Arbeitsrecht

Begünstigung eines Betriebsratsmitglieds

BAG, 21. März 2018 – 7 AZR 590/16

Beabsichtigt der Arbeitgeber, das Arbeitsverhältnis mit einem Betriebsratsmitglied unter Berufung auf verhaltensbedingte Gründe außerordentlich zu kündigen und schließen Arbeitgeber und Betriebsratsmitglied nach Einleitung eines Verfahrens zur Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats zu der Kündigung und nach vorausgegangenen Verhandlungen eine Vereinbarung über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung einer Abfindung und ggf. andere Zuwendungen, so liegt darin regelmäßig keine nach § 78 Satz 2 BetrVG unzulässige Begünstigung des Betriebsratsmitglieds.

Der Kläger war seit 2006 Betriebsratsvorsitzender. Anfang Juli 2013 hatte die Beklagte beim Arbeitsgericht unter Berufung auf verhaltensbedingte Gründe ein Verfahren zur Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats zur außerordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses des Klägers eingeleitet. Dem Kläger wurde vorgeworfen eine ihm – als Sekretärin beziehungsweise Assistentin des Betriebsrates – unterstellte Mitarbeiterin über einen längeren Zeitraum hinweg sexuell belästigt und ihr in unzulässiger Weise im Sinne eines Stalkings nachgestellt zu haben. Kurz darauf schlossen die Parteien außergerichtlich einen Aufhebungsvertrag, in dem u.a. die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31. Dezember 2015, die Freistellung unter Fortzahlung der Vergütung und eine noch im Verlauf des Arbeitsverhältnisses auszuzahlende Abfindung von 120.000 Euro netto vereinbart wurde. Nachdem der Kläger vereinbarungsgemäß von seinem Betriebsratsamt zurückgetreten und in der Folgezeit die Auszahlung der Abfindung an ihn erfolgt war, erhob er Klage und machte den Fortbestand seines Arbeitsverhältnisses über den 31. Dezember 2015 hinaus geltend. Der Kläger trug im Wesentlichen vor, der Aufhebungsvertrag sei nichtig, weil er durch diesen als Betriebsratsmitglied in unzulässiger Weise begünstigt werde.

Die Klage hatte beim BAG keinen Erfolg. Nach § 78 Satz 2 BetrVG dürfen Mitglieder des Betriebsrats wegen ihrer Betriebsratstätigkeit weder benachteiligt noch begünstigt werden. Vereinbarungen, die hiergegen verstoßen, seien nach § 134 BGB nichtig. Durch den Abschluss eines Aufhebungsvertrags werde das Betriebsratsmitglied allerdings regelmäßig nicht unzulässig begünstigt. Soweit die Verhandlungsposition des Betriebsratsmitglieds günstiger sei als die eines Arbeitnehmers ohne Betriebsratsamt, beruhe dies auf dem in § 15 KSchG und § 103 BetrVG geregelten Sonderkündigungsschutz.

Gleiss Lutz Kommentar

Die Entscheidung, die bislang nur in Form einer Pressemitteilung vorliegt, ist zu begrüßen. Nach ungefähr einem Jahr bereute der Kläger den Abschluss des Aufhebungsvertrags offenbar, weshalb er diesen vor Gericht mit der Argumentation, der Aufhebungsvertrag stelle eine unzulässige Begünstigung gem. § 78 S. 2 BetrVG dar, zu beseitigen versuchte. Dieser Argumentation erteilten sowohl die Vorinstanzen, als auch der siebte Senat eine Abfuhr. Aufgrund der Dispositionsmaxime können die Parteien eines Rechtsstreits grundsätzlich frei entscheiden, ob und mit welchem Inhalt sie einen Rechtsstreit beenden. Die Dispositionsmaxime – und somit auch die Vertragsfreiheit – sind nur ausnahmsweise eingeschränkt, wenn öffentlichen Interessen entgegenstehen. Beruhen die in einem Aufhebungsvertrag getroffenen Vereinbarungen auf sachlichen Gründen, stellen diese regelmäßig keine unzulässige Begünstigung dar. Vorliegend war die hohe Abfindung im Wesentlichen dem Sonderkündigungsschutz des Klägers als Betriebsratsmitglied geschuldet (vgl. § 15 KSchG, § 103 BetrVG). Diesen Sonderkündigungsschutz kann sich der Arbeitnehmer quasi "abkaufen" lassen, ohne dass dies eine unzulässige Begünstigung "wegen des Betriebsratsamts" darstellt.

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