Eine arbeitsvertragliche Regelung, nach der ein Zeitungszusteller einerseits Abonnenten von Montag bis Samstag zu beliefern hat, andererseits Arbeitstage lediglich solche Tage sind, an denen Zeitungen im Zustellgebiet erscheinen, verstößt gegen den Grundsatz der Unabdingbarkeit des Anspruchs auf Entgeltzahlung an Feiertagen.
BAG, Urteil vom 16. Oktober 2019 – 5 AZR 352/18
Streit über Feiertagsvergütung
Der Kläger ist bei der Beklagten als Zeitungszusteller beschäftigt. Nach dem Arbeitsvertrag ist er verpflichtet, Abonnenten von Montag bis einschließlich Samstag zu beliefern. Arbeitstage sind nach einer Vereinbarung zwischen den Parteien hingegen „alle Tage, an denen Zeitungen im Zustellgebiet erscheinen“. Fällt ein Feiertag auf einen Werktag, am dem keine Zeitungen erscheinen, erhält der Kläger demnach keine Vergütung. Mit seiner Klage verlangt er Vergütung in Höhe von insgesamt 241,14 Euro brutto für fünf Feiertage im April und Mai 2015 (Karfreitag, Ostermontag, Tag der Arbeit, Christi Himmelfahrt sowie Pfingstmontag), an denen er nicht beschäftigt wurde. Seine Klage stützt er darauf, dass die Arbeit allein wegen der Feiertage ausgefallen sei, sodass die Voraussetzungen des gesetzlichen Entgeltzahlungsanspruchs vorlägen.
Anspruch auf Entgeltzahlung an Feiertagen nach §§ 2, 12 EFZG
An gesetzlichen Feiertagen dürfen Arbeitnehmer nach § 9 Abs. 1 ArbZG nicht beschäftigt werden. Folglich hätten Arbeitnehmer entsprechend dem Grundsatz „ohne Arbeit kein Lohn“ keinen Anspruch auf Vergütung, wenn § 2 Abs. 1 EFZG nicht eine abweichende Regelung treffen würde. Danach ist dem Arbeitnehmer für Arbeitszeit, die infolge eines gesetzlichen Feiertages ausfällt, das Arbeitsentgelt zu zahlen, das er ohne den Arbeitsausfall erhalten hätte. Von diesem gesetzlichen Anspruch auf Entgeltzahlung an Feiertagen kann gemäß § 12 EFZG auch nicht zuungunsten des Arbeitnehmers abgewichen werden.
Gesetzliche Feiertage i.S.d. § 2 Abs. 1 EFZG werden grundsätzlich von den Ländern bestimmt. Einziger auf Bundesebene festgelegter Feiertag ist der Tag der Deutschen Einheit am 3. Oktober als nationaler Feiertag. In den länderspezifischen Gesetzen über Sonn- und Feiertage werden übereinstimmend Neujahr, Karfreitag, Ostermontag, Tag der Arbeit, Christi Himmelfahrt, Pfingstmontag sowie Erster und Zweiter Weihnachtsfeiertag als gesetzliche Feiertage festgesetzt.
Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts
Das Bundesarbeitsgericht hat die Entscheidung der Vorinstanzen dem Grunde nach bestätigt, die Sache aber wegen fehlerhafter Berechnung der Entgelthöhe an das Sächsische Landesarbeitsgericht zurückverwiesen. Nach dem Bundesarbeitsgericht gingen die Vorinstanzen zu Recht davon aus, dass dem Kläger ein Anspruch auf die begehrte Feiertagsvergütung nach § 2 EFZG zusteht. Denn seine Beschäftigung an den Feiertagen im April und Mai 2015 sei allein deshalb unterblieben, weil die üblicherweise von ihm zuzustellenden Zeitungen an den Feiertagen nicht erschienen sind.
Das Sächsische Landesarbeitsgericht und zuvor das Arbeitsgericht Dresden hatten der Klage stattgegeben, da sie die Klausel zu vergütungspflichtigen Arbeitstagen für unwirksam nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB hielten. Nach den Vorinstanzen benachteilige diese arbeitsvertragliche Regelung den Kläger unangemessen, weil das wirtschaftliche Risiko des Arbeitsausfalls auf ihn übertragen werde. Das Bundesarbeitsgericht stützte seine Entscheidungen hingegen auf die Unabdingbarkeit des Entgeltanspruchs gemäß § 12 EFZG, die der Wirksamkeit der vertraglichen Abrede entgegenstünde.
Maßgeblich für die Frage des feiertagsbedingten Arbeitsausfalls, der zum Anspruch auf Entgeltfortzahlung nach § 2 EFZG führt, ist nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (weiterhin) allein, ob es sich um Arbeitszeit handeln würde, wenn der betreffende Tag kein Feiertag gewesen wäre (siehe auch Urteil vom 24. Oktober 2001 – 5 AZR 245/00). Dem Kläger steht also entgegen der vertraglichen Abrede dem Grunde nach ein Anspruch auf die ausgebliebene Vergütung für Karfreitag, Ostermontag, Tag der Arbeit, Christi Himmelfahrt sowie Pfingstmontag zu. Einzig die Höhe der Nachzahlung ist angesichts der Aufhebung des zweitinstanzlichen Urteils und der Zurückweisung der Sache an das Sächsische Landesarbeitsgericht noch offen.
Gleiss Lutz kommentiert
Mit seiner Entscheidung bestätigt das Bundesarbeitsgericht das dem Entgeltfortzahlungsgesetz zugrundeliegende Prinzip des Lohnausfalls. Das Urteil zeigt, dass auch ein – jedenfalls wirtschaftlich betrachtet – unscheinbarer Fall es bis nach Erfurt schaffen kann. Für den Zeitungszusteller ging es zwar nur um rund 240 Euro, die Entscheidung hat aber darüberhinausgehende, allgemeingültige Bedeutung. Denn das Bundesarbeitsgericht hat einer Umgehung des gesetzlichen Entgeltzahlungsanspruchs an Feiertagen eine klare Absage erteilt. Vertragsgestaltungen, die Ansprüche des Arbeitnehmers auf Feiertagsvergütung faktisch ausschließen, sind demnach zu vermeiden.