Bundesarbeitsminister Heil hat einen Entwurf für ein „Mobile-Arbeit-Gesetz“ auf den Weg gebracht. Kernpunkt der Gesetzesinitiative ist ein Rechtsanspruch für Arbeitnehmer auf 24 Tage Home-Office-Tätigkeit bzw. mobiles Arbeiten pro Jahr. Der Gesetzesentwurf liegt nun dem Bundeskanzleramt und den einzelnen Ministerien zur Prüfung vor. Laut Heil habe die Corona-Krise gezeigt, dass viel mehr mobile Arbeit möglich ist als man dachte. Weil mobiles Arbeiten für einige schon fest zur modernen Arbeitswelt gehöre, aber vielen noch nicht ermöglicht werde, sei ein gesetzlicher Anspruch erforderlich. Heil gab bereits einige inhaltliche Eckpunkte des Entwurfs bekannt.
Inhalte des Gesetzesentwurfs
Das „Mobile-Arbeit-Gesetz“ soll folgende wesentlichen Inhalte haben:
- Individueller Anspruch auf 24 Tage Home-Office oder mobile Arbeit pro Jahr. Arbeitgeber können dies nach dem Gesetzesentwurf nur ablehnen, wenn sich die konkrete Tätigkeit nicht für mobiles Arbeiten eignet oder wenn entgegenstehende betriebliche Belange bestehen. Beides soll der Arbeitgeber darlegen müssen.
- Mitbestimmungsrecht für Gewerkschaften, Betriebs- und Personalräte bei Einführung und Ausgestaltung mobiler Arbeit. Das Gesetz soll dafür einen Rahmen und zu verhandelnde Themen vorgeben, bspw. zu festen „Erreichbarkeitsfenstern“ oder Maßnahmen zur Einbindung mobiler Beschäftigter in den Betrieb.
- Pflicht zur digitalen Zeiterfassung („digitale Stechuhr“).
- Umfassenderer Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung bei mobiler Arbeit.
Streit vorprogrammiert
Das Gesetz soll verhindern, dass sich Arbeitgeber pauschal mobiler Arbeit oder einer Tätigkeit im Home-Office verschließen. Durch einen gesetzlichen Anspruch sollen Arbeitnehmer nach dem Willen von Heil auf Augenhöhe mit dem Arbeitgeber verhandeln können. Der Gesetzesentwurf enthält allerdings zwei Vorbehalte. Zum einen muss sich die Tätigkeit grundsätzlich für mobiles Arbeiten eignen, zum anderen dürfen keine betrieblichen Belange entgegenstehen. Neben einer befürchteten Spaltung der Beschäftigten in zwei Lager („Home-Office geeignet“ und „Home-Office ungeeignet“) werden im Grenzbereich Diskussionen über die Home-Office-Eignung bestimmter Tätigkeiten aufkommen. Hier wird sich über die Jahre erst eine Kasuistik in der Rechtsprechung herausbilden müssen. Rechtssicherheit kann eine gesetzliche Regelung hier nicht schaffen.
Die Praxis zeigt zudem, dass die Betriebsparteien in Betriebsvereinbarungen zu mobiler Arbeit und/oder zum Home-Office aufgrund ihrer Sachnähe regelmäßig sachgerechte Voraussetzungen aufstellen, die von Arbeitgeber und Arbeitnehmern gleichermaßen akzeptiert werden. Eine pauschale gesetzliche Regelung ist demgegenüber von vorneherein nicht in der Lage, betriebliche Besonderheiten oder Branchenbedürfnisse zu erfassen. Es ist daher unwahrscheinlich, dass sie gleichermaßen Akzeptanz findet und Streit vermeidet wie betriebliche Regelungen.
Unklar ist, ob sich der Rechtsanspruch auch auf die konkrete Lage der einzelnen mobilen Arbeitstage bezieht. In diesem Fall wäre für jeden beantragten Tag im Einzelfall abzuwägen, ob betriebliche Belange entgegenstehen. Wäre bereits die erforderliche Teilnahme an einem Präsenzmeeting ein betrieblicher Belang, der einer Home-Office-Tätigkeit oder mobiler Arbeit entgegengehalten werden kann? Könnte der Arbeitnehmer in diesem Fall den Arbeitgeber auf eine virtuelle Teilnahme an dem Meeting verweisen? Dies kann z. B. nicht sein, wenn ein Kunde ein Präsenzmeeting verlangt. Auch diesbezüglich ist nicht zu erwarten, dass ein Gesetz eine rechtssichere Handhabung gewährleistet.
Keine Arbeitszeit-Reform „light“
Im Zusammenhang mit dem Rechtsanspruch auf mobile Arbeit soll digitale Zeiterfassung Pflicht werden. Dadurch soll vermieden werden, dass Mitarbeiter freiwillig zu viel arbeiten, insbesondere in den Abendstunden und am Wochenende. Ein solcher Trend sei während der Corona-Pandemie zu erkennen gewesen. Sicherlich ist es richtig, dass auch bei mobiler Arbeit Vorgaben zu Höchstarbeitszeiten und Ruhezeiten gelten müssen. Die Arbeitswirklichkeit, insbesondere das Bedürfnis der Arbeitnehmer und Arbeitgeber nach einem verlässlichen Rechtsrahmen für flexibles Arbeiten wird durch das Arbeitszeitgesetz allerdings längst nicht mehr adäquat abgebildet. Der Reformbedarf liegt nicht erst seit dem EuGH-Urteil aus Mai 2019 zur Arbeitszeiterfassung auf der Hand. Vor diesem Hintergrund wäre der Gesetzgeber berufen, sich einer grundlegenden Reform des Arbeitszeitgesetzes anzunehmen und nicht nur einzelne Regelungen zur Arbeitszeiterfassung im Zusammenhang mit mobiler Arbeit anzugehen. Gerade die gewollte Förderung von Home-Office und mobiler Arbeit und damit verbundener Flexibilisierung der Arbeit erfordert flexiblere gesetzliche Vorgaben zur Arbeitszeit und damit mehr als nur eine Pflicht zur digitalen Zeiterfassung. Mobile Arbeit ist nur dann attraktiv für alle Seiten, wenn der gesetzliche Rahmen eine flexible und selbstbestimmte Einteilung der Arbeitszeit zulässt. Um dies zu erreichen, müsste über eine längst überfällige Abkehr von starren Höchstarbeitszeiten und der Vorgabe einer ununterbrochenen Ruhezeit von 11 Stunden nachgedacht werden.
Klare Regelungen zum Arbeitsschutz erforderlich
Es ist unklar, ob der Gesetzesentwurf spezielle Regelungen zum Arbeitsschutz im Home-Office und bei mobilem Arbeiten enthalten wird. Soll ein Rechtsanspruch auf mobiles Arbeiten etabliert werden, sollten auch die arbeitsschutzrechtlichen Pflichten des Arbeitgebers klar definiert sein. Auf der Homepage des Bundesarbeitsministeriums heißt es im Zusammenhang mit dem Entwurf zum „Mobile-Arbeit-Gesetz“, es sei anzuerkennen, dass Regeln des Arbeitsschutzes bei mobiler Arbeit und bei Home-Office genauso gelten wie im Büro und der Arbeitgeber dafür die Verantwortung trage. Bereits nach aktueller Rechtslage ist aber zu berücksichtigen, dass sich der Arbeitnehmer im Home-Office und noch mehr bei mobiler Arbeit außerhalb der Einflusssphäre des Arbeitgebers befindet. Die arbeitsschutzrechtliche Verantwortung des Arbeitgebers kann daher bereits aus tatsächlichen Gründen nicht so weit gehen wie am Arbeitsplatz im Betrieb. Daran kann auch ein Rechtsanspruch auf Home-Office oder mobiles Arbeit nichts ändern. Im Gegenteil. Wenn Home-Office und mobiles Arbeiten durch einen Rechtsanspruch eine weite Verbreitung erfahren, wäre es im Sinne der Rechtssicherheit geboten, die Arbeitsschutzpflichten des Arbeitgebers unter Berücksichtigung der tatsächlichen Einflussmöglichkeiten klar zu definieren. An diesem Punkt zeigt sich deutlich, dass Home-Office und mobiles Arbeiten nicht synonym zu verstehen sind. Arbeitet der Arbeitnehmer mobil, d. h. nicht zwangsläufig nur im Home-Office, kann der Arbeitgeber bereits deshalb nicht verpflichtet sein, Arbeitsschutz wie im Büro vor Ort oder im heimischen Arbeitszimmer zu gewährleisten, weil er im Zweifel nicht einmal weiß, wo der Arbeitnehmer arbeitet.
Vorgaben für Tarifvertrags- und Betriebsparteien
Heil betont, dass es sich bei den 24 Tagen nur um einen Mindestanspruch handeln soll. Die Tarifvertragsparteien und Betriebsparteien haben die Möglichkeit, darauf aufbauend „maßgeschneiderte“ Lösungen zu schaffen. Das „Mobile-Arbeit-Gesetz“ soll dafür inhaltliche Vorgaben zu einzelnen Regelungspunkten geben. Die Praxis zeigt, dass insbesondere auf betrieblicher Ebene bereits in vielen Fällen passende Lösungen unter Berücksichtigung der betrieblichen Gegebenheiten gefunden wurden, in denen Mitarbeitern Möglichkeiten zu mobilem Arbeiten oder Home-Office eingeräumt werden, auch über 24 Tage pro Jahr hinaus. Es gibt keine Notwendigkeit, den Betriebsparteien bestimmte Inhalte für etwaige Vereinbarungen vorzugeben.
Ausblick
Noch sind nur die groben Eckpunkte des Entwurfs zum „Mobile-Arbeit-Gesetz“ bekannt. Für eine weitere Beurteilung kommt es auf die Ausgestaltung der geplanten gesetzlichen Regelungen im Detail an. Es bleibt mit Spannung abzuwarten, in welcher Gestalt der Gesetzesentwurf seinen Weg in das Gesetzgebungsverfahren findet. In jedem Fall wäre ein pauschaler Rechtsanspruch auf Home-Office und mobiles Arbeiten unter dem Vorbehalt betrieblicher Belange zu kurz gedacht. Zu denken wäre bspw. an die Definition eines persönlichen und betrieblichen Anwendungsbereichs. Fraglich ist bspw. ob der Rechtsanspruch uneingeschränkt auch in kleinen Unternehmen gelten sowie Mitarbeitern bereits ab dem ersten Tag ihrer Beschäftigung im Unternehmen zustehen soll. Kleine Unternehmen sind für einen funktionierenden operativen Geschäftsbetrieb eher auf regelmäßige Präsenz ihrer Mitarbeiter angewiesen, als dies in größeren Unternehmen der Fall ist. Daneben wird in den ersten Monaten der Beschäftigung eine überwiegende Anwesenheit eines neu eingestellten Mitarbeiters zur Einarbeitung und Erprobung erforderlich sein.