Verstößt der Arbeitgeber gegen Vorschriften, die Verfahrens- und/oder Förderpflichten zugunsten schwerbehinderter Menschen enthalten, begründet das regelmäßig die Vermutung nach § 22 AGG. Der erfolglose, schwerbehinderte Bewerber hat dann in der Regel Anspruch auf eine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG.
BAG, Urteil vom 25. November 2021 (Pressemitteilung) – 8 AZR 313/20
Sachverhalt
Der beklagte Landkreis veröffentlichte 2017 über die Jobbörse der Bundesagentur für Arbeit ein Stellenangebot als „Amtsleiter/in Rechts- und Kommunalamt (Jurist/in)“. Der mit einem GdB von 50 schwerbehinderte Kläger bewarb sich unter Angabe seiner Schwerbehinderung ohne Erfolg auf die ausgeschriebene Stelle. Zu einem Vorstellungsgespräch wurde er nicht eingeladen. Er beanstandete beim Landkreis schriftlich, als schwerbehinderter Bewerber bereits im Vorverfahren des Bewerbungsverfahrens nicht berücksichtigt worden zu sein und machte einen Anspruch auf Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG geltend. Der Landkreis reagierte auf dieses Schreiben nicht.
Entscheidung des BAG
Das BAG gab der Klage auf Entschädigungszahlung statt. In den Vorinstanzen war der Kläger erfolglos geblieben, da sie ihn für die ausgeschriebene Stelle für „offensichtlich ungeeignet“ hielten. Ihm fehle die in der Stellenausschreibung vorausgesetzte zwei- bis fünfjährige Führungserfahrung und Personalverantwortung mit zehn bis 49 Mitarbeitern. Dem BAG genügte für den Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG bereits, dass die Beklagte es entgegen § 165 S. 1 SGB IX (besondere Pflichten der öffentlichen Arbeitgeber) unterlassen habe, den ausgeschriebenen, mit schwerbehinderten Menschen besetzbaren Arbeitsplatz der zuständigen Agentur für Arbeit zu melden. Die Veröffentlichung des Stellenangebots über die Jobbörse der Bundesagentur für Arbeit stelle keine Meldung i.S.v. § 165 S. 1 SGB IX dar. Die unterlassene Meldung begründe die Vermutung, dass der Kläger im Auswahl-/Stellenbesetzungsverfahren wegen der Schwerbehinderung nicht berücksichtigt und damit wegen der Schwerbehinderung benachteiligt worden sei. Auf etwaige weitere Verstöße gegen die zugunsten schwerbehinderter Menschen getroffenen Verfahrens- und/oder Förderpflichten komme es daher nicht mehr an. Ebenso könne dahinstehen, ob die unterbliebene Antwort auf das Beanstandungsschreiben des Klägers ein (weiteres) Indiz nach § 22 AGG sei.
Gleiss Lutz kommentiert
Die Pressemitteilung des BAG geht auf die ggf. offensichtliche Ungeeignetheit des Klägers für die ausgeschriebene Stelle nicht ein. Ein ungeeigneter Bewerber hat daher ggf. bereits schon alleine dann einen Anspruch auf eine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG, wenn der öffentliche Arbeitgeber den Agenturen für Arbeit die Stelle nicht entsprechend § 165 S. 1 SGB IX gemeldet hat.