Praktikanten, die ein Pflichtpraktikum absolvieren, das nach einer hochschulrechtlichen Bestimmung Zulassungsvoraussetzung für die Aufnahme eines Studiums ist, haben keinen Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn.
BAG, Urteil vom 19. Januar 2022 – 5 AZR 217/21
Sachverhalt
Die Klägerin hatte sich an einer privaten, staatlich anerkannten Universität um einen Studienplatz im Fach Humanmedizin beworben. Die Studienordnung legt als Zulassungsvoraussetzung ein sechsmonatiges Praktikum im Krankenpflegedienst fest. Die Klägerin absolvierte daher bei der Beklagten, die als gemeinnützige GmbH ein Krankenhaus in Trier betreibt, ein Praktikum auf der Krankenpflegestation. Die Zahlung einer Vergütung war nicht vereinbart.
Nach Ende des Praktikums berief sich die Klägerin auf das MiLoG und verlangte die Zahlung einer Vergütung in Höhe von insgesamt 10.269,85 Euro, da sie im Rahmen einer Fünftagewoche täglich 7,45 Stunden Arbeit geleistet hatte. Sie ist der Auffassung, dass ein Vorpraktikum vor Aufnahme eines Studiums kein Pflichtpraktikum im Sinne des MiLoG ist, weshalb die gesetzliche Ausnahme von der Vergütungspflicht nicht greife.
Das Arbeitsgericht wies die Klage ab. Das Landesarbeitsgericht wies die Berufung zurück.
Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts
Auch die Revision der Klägerin blieb erfolglos.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Zahlung des Mindestlohns gemäß § 1 i.V.m § 22 Abs. 1 Satz 2 MiLoG. Praktika, die nach der Studienordnung Voraussetzung zur Aufnahme eines bestimmten Studiums sind, unterfallen nicht dem persönlichen Anwendungsbereich des § 22 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 MiLoG. Nach dem in der Gesetzesbegründung deutlich zum Ausdruck kommenden Willen des Gesetzgebers erfasst der Ausschluss von Ansprüchen auf den Mindestlohn nicht nur obligatorische Praktika während des Studiums, sondern auch solche, die in Studienordnungen als Voraussetzung zur Aufnahme eines bestimmten Studiums verpflichtend vorgeschrieben sind. Arbeitgeber sind in diesen Fällen von der Verpflichtung zur Zahlung des Mindestlohns befreit, unabhängig davon, ob die Praktika vor oder während des Studiums zu erbringen sind.
Unerheblich ist dabei, dass es sich um eine private Universität handelt, da diese staatlich anerkannt ist. Hierdurch ist die von der Hochschule erlassene Zugangsvoraussetzung im Ergebnis einer öffentlich-rechtlichen Regelung gleichgestellt und damit gewährleistet, dass durch das Praktikumserfordernis in der Studienordnung nicht der grundsätzlich bestehende Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn für Praktikanten sachwidrig umgangen wird.
Gleiss Lutz kommentiert
Verpflichtende Praktika, die in Verbindung mit einem Studium absolviert werden, sind vom persönlichen Anwendungsbereich des Mindestlohngesetzes ausgenommen. Das BAG stellt nun klar, dass dies nun nicht nur für obligatorische Praktika während des Studiums gilt, sondern auch für solche, die vor dem Studium aufgrund der Zulassungsvoraussetzungen der Studienordnung verpflichtend sind. Denn solche Praktika kommen in erster Linie den Studenten zugute.
Zudem trägt das BAG der Gleichsetzung staatlicher und privater Hochschulen Rechnung. § 22 I 2 Nr. 1 MiLoG lässt sich keine Unterscheidung der öffentlichen oder privaten Trägerschaft der Hochschulen entnehmen. Eine Umgehung des grundsätzlich bestehenden Anspruchs auf Mindestlohn ist somit nicht zu befürchten.
Unerheblich ist auch, ob das Pflichtpraktikum länger als drei Monate dauert. Zwar sollen Praktika zur Orientierung für eine Berufsausbildung und zur Orientierung für die Aufnahme eines Studiums zur Vermeidung von Missbrauch auf drei Monate begrenzt sein, § 22 I 2 Nr. 2 MiLoG . Für Pflichtpraktika, die systematisch getrennt von den Orientierungspraktika geregelt sind, gilt diese Überlegung nicht, denn diese sind für die Berufswahl des Praktikanten als Zulassungsvoraussetzung notwendig.