Arbeitsrecht

KI als Vorgesetzte?

Mit steigender Leistungsfähigkeit von Systemen künstlicher Intelligenz (KI) erscheint es zunehmend realistischer, nicht nur Arbeitsaufgaben selbst durch ein intelligentes System erledigen zu lassen, sondern auch die Organisation von Arbeitsaufgaben und die damit verbundenen Entscheidungen, wie die Belegschaft eingesetzt wird. Tritt die KI dabei unmittelbar gegenüber Mitarbeitern auf und erteilt diesen Weisungen, sind neben Anforderungen der DSGVO unter anderem die Grenzen billigen Ermessens zu berücksichtigen.

Effizientere Arbeitsorganisation dank KI

Die Vorteile des Einsatzes von KI liegen auf der Hand. KI kann in Echtzeit zur Verfügung stehende Daten in die Entscheidungsfindung einbeziehen. Eine Vielzahl an Entscheidungen können parallel getroffen werden. Sachfremde Erwägungen im Rahmen der Entscheidungsfindung können vermieden werden. Das gilt z. B. für persönliche Sympathien zu einzelnen Mitarbeitern oder der Einbeziehung persönlicher Motive. Abhängig von der Datenlage und den gesetzten Parametern verspricht die Einbeziehung von KI eine möglichst effiziente und objektive Aufgabenzuweisung.

Bereits heute gibt es zahlreiche Anwendungsfelder, in denen sich Arbeitgeber im Arbeitsalltag KI bedienen. So kann die Personaleinsatzplanung durch KI unterstützt werden. Arbeitszeitkonten und Urlaubstage einzelner Arbeitnehmer können trotz großer Datenmengen berücksichtigt werden. Gleiches gilt für Qualifikationen, etwaige Einsatzbeschränkungen und Kundenwünsche. Die Vorauswahl von Bewerbern kann ebenso wie die Dokumentation des Bewerbungsverfahrens einer KI überlassen werden. Im Mobilitätsbereich kann eine KI Kraftfahrern oder Außendienstmitarbeitern vorgeben, welche Strecke genutzt oder welche Rastplätze oder Tankstelle angesteuert werden soll.

Es ist damit zu rechnen, dass sich Anzahl und Qualität der auf die Arbeitswelt zugeschnittenen KI-Anwendungen in den nächsten Jahren stark erhöhen werden.

Übertragung des Weisungsrechts an KI

Arbeitgeber dürfen ihr Weisungsrecht an Dritte übertragen. Als „Dritte“ kommen dabei KI-Systeme in Betracht. Weisungen durch KI sind im deutschen Rechtsraum damit grundsätzlich denkbar. Entscheidend ist, dass sich entsprechende Weisungen bis zum Arbeitgeber zurückverfolgen lassen: Die konkrete Weisung wird zwar von einer KI formuliert, die Grundentscheidung zur Einführung der KI sowie zu Modalitäten und Bandbreite möglicher KI-Entscheidungen ist aber durch den Arbeitgeber zu treffen. KI-basierte Weisungen sind daher anhand einer „Legitimationskette“ dem Arbeitgeber zuzurechnen.

Verbot automatisierter Entscheidungen, Art. 22 DSGVO

Eine Begrenzung finden KI-basierte Weisungen in dem Verbot automatisierter Einzelentscheidungen, Art. 22 I DSGVO. Danach darf der Arbeitnehmer nicht einer ausschließlich automatisierten Entscheidung unterworfen werden, wenn die Entscheidung ihm gegenüber „rechtliche Wirkung entfaltet“ oder ihn „in ähnlicher Weise erheblich beeinträchtigt“. Arbeitgeberseitige Entscheidungen, die die Hauptpflichten des Arbeitsverhältnisses betreffen und rechtliche Wirkung entfalten, können daher nicht vollständig an KI-Systeme delegiert werden. Das betrifft insbesondere Entscheidungen zu Einstellungen, Kündigungen oder Beförderungen. ​

Der Arbeitgeber muss also in solchen Fällen die eigentliche Entscheidung treffen und darf diese nicht an eine KI übertragen. KI kann aber zur Vorbereitung der Entscheidungen genutzt werden. Vorstellbar ist damit z. B. die KI-basierte Analyse von Leistungsdaten einzelner Mitarbeiter, um eine von einem menschlichen Vorgesetzten zu treffende Beförderungsentscheidung vorzubereiten. Auch alltägliche (fachliche) Weisungen, die bestehende Arbeitspflichten konkretisieren, können durch KI erfolgen. Die Rechtsposition des Arbeitnehmers wird durch derartige Weisungen nicht um-, sondern lediglich ausgestaltet.

Mehr Gestaltungsspielraum besteht, wenn der Arbeitnehmer der Entscheidungsfindung durch KI zustimmt. Das Verbot gilt nach Art. 22 II Buchst. c DSGVO nicht, wenn die automatisierte Entscheidung mit ausdrücklicher Einwilligung des betroffenen Arbeitnehmers erfolgt. Die einer automatisierten Entscheidung zu Grunde liegenden Tatsachen sind in diesem Fall dem Arbeitnehmer mitzuteilen, Art. 13 II Buchst. f, Art. 14 II Buchst. g DSGVO. Der Betroffene soll so in die Lage versetzt werden, sich mit der automatisierten Entscheidung auseinanderzusetzen. Ob größere Gruppen von Arbeitnehmern einer entsprechenden Auslagerung von Entscheidungen auf KI in der Praxis tatsächlich zustimmen werden, erscheint zweifelhaft.

Billigkeit als Grenze des Weisungsrechts

Weisungen müssen billigem Ermessen entsprechen, § 106 GewO i.V.m. § 315 BGB. Das gilt auch für Weisungen durch KI. Die Möglichkeit von unbilligen Weisungen schließt dabei den Einsatz KI nicht aus. Eine Weisung genügt billigem Ermessen, wenn die wesentlichen Umstände des Falles abgewogen und die Interessen des Arbeitnehmers angemessen berücksichtigt werden. Erforderlich hierfür ist, dass die KI über die nötigen Informationen verfügt, d. h. die Interessen des Arbeitnehmers und die betrieblichen Interessen kennt und diese Interessen anhand vorgegebener Parameter gegeneinander abwiegt. Der Arbeitgeber trägt die Darlegungs- und Beweislast für die Billigkeit.

Fazit

Die rechtliche Bewertung von KI als Weisungsgeberin ist noch nicht abgeschlossen. Wer als Arbeitgeber die Einführung von KI-Systemen vorbereiten will, kann etwa durch den Abschluss einer Rahmenbetriebsvereinbarung den Weg ebnen.

Die frühzeitige Einbeziehung des Betriebsrats ist nicht nur empfehlenswert, um die nächsten Schritte und einen Zeitplan zur Einführung der KI festzulegen, sondern dient auch dazu, die Akzeptanz der Belegschaft für die Digitalisierung am Arbeitsplatz zu erhöhen. Regelmäßig dürfte dem Betriebsrat ohnehin ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG zustehen.

Auf europäischer Ebene wird derzeit der Entwurf einer  KI-Verordnung diskutiert (Verordnung des europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung harmonisierter Vorschriften für Künstliche Intelligenz (Gesetz über Künstliche Intelligenz) und zur Änderung bestimmter Rechtsakte der Union)). Der Entwurf der Kommission soll einen gesetzlichen Rahmen für die Entwicklung und Nutzung von KI schaffen. Die Nutzung von KI im Arbeitsverhältnis steht dabei zwar nicht im Fokus. Auswirkungen der Verordnung auch für das Arbeitsleben liegen aber Nahe. Wir halten Sie auf dem Laufenden.

 

 

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