Arbeitsrecht

Kann der Betriebsrat bei der Teamzuordnung von Mitarbeitern mitbestimmen?

Mit dieser Frage hat sich das LAG Thüringen (Beschluss vom 9. Mai 2023 – 1 TaBV 5/22) in einer aktuellen Entscheidung befasst. In größeren Betrieben, in denen es für die Erledigung gleichartiger Aufgaben mehrere Teams gibt, kann die Zuordnung von Mitarbeitern zu einem anderen Team eine mitbestimmungspflichtige Versetzung gemäß §§ 95 Abs. 3 Satz 1, 99 Abs. 1 BetrVG sein. Wann der Betriebsrat beteiligt werden sollte, lesen Sie in diesem Beitrag.

Sachverhalt

Die Arbeitgeberin fertigt und vertreibt Autoscheinwerfer. In der Abteilung „Vorfertigung“ gibt es mehrere, unterschiedlich große Teams. Alle Teams der Vorfertigung bereiten im Wesentlichen Materialien für die eigentliche Fertigung vor. Die Teams arbeiten jeweils im Dreischichtbetrieb und sind in der gleichen Halle untergebracht. Alle Teams werden jeweils von einem Teamleiter geführt, der als direkter Vorgesetzter z. B. in die Urlaubserteilung eingebunden ist und Krankenrückkehrgespräche führt. Im Übrigen bestehen die Teams aus Montierern und Produktionsversorgern. Die Teamzusammenstellung richtet sich im Einzelnen nach der Komplexität des zu fertigenden Produkts und der Bearbeitungsschritte. Die Arbeitgeberin ordnete eine Mitarbeiterin, angeblich auf deren Wunsch, einem anderen Team der Vorfertigung zu. Ihr Schichtmodell und ihre Arbeitszeit blieben unverändert. Der Betriebsrat rügte zunächst gegenüber der Arbeitgeberin, zu der Maßnahme nicht angehört worden zu sein, woraufhin die Arbeitgeberin nachträglich um Zustimmung bat. Der Betriebsrat war der Auffassung, bei der Teamzuordnung handele es sich um eine mitbestimmungspflichtige Versetzung und beantragte vor dem Arbeitsgericht deren Aufhebung. Das Arbeitsgericht gab dem Antrag statt. Die Beschwerde der Arbeitgeberin vor dem LAG hatte keinen Erfolg.  

Entscheidung

Das LAG schloss sich der Rechtsauffassung des Arbeitsgerichts an. Bei der Zuordnung der Mitarbeiterin zu einem anderen Team handelte es sich vorliegend um eine mitbestimmungspflichtige Versetzung gemäß §§ 95 Abs. 3 Satz 1, 99 Abs. 1 BetrVG. Eine Versetzung im Sinne des BetrVG ist die Zuweisung eines anderen Arbeitsbereichs, die voraussichtlich die Dauer von einem Monat überschreitet oder die mit einer erheblichen Änderung der Umstände verbunden ist, unter denen die Arbeit zu leisten ist. Der Arbeitgeber hat den Betriebsrat über eine geplante Versetzung gemäß § 99 Abs. 1 BetrVG unter Vorlage relevanter Unterlagen zu unterrichten und seine Zustimmung einzuholen. Dabei sind ihm insbesondere die Auswirkungen der Versetzung mitzuteilen. Wird der Betriebsrat nicht ordnungsgemäß beteiligt, kann er – wie hier – gemäß § 101 BetrVG beantragen, dass die personelle Einzelmaßnahme rückgängig gemacht wird.

Der Arbeitsbereich wird bestimmt durch die Aufgabe und Verantwortung des Arbeitnehmers sowie die Art seiner Tätigkeit und ihre Einordnung in den Arbeitsablauf des Betriebs. Eine Versetzung liegt danach vor, wenn sich das Gesamtbild der Tätigkeit des Arbeitnehmers ändert, z. B. aufgrund einer Änderung von Art oder Inhalt der Arbeitsaufgabe, der Verantwortung oder einer veränderten Stellung des Arbeitnehmers innerhalb der betrieblichen Organisation durch Zuordnung zu einer anderen betrieblichen Einheit. Auch bei gleichbleibender Arbeitsaufgabe kann eine Versetzung in der Änderung der organisatorischen Umgebung bestehen, insbesondere in der Zusammenarbeit mit neuen Kollegen. In größeren Betrieben mit Abteilungen und Unterabteilungen kann bereits ein innerbetrieblicher Wechsel von einer organisatorischen Einheit zu einer anderen für die Mitbestimmung des Betriebsrats ausreichen. Ausgangspunkt der Betrachtung, ob eine mitbestimmungspflichtige Versetzung vorliegt, ist die jeweils kleinste organisatorische Einheit, der eine Leitung mit arbeitsrechtlichen Weisungsbefugnissen vorsteht – hier das Team. Wenn für den Arbeitnehmer bei einer Zuordnung in eine andere organisatorische Einheit ein im konkreten Arbeitsalltag spürbares anderes „Arbeitsregime“ gilt, sind seine schutzwürdigen Interessen berührt. Das kann der Fall sein, wenn die Arbeit von intensiver Zusammenarbeit mit Kollegen geprägt ist und diese sich ändern. Auch ein anderer, mit disziplinarischen Befugnissen ausgestatteter Vorgesetzter, kann zu einem geänderten Arbeitsregime beitragen.

Vorliegend setzte sich das LAG sehr genau mit diesen Kriterien auseinander und erkannte, dass die Zuordnung der Mitarbeiterin zu einem anderen Team der Vorfertigung eine mitbestimmungspflichtige Versetzung darstelle. Da nicht alle Teams gleich groß sind, in der Zusammensetzung von Montierern und Produktionsversorgern variieren und disziplinarisch von unterschiedlichen Teamleitern geführt werden, ändere sich das Arbeitsregime bei der Zuordnung zu einem anderen Team erheblich. Je nach Zusammenstellung des Teams könne sich insbesondere das vom jeweiligen Arbeitnehmer erwartete Maß an Flexibilität ändern. Zudem könnten in größeren Teams eher Urlaubsanträge genehmigt werden als in kleineren. Relevant sei auch der Wechsel des Teamleiters, da der jeweilige Teamleiter disziplinarische Befugnisse hat, die über die bloße Ausübung des Direktionsrechts hinausgehen. Die Arbeitnehmer seien somit von der persönlichen Gunst des Teamleiters abhängig. Vor diesem Hintergrund hätte die Arbeitgeberin den Betriebsrat vor der Zuordnung der Mitarbeiterin zu einem anderen Team der Vorfertigung beteiligen müssen, was sie nicht getan hat. Daher war die Versetzung aufzuheben.

Fazit

Die Entscheidung zeigt, dass eine mitbestimmungspflichtige Versetzung bereits bei vermeintlich untergeordneten Neuzuschnitten des Personaleinsatzes im Betrieb vorliegen kann. Es reicht daher nicht, zu prüfen, ob einem Mitarbeiter neue Aufgaben zugewiesen werden. Gerade in großen Betrieben, wo gleichartige Aufgaben in mehreren betriebsorganisatorischen Einheiten ausgeführt werden, kann bereits ein Austausch von Personal innerhalb dieser (kleinen) Einheiten ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats zur Folge haben. Das LAG hat sich vorliegend detailliert mit der Struktur der Abteilung Vorfertigung und dem Zuschnitt der Teams beschäftigt. Unabhängig davon, ob der Arbeitgeber im Ergebnis von einer mitbestimmungspflichtigen Versetzung ausgeht oder nicht, ist es daher sinnvoll, sich bei personellen Maßnahmen in jedem Einzelfall mit dem konkreten Sachverhalt genau auseinanderzusetzen. Geht der Arbeitgeber von einer mitbestimmungspflichtigen Versetzung aus, ist die Unterrichtung des Betriebsrats nur dann ausreichend, wenn dem Betriebsrat eine hinreichende Informationsgrundlage zur Verfügung gestellt wird. Verzichtet der Arbeitgeber auf eine Beteiligung des Betriebsrats, ist es von Vorteil, wenn er dem Tatsachengericht in einem etwaigen Rechtsstreit aufzeigen kann, weshalb nicht von einer mitbestimmungspflichtigen Versetzung auszugehen war.  

Das LAG hat sich nicht näher damit auseinandergesetzt, dass vorliegend die Beteiligung des Betriebsrats auch aus anderen Gründen fehlerhaft war. Gemäß § 99 Abs. 1 BetrVG hat der Arbeitgeber den Betriebsrat vor jeder Versetzung ordnungsgemäß zu unterrichten und seine Zustimmung einzuholen. Vorliegend hat die Arbeitgeberin die Zuordnung der Mitarbeiterin zu einem anderen Team umgesetzt, ohne den Betriebsrat daran zu beteiligen. Erst im Nachhinein hat sie ihn um Zustimmung gebeten. Eine solche Vorgehensweise ist nicht ausreichend. Die Unterrichtung und Einholung der Zustimmung haben stets vor der Umsetzung der geplanten Maßnahme stattzufinden. Ist das nicht gewährleistet, kann der Betriebsrat regelmäßig beantragen, die Maßnahme rückgängig zu machen. Ein weiterer interessanter Aspekt der Entscheidung ist, dass die Arbeitgeberin vortrug, sie habe die Mitarbeiterin auf deren ausdrücklichen Wunsch einem anderen Team zugeordnet. Das LAG stellte insofern klar, dass es darauf nicht ankomme, da der Betriebsrat nicht nur die Interessen der einzelnen Mitarbeiter, sondern der Belegschaft als Kollektiv vertrete. In der Praxis sollten sich Arbeitgeber also nicht darauf verlassen, dass Maßnahmen, die auf Wunsch oder mit Zustimmung der einzelnen Mitarbeiter umgesetzt werden, ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats entfallen lassen.

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