehmens befindet.“ Nun heißt es, die Entscheidung des BAG zu dieser für die Praxis sehr relevanten Frage abzuwarten.