Öffentliches Recht

ESG-Arbeitsprogramm der EU-Kommission 2026

Mit dem Arbeitsprogramm für 2026 unter dem Titel "Ein unabhängiges Europa" veröffentlicht die EU-Kommission ihre ESG-Agenda für das kommende Jahr. Im Fokus stehen die Stärkung der europäischen Wettbewerbsfähigkeit auf dem Weg zu nachhaltigem Wohlstand, die Übernahme einer Führungsrolle bei sauberen und digitalen Innovationen und die Gewährleistung der europäischen Sicherheit.

Große ESG-Relevanz

Von ESG-Relevanz sind vor allem angekündigte Rechtsakte zur Kreislaufwirtschaft, zu fortgeschrittenen Werkstoffen und Biotechnologie sowie das Energieunion‑Paket, die Aktualisierung des EU Emissions Trading Scheme (ETS) und die Governance‑Reform mit Abbau fossiler Subventionen. Im Bereich Soziales und Governance sind Strategien zu Gleichstellung und Korruptionsbekämpfung gesetzt. Laufende Dossiers wie die Änderungsrichtlinie zu CSRD/CSDDD, die Altfahrzeug‑Verordnung und die Green‑Claims‑Richtlinie bleiben auf der Kommissionsagenda.

Nachfolgende Initiativen sollen im kommenden Jahr angestoßen werden:

I. Umwelt und Rohstoffe

  • Die Kreislaufwirtschaftsinitiative (Q3) zielt auf Nachfrage und Angebot kreislauforientierter Produkte mit erwarteten Querschnittsanforderungen an Design, Haltbarkeit, Reparierbarkeit und Recyclingfähigkeit. Eng verzahnt sind damit die Aktualisierungen des Produktrechtsrahmens, der Marktüberwachung und der Normung, die die Konformitätsbewertung und technische Standards modernisieren sollen.
  • Der Rechtsakt über fortgeschrittene Werkstoffe (Q4) soll Materialinnovationen für strategische Industrien regulierungsfest machen.
  • Der Biotech‑Rechtsakt II (Q3) aktualisiert Pfade für biotechnologische Anwendungen mit Nachhaltigkeitsbezug.
  • Zudem soll ein Zentrum für kritische Rohstoffe etabliert werden (Q2), das die Beschaffungssicherheit stärken und gemeinsame Instrumente für Monitoring, Lagerung und Beschaffung entwickeln soll. 

Unternehmen sollten insbesondere Design‑to‑Recycle und digitale Produktpässe skalieren, Innovationspipelines gegen den künftigen Rechtsrahmen spiegeln und Rohstoffrisiken diversifizieren.

II. Energieunion/Elektrifizierung

  • Das Energieunion‑Paket (Q3) soll die Grundlagen für CO₂‑Transportinfrastruktur und -märkte und einen neuen Rechtsrahmen für Energieeffizienz und erneuerbare Energien schaffen.
  • Die geplante Aktualisierung des Governance‑Systems für die Energieunion und den Klimaschutz (Q4) adressiert u.a. den Abbau der Subventionen für fossile Brennstoffe. Gleichzeitig soll die Aktualisierung die Kohärenz zwischen nationalen Plänen und EU‑Zielen erhöhen.
  • Der Aktionsplan zur Elektrifizierung (Q1), einschließlich Wärme‑ und Kälteversorgung, fokussiert Netz‑Resilienz und die Beseitigung von Engpässen.

Für investierende Unternehmen dürften diese Vorhaben beschleunigte Genehmigungen, klarere Netzanschlussbedingungen und mehr Planbarkeit grenzüberschreitender Projekte bedeuten

III. Klimaschutz

  • Das EU-Emissionshandelssystems für See- und Luftverkehr soll aktualisiert werden (Q3), was Zuteilungen, Compliance‑Prozesse und Preisdynamik spürbar verändern könnte.
  • Ferner sollen nationale Ziele und Flexibilitätsregelungen im Rahmen der EU-Klimapolitik/Europäisch integrierter Rahmen für Klimaresilienz überarbeitet werden (Q4), was investitionsrelevante Klarheit über die Lastenverteilung schaffen soll.

Projektportfolios sollten früh an CO₂‑Infrastruktur, Flexibilitätsoptionen und Fördermechanismen ausgerichtet werden. Unternehmen sollten gleichzeitig aber CO₂‑Kostenpfade unter verschiedenen MSR‑Szenarien modellieren, Reduktionshebel priorisieren und die Daten‑ sowie Nachweisqualität stärken. Physische Klimarisiken sollten systematisch in Governance- und Standortentscheidungen integriert werden.

IV. Soziales

  • Die Strategie für Gleichstellung 2026–2030 und die verbesserte Strategie für die Rechte von Menschen mit Behinderungen bis 2030 setzen programmatische Leitplanken für Inklusion und Barrierefreiheit (Q1/Q2).
  • Die Strategie zur Korruptionsbekämpfung und die Überprüfung der Betrugsbekämpfungsarchitektur sollen Prävention und Rechtsdurchsetzung stärken. Der Rechtsakt zur digitalen Fairness (Q4) soll Verbraucher vor manipulativen Praktiken schützen. 

Gleichstellung, Inklusion und Korruptionsbekämpfung bleiben programmatisch auch 2026 auf der Agenda der Kommission und sollten von Unternehmen weiter beobachtet werden.

Fazit und To-Dos für Unternehmen 

Im Fokus stehen für 2026 Kreislaufwirtschaft und Materialinnovationen, Energieunion und Elektrifizierung, ETS‑Reformen sowie soziale Governance-Strategien. 

Zusammenfassend empfiehlt sich die frühzeitige Ausrichtung von Produktdesigns auf Kreislaufkriterien, das Aufsetzen CO₂‑robuster Investitionspfade und die Stärkung von Daten‑ und Assurance‑Fähigkeiten für Reporting und Due Diligence. Wer mit ETS‑Kosten, CO₂‑Transport oder erneuerbaren Kapazitäten plant, sollte die Finanzierung an der Q3/Q4‑Taktung ausrichten. Generell dürfte gelten: Nachweise, Methoden und Prüfpfade jetzt professionalisieren, um Reputations‑ und Durchsetzungsrisiken zu senken. Insgesamt ist 2026 ein Umsetzungsjahr, in dem proaktive Konsultationsbeiträge und interne RegWatch die Praxistauglichkeit der kommenden Vorgaben verbessern und Wettbewerbsvorteile sichern.

Laufende ESG-Vorhaben bleiben weiter zentral: Die Änderungsrichtlinie zur Abschlussprüfungs‑RL, Bilanz‑RL, CSRD und CSDDD zielt auf Klarstellungen und mögliche Vereinfachungen bei Nachhaltigkeitsberichterstattung und Sorgfaltspflichten. Sollte die Änderungsrichtlinie nicht wie geplant in diesem Jahr verabschiedet werden, wird sie im nächsten Jahr mit höchster Priorität behandelt. Auch die Green Claims Richtlinie bleibt offiziell weiterhin auf der Agenda der EU-Kommission und ist nicht als geplante Rücknahme aufgeführt. Aus Ratskreisen wurde kürzlich jedoch berichtetet, der Präsident des Rats der EU habe die Verhandlungen zur Richtlinie wegen großer Unstimmigkeiten aufgegeben. Das Vorhaben zurückziehen kann jedoch formell nur die EU-Kommission. Unternehmen sollten Umweltaussagen bereits jetzt methodisch belastbar und prüfbar gestalten. Auch weitere ESG-Vorhaben wie z.B. die Altfahrzeug-Verordnung bleiben auf der Agenda.

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