Energie & Infrastruktur

Industriestrompreis ab dem 1. Januar 2026: Kostensenkung für stromintensive Unternehmen

Seit Jahren wird in Politik und Wirtschaft über die Einführung eines Industriestrompreises diskutiert. Nun soll es soweit sein: Das Bundeskabinett hat ein Eckpunktepapier beschlossen und das Gesetzgebungsverfahren soll noch bis Ende des Jahres stattfinden. Parallel soll die erforderliche beihilferechtliche Genehmigung der EU-Kommission eingeholt werden. Geplant ist, dass der Industriestrompreis – gegebenenfalls rückwirkend – zum 1. Januar 2026 in Kraft tritt. Ziel ist es, die internationale Wettbewerbsfähigkeit stromintensiver Unternehmen zu stärken und den Industriestandort Deutschland zu sichern. Zugleich soll der Industriestrompreis über Investitionspflichten in Dekarbonisierungsmaßnahmen die Transformation hin zu erneuerbaren Energien fördern.

Hintergrund

Hohe Strompreise setzten stromintensive Branchen wie Chemie, Stahl oder Glas unter Druck. Im internationalen Vergleich ist die deutsche Industrie seit Jahren mit höheren Strompreisen konfrontiert; der Strompreis hat sich zu einem kritischen Wettbewerbsfaktor entwickelt. Bestehende Entlastungen, etwa bei Steuern und Netzentgelten, konnten diese Differenz bislang nur begrenzt ausgleichen. Für stromintensive Unternehmen belief sich der durchschnittliche Strompreis laut Bundesnetzagentur im September 2025 trotz Vergünstigungen auf 10,04 Cent/kWh und lag damit deutlich über dem Niveau von vor fünf Jahren (6,39 Cent/kWh). 

Vor diesem Hintergrund wurde bereits im Koalitionsvertrag die Einführung eines Industriestrompreises für stromintensive Unternehmen angekündigt. Das Gesetzgebungsverfahren soll noch bis Ende des Jahres angestoßen werden. Parallel wird die beihilferechtliche Genehmigung der EU-Kommission eingeholt. Geplant ist, dass der Industriestrompreis – gegebenenfalls rückwirkend – zum 1. Januar 2026 in Kraft tritt. Das lässt sich der Bund etwas kosten: Für den Bundeshaushalt werden die größten Ausgaben im Jahr 2027 erwartet; hierfür sind rund EUR 1,5 Mrd. veranschlagt. In den beiden Folgejahren ist jeweils mit Aufwendungen von etwa EUR 800 Mio. zu rechnen. Die Gesamtkosten der Förderung belaufen sich damit auf rund EUR 3,1 Mrd.

Eckpunkte des Industriestrompreises im Überblick

Die Ausgestaltung des Industriestrompreises ist inzwischen durch den „Entwurf eines Konzepts des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie – Eckpunkte zur Abstimmung innerhalb der Bundesregierung“ weitgehend skizziert:

  • Laufzeit und Auszahlungszeitpunkt: Die Laufzeit soll drei Jahre (Abrechnungsjahre 2026 - 2028) betragen. Die Beihilfe soll in dem auf das Abrechnungsjahr folgende Jahr ausgezahlt werden, d.h. die Beihilfe für das Jahr 2026 wird im Jahr 2027 ausgezahlt.
  • Anrechenbare Strommenge, Zielpreis, Referenzpreis: Grundsätzlich werden 50 % des jährlichen Stromverbrauchs gefördert (anrechenbare Strommenge). Für diese Menge gilt ein Zielpreis von 5 Cent/kWh. Der Strombezug erfolgt weiterhin zum Marktpreis; für die anrechenbare Strommenge erhalten Unternehmen eine Ausgleichszahlung in Höhe von 50 Prozent des durchschnittlichen Großhandelspreises (Referenzpreis). Als Untergrenze gilt der Zielpreis von 5 Cent/kWh.
  • Begünstigte Unternehmen: Der Kreis der Begünstigten ist auf nachweislich stromintensive Unternehmen begrenzt, die im internationalen Wettbewerb stehen und sich deshalb veranlasst sehen können, in Drittstaaten abzuwandern. Begünstigt werden sollen daher Unternehmen, die den Wirtschaftssektoren der Teilliste 1 des Anhang I der Klima-, Umweltschutz- und Energiebeihilfeleitlinien („KUEBLL“) zuzurechnen sind. Erfasst sind 91 Wirtschaftssektoren und Teilsektoren, insbesondere Teile der Chemie- und Metallindustrie, der Glas- und Keramikhersteller, der Gummi- und Kunststoffverarbeitung, der Produktion von Zement, Batteriezellen und Halbleitern sowie bestimmte Bereiche der Papierindustrie, des Maschinenbaus und der Rohstoffgewinnung. Zu den begünstigten (Teil-)Sektoren könnten in Abstimmung mit der EU-Kommission weitere hinzukommen.
  • Gegenleistung (Beitrag zur Dekarbonisierung): Eine wesentliche Bedingung der Förderung sind die von der EU-Kommission vorgegebenen Investitionspflichten zur Dekarbonisierung: Unternehmen müssen mindestens 50 % der erhaltenen Beihilfe in Maßnahmen investieren, die zur Senkung der Kosten des Stromsystems beitragen, ohne den Einsatz fossiler Brennstoffe zu erhöhen. In Betracht kommen dafür unterschiedliche sog. „Gegenleistungsoptionen“, einschließlich die Entwicklung von Kapazitäten zur Erzeugung erneuerbarer Energien, Energiespeicherlösungen sowie Maßnahmen zur Verbesserung der Energieeffizienz. Die Investitionen können am Standort des Beihilfeempfängers getätigt werden oder auch an Dritte übertragen werden. Sie sind innerhalb eines festen Zeitraums – 48 Monate nach Gewährung der Beihilfe – umzusetzen.
  • Flexibilitätsbonus: Zudem soll ein Bonusmechanismus eingeführt werden: Der gewährte Beihilfebetrag wird um 10 % erhöht, wenn das Unternehmen nachweist, dass mindestens 80 % Investitionen in eine der Gegenleitungsoptionen in Maßnahmen zur Erhöhung der Nachfrageflexibilität investiert werden. Mindestens 75 % des gewährten Flexibilitäts-Bonus‘ müssen wiederum in Gegenleistungen investiert werden.
  • Optionale degressive Fördermöglichkeit: Um zu Beginn der Laufzeit hohe Entlastungseffekte zu erhalten, können Unternehmen die anrechenbare Strommenge auch über die Laufzeit aufzuteilen. Dadurch können sich Unternehmen im ersten Jahr deutlich mehr als 50 % ihrer Strommenge anrechnen lassen als im zweiten und im dritten Jahr. Die konkrete Ausgestaltung dieser Option wird im Rahmen des Notifizierungsverfahrens bei der EU-Kommission festgelegt werden.
  • Kumulierung mit anderen Förderinstrumenten: Der Industriestrompreis tritt als Alternative neben die bereits bestehende Strompreiskompensation. Eine Kumulation beider Förderungen ist daher nicht möglich. Unternehmen sollen vielmehr für jedes Abrechnungsjahr wählen, ob sie den Industriestrompreis oder die Strompreiskompensation in Anspruch nehmen. Weitere Entlastungen – etwa bei der Stromsteuer und den Netzentgelten – bleiben bestehen, unterliegen jedoch den beihilferechtlichen Kumulationsgrenzen.

Ausblick und Empfehlung

Unternehmen in potenziell betroffenen Sektoren sollten frühzeitig prüfen, (i) ob sie die persönlichen und sachlichen Antragsvoraussetzungen voraussichtlich erfüllen, (ii) der Industriestrompreis gegenüber der Strompreiskompensation vorteilhaft ist und (iii) welche Investitionsprojekte sich als Dekarbonisierungsmaßnahmen für die Reinvestitionspflicht eignen. 

Das konkrete Regelwerk zum Industriestrompreis wird in den nächsten Wochen als Gesetzentwurf durch den parlamentarischen Prozess gehen. Dabei und im Rahmen der Abstimmung mit der EU-Kommission kann es noch zu Abweichungen zu den bisherigen Eckpunkten kommen. Verbände weisen (zu Recht) auch darauf hin, dass die Eckpunkte hinter den politischen Ankündigungen zurückbleiben. Aufgrund der Förderquote von 50% der Strommenge sowie der Gegenleistungspflicht wird der faktische Industriestrompreis deutlich über den politisch angestrebten 5 Cent/kWh liegen. Hinzu kommt, dass die Maßnahme bis Ende 2028 befristet sein soll und damit nur einen begrenzten Investitionsimpuls für langfristige Investitionen setzen kann.

Weiterleiten
Keep in Touch

Keep in Touch
Gleiss Lutz informiert

Gerne nehmen wir Sie auf unseren Verteiler auf und informieren Sie über aktuelle Rechtsentwicklungen und Veranstaltungen.

Jetzt anmelden