Das Bundesarbeitsgericht hat seine bisherige Rechtsprechung zum Entstehen von Urlaubsansprüchen während eines unbezahlten Sonderurlaubs geändert. Danach ist – anders als vom Bundesarbeitsgericht noch im Jahr 2014 entschieden – bei der Berechnung der Urlaubsdauer zu berücksichtigen, dass die Arbeitsvertragsparteien ihre Hauptleistungspflichten durch die Vereinbarung von unbezahltem Sonderurlaub vorübergehend ausgesetzt haben. Dem Arbeitnehmer steht daher grundsätzlich kein Urlaubsanspruch für Jahre zu, in denen er sich vollständig in unbezahltem Sonderurlaub befindet.
BAG, Urteil vom 19. März 2019 – 9 AZR 315/17
Sachverhalt
Die Beklagte gewährte der bei ihr seit 1. Juni 1991 beschäftigten klagenden Arbeitnehmerin wunschgemäß zunächst in der Zeit vom 1. September 2013 bis 31. August 2014 unbezahlten Sonderurlaub, der anschließend einvernehmlich bis zum 31. August 2015 verlängert wurde. Die Klägerin verlangte von der Beklagten nach Beendigung des Sonderurlaubs die Gewährung weiteren Urlaubs für die Jahre 2013, 2014 und 2015 im Umfang von insgesamt 51 Arbeitstagen. Das ArbG wies die Klage ab. Das LAG gab der Klage teilweise statt und verurteilte die Beklagte zur Gewährung des gesetzlichen Mindesturlaubs von 20 Urlaubstagen für das Jahr 2014.
Entscheidung des BAG
Die Revision der Beklagten hatte Erfolg. Nach Auffassung des 9. Senats hat die Klägerin auch für das Jahr 2014 keinen Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub. Für Fälle des unbezahlten Sonderurlaubs hat der 9. Senat zwar bislang angenommen, dass eine Reduzierung des Urlaubs nicht stattfinde (BAG, Urteil vom 6. Mai 2014 – 9 AZR 678/12, Anm. Bauer, FD-ArbR 2014, 358932). Denn Urlaub sei gerade keine Gegenleistung für erbrachte Arbeit, weshalb es für die Entstehung des Anspruchs auf Erholungsurlaub ausreiche, dass das Arbeitsverhältnis als solches bestehe. An dieser Rechtsprechung ist aber – so das BAG – nicht festzuhalten. Befindet sich ein Arbeitnehmer während eines Kalenderjahres ganz oder teilweise in unbezahltem Sonderurlaub, sei bei der Berechnung der Urlaubsdauer zu berücksichtigen, dass die Arbeitsvertragsparteien ihre Hauptleistungspflichten durch die Vereinbarung von Sonderurlaub vorübergehend ausgesetzt hätten. In Kalenderjahren, in denen sich der Arbeitnehmer durchgehend in unbezahltem Sonderurlaub befinde, führe dies mangels Arbeitspflicht dazu, dass kein Anspruch auf Erholungsurlaub entstehe.
Gleiss Lutz Kommentar
Der 9. Senat klärt mit seiner Entscheidung zum unbezahlten Sonderurlaub für die Praxis wichtige Fragen und vereinfacht die Handhabung von sog. Sabbaticals. Bei Arbeitgebern stieß es meist auf großes Unverständnis, dass sie Arbeitnehmern, denen sie ein sog. Sabbatical gewährten, noch zusätzlich für dieselbe Zeit (im Nachhinein) bezahlten Jahresurlaub schuldeten. Da die Entstehung des Urlaubsanspruchs nach der bisherigen Rechtsprechung des BAG allein an das Bestehen des Arbeitsverhältnisses anknüpfte, ließ sich diese Folge nur durch die vollständige Beseitigung des Arbeitsverhältnisses während der Zeit des Sabbaticals verhindern, z. B. durch den Abschluss eines Aufhebungsvertrages in Verbindung mit der Zusage auf Wiedereinstellung nach der Beendigung des Sabbaticals. Einer solchen Konstruktion bedarf es dank der Kehrtwende des 9. Senats nun nicht mehr.
Welche Überlegungen den 9. Senat dazu bewogen haben, seine bisherige Rechtsprechung zu ändern, lässt sich der bislang nur als Pressemitteilung vorliegenden Entscheidung nicht entnehmen. In einer ebenfalls am 19. März 2019 ergangenen Entscheidung urteilte der 9. Senat, dass die in § 17 Abs. 1 BEEG vorgesehene Kürzungsmöglichkeit des Arbeitgebers für Urlaubsansprüche während Elternteilzeit unionsrechtskonform ist (BAG, Urteil vom 19. März 2019 – 9 AZR 362/18, Anm. Bauer ArbR Aktuell 2019, 173). Möglicherweise haben die dieser Entscheidung zugrundeliegenden Erwägungen auch dazu geführt, dass der Senat seine Rechtsprechung zum Entstehen von Urlaubsansprüchen während unbezahlten Sonderurlaubs überdacht hat. Denn diese lassen sich hier gleichermaßen heranziehen: Das BAG stellte fest, dass das Unionsrecht nach der Rechtsprechung des EuGH nicht verlange, Arbeitnehmer, die wegen Elternzeit im Bezugszeitraum nicht zur Arbeitsleistung verpflichtet waren, Arbeitnehmern gleichzustellen, die in diesem Zeitraum tatsächlich gearbeitet haben (EuGH v. 4. Oktober 2018 – C-12/17 – „Dicu“, Anm. Arnold ArbR Aktuell 2018, 524). Vielmehr entspreche es den Grundsätzen des Unionsrechts, dass ein Urlaubsanspruch wegen des Erholungszwecks nur dann entstehe, wenn tatsächlich gearbeitet werde. Für den Fall des unbezahlten Sonderurlaubs besteht danach erst recht keine Notwendigkeit, dass der Arbeitnehmer während dieser Zeit einen Urlaubsanspruch verdient.