Das Bundeskabinett hat am 14. September 2022 einen Regierungsentwurf zur Einführung des sog. Bürgergelds verabschiedet. Dieses soll die Grundsicherung für Arbeitsuchende neu regeln und das bisher geltende Hartz-IV-System ablösen. Das Inkrafttreten ist für den 1. Januar 2023 geplant.
Wesentliche Inhalte
Der Regierungsentwurf sieht weitreichende Änderungen gegenüber dem bisherigen Arbeitslosengeld II („Hartz IV“) vor. Dazu zählen unter anderem folgende Neuerungen:
- Der sog. Vermittlungsvorrang soll abgeschafft werden. Leistungsbezieher sollen nicht mehr verpflichtet sein, jede ihnen angebotene Stelle anzunehmen, wenn eine Aus- oder Weiterbildung sinnvoller erscheint. Die Möglichkeit zur Weiterbildung soll insgesamt gestärkt werden, vor allem durch Einführung eines monatlichen Weiterbildungsgelds.
- Die Regelsätze sollen ab Januar 2023 insgesamt angehoben werden. Zudem sollen die bisherigen Freibeträge beim Bürgergeld erhöht werden und auch Hinzuverdienste oberhalb der Minijob-Grenze bis 1000 Euro zu höheren Anteilen (30 % statt bislang 20 %) behalten werden dürfen.
- Innerhalb der ersten beiden Jahre des Bezugs sollen die tatsächlichen Wohnkosten, auch bei hohen Mieten, übernommen und die Grenze für die Anrechnung vorhandener Ersparnisse auf das Bürgergeld angehoben werden.
Darüber hinaus soll das Hartz-IV-Sanktionssystem, das seit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 5. November 2019 (1 BvL 7/16) zurzeit weitgehend ausgesetzt ist, in Zukunft entschärft werden. Innerhalb des ersten halben Bezugsjahrs (sog. Vertrauenszeit) gibt es Sanktionen nach dem Regierungsentwurf nur noch in Ausnahmefällen, z. B. bei mehrfachen Terminversäumnissen. Pflichtverletzungen wie das Auslassen eines zumutbaren Arbeitsangebots oder unterlassene Bewerbungen sollen während der Vertrauenszeit hingegen grundsätzlich nicht mehr zu Nachteilen führen.
Gleiss Lutz kommentiert
Es bleibt abzuwarten, ob die – schon innerhalb der Regierung umstrittene – Reform im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens noch Änderungen erfahren wird. Arbeitgebervertreter sowie die CDU/CSU kritisieren die geplanten Regelungen, da sie mit Blick auf den großen Fach- und Arbeitskräftemangel zu geringe Anreize für einen zügigen Wiedereintritt in das Erwerbsleben sehen.