Arbeitsrecht

Kein Kündigungsschutz für GmbH-Geschäftsführer

BAG, 21. September 2017 – 2 AZR 865/16

Die negative Fiktion des § 14 I Nr. 1 KSchG gilt jedenfalls dann, wenn die organschaftliche Stellung des Geschäftsführers zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung (noch) besteht. Dies gilt unabhängig davon, ob das der Organstellung zugrunde liegende schuldrechtliche Anstellungsverhältnis materiell-rechtlich als Arbeitsverhältnis oder als Dienstverhältnis zu qualifizieren ist.

Die Parteien stritten über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung. Der Kläger war bei der Beklagten seit April 1996 zunächst als Arbeitnehmer beschäftigt. 2011 wurde er zum Geschäftsführer bestellt. Mit Schreiben vom 25. Februar 2014 kündigte die Beklagte das Vertragsverhältnis zum 31. August 2014. Der Kläger legte sein Amt als Geschäftsführer mit Schreiben vom 27. August 2014 mit sofortiger Wirkung nieder und erhob Kündigungsschutzklage, die von den Vorinstanzen abgewiesen wurde.

Die Revision des Klägers zum BAG hatte keinen Erfolg. Die Kündigung bedürfe gemäß § 14 I Nr. 1 KSchG keiner sozialen Rechtfertigung i. S. d. § 1 II KSchG. § 14 I Nr. 1 KSchG enthalte eine negative Fiktion. Diese gelte jedenfalls dann uneingeschränkt, wenn die organschaftliche Stellung als Geschäftsführer zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung (noch) bestehe. Die spätere Amtsniederlegung des Klägers sei daher irrelevant. Die negative Fiktion komme auch zum Tragen, wenn das der Organstellung zugrunde liegende schuldrechtliche Anstellungsverhältnis materiell-rechtlich als Arbeitsverhältnis zu qualifizieren wäre. Andernfalls wäre § 14 I Nr. 1 KSchG bedeutungslos, da der Schutz vor ungerechtfertigten Kündigungen ohnehin nur für Arbeitnehmer gelte. Etwas anderes folge auch nicht aus Unionsrecht. Art. 30 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union finde keine Anwendung, da der allgemeine Kündigungsschutz nicht der Durchführung von Unionsrecht diene. Zudem verstoße der Ausschluss der Organvertreter vom allgemeinen Kündigungsschutz nicht gegen Art. 12 I GG und stelle auch keine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung gegenüber leitenden Angestellten i. S. v. Art. 3 I GG dar. Die Berufung der Beklagten auf die Organstellung des Klägers im Zeitpunkt der Kündigung sei auch nicht treuwidrig i. S. d. § 242 BGB. Zwar könne es rechtsmissbräuchlich sein, wenn eine Bestellung zum Geschäftsführer allein das Ziel verfolge, diesen alsbald entlassen zu können. Hierfür gebe es aber vorliegend keine Anhaltspunkte.

Gleiss Lutz Kommentar

Das BAG bestätigt mit dem Urteil seine Rechtsprechung, wonach der allgemeine Kündigungsschutz für GmbH-Geschäftsführer nicht anwendbar ist. Dabei stellt das BAG insbesondere klar, dass die in der Praxis immer wieder anzutreffende Annahme, ein GmbH-Geschäftsführer habe jedenfalls dann Kündigungsschutz, wenn das zugrunde liegende Rechtsverhältnis ein Arbeitsverhältnis ist, nicht richtig ist. Gerade in diesem Fall greift die Fiktion, so dass die Kündigung des Arbeitsverhältnisses keiner sozialen Rechtfertigung i. S. d. § 1 KSchG bedarf. Interessant ist ferner das obiter dictum, in dem das BAG andeutet, § 14 I Nr. 1 KSchG könne auch dann (noch) gelten, wenn die Organstellung ende, bevor die Kündigung ausgesprochen werde. Damit könnte ein Geschäftsführer sich nicht durch vorzeitige Amtsniederlegung in den Anwendungsbereich des KSchG bringen.

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