Arbeitsrecht

BAG: Rückkehr aus dem Homeoffice – Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats?

In der letzten Ausgabe unseres Newsletters haben wir uns mit der Rechtmäßigkeit einer Weisung befasst, mit der der Arbeitgeber eine Tätigkeit im Homeoffice beendete und den Mitarbeiter aufforderte, wieder in der Betriebsstätte tätig zu werden (siehe dazu den Beitrag vom 16. Dezember 2021). Das LAG München ging in der dabei skizzierten Entscheidung (26. August 2021 – 3 SaGa 13/21) von der grundsätzlichen Rechtmäßigkeit einer entsprechenden Weisung aus. Das BAG befasste sich in seinem Urteil vom 20. Oktober 2021 mit der Frage, ob es sich bei der Weisung, aus dem Homeoffice an den Büroarbeitsplatz zurückzukehren um einen mitbestimmungspflichtigen Tatbestand nach § 99 BetrVG handelt. Im Ergebnis nahm das BAG im konkreten Fall eine Versetzung im Sinne des § 95 Abs. 3 BetrVG an, wobei es klarstellte, dass das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei Versetzungen kein Instrument zur umfassenden Vertragsinhaltskontrolle sei.

BAG, Urteil vom 20. Oktober 2021 – 7 ABR 34/20

Sachverhalt der Entscheidung

Die Arbeitnehmerin vereinbarte mit der Arbeitgeberin alternierende Telearbeit. Nach dieser Vereinbarung erbrachte die Arbeitnehmerin ihre Arbeitsleistung überwiegend an ihrem häuslichen Arbeitsplatz. Aufgrund wirtschaftlicher Erwägungen und zur Umsetzung eines „Desk-Sharing“-Modells teilte die Arbeitgeberin der Arbeitnehmerin die Absicht mit, die Vereinbarung zur alternierenden Telearbeit zu widerrufen. Die Arbeitgeberin bat den Betriebsrat um Zustimmung zu der geplanten Maßnahme. Aus Sicht der Arbeitgeberin sei mittlerweile der Grund für die alternierende Telearbeit weggefallen. Eine Rückkehr in die betriebliche Arbeitsstätte sei notwendig. Der Betriebsrat verweigerte die Zustimmung mit der Begründung, aus Sicht des Betriebsrats habe keine ordnungsgemäße Interessenabwägung stattgefunden. Zudem habe die Arbeitgeberin das notwendige billige Ermessen nicht ausgeübt. Der Arbeitnehmerin würden durch die Veränderung ihres Arbeitsortes erhebliche Nachteile in Form von Wegzeiten und Fahrtkosten entstehen. Die Arbeitgeberin leitete sodann ein gerichtliches Zustimmungsersetzungsverfahren ein.

Entscheidung des BAG

Das BAG bejahte ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats als solches. Es liege eine Versetzung im Sinne von §§ 99 Abs. 1 S. 1, 95 Abs. 3 S. 1 BetrVG vor. Die Arbeitnehmerin war bisher weit überwiegend in alternierender Telearbeit an ihrem häuslichen Arbeitsplatz tätig. Nun solle sie wieder ausschließlich und auf unabsehbare Zeit in der Betriebsstätte eingesetzt werden. Dabei handele es sich um einen dauerhaften Wechsel des regelmäßigen Arbeitsortes. Durch den Wechsel des Arbeitsorts würde sich das Gesamtbild der Tätigkeit ändern, da die Arbeitnehmerin durch die dauerhafte Anwesenheit in der Betriebsstätte in anderer Weise als zuvor in den Betriebsablauf eingebunden sei.

Der Betriebsrat habe demnach in einem solchen Fall grundsätzlich ein Mitbestimmungsrecht nach § 99 Abs. 1 BetrVG. Das BAG stellt allerdings klar, dass das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats kein Instrument zur umfassenden Vertragsinhaltskontrolle sei. Es sei insbesondere nicht die Aufgabe des Betriebsrats, im Rahmen des § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG die Einhaltung der vereinbarten Arbeitsvertragsinhalte zu überwachen. So kann der Betriebsrat die Zustimmungsverweigerung nach § 99 Abs. 2 Nr.1 BetrVG nicht auf Verstöße von Normen stützen, die lediglich zur individualrechtlichen Unwirksamkeit einer Versetzung führen. Der Betriebsrat könne die Verweigerung seiner Zustimmung auch nicht mit einer fehlerhaften Ermessensausübung im Rahmen des § 106 S. 1 GewO begründen. Das Beteiligungsrecht des Betriebsrates nach § 99 Abs. 1 BetrVG beziehe sich nur auf die tatsächliche Zuweisung der Betriebsstätte als ausschließlichen Beschäftigungsort, nicht jedoch auf den vorbereitenden vertraglichen Widerruf der Vereinbarung zur alternierenden Telearbeit.

Im Hinblick auf § 99 Abs. 2 Nr. 4 BetrVG seien nach dem BAG nicht sämtliche für den Arbeitnehmer entstehenden Nachteile relevant. Vielmehr seien etwaige versetzungsbedingte Nachteile vorliegend in dem Vollzug der unternehmerischen Entscheidung der Arbeitgeberin begründet und daher aus betrieblichen Gründen gerechtfertigt.

Bewertung und Folgen für die Praxis

Neben den individualrechtlichen Anforderungen an die arbeitgeberseitige Weisung zur Rückkehr aus dem Homeoffice in die Betriebsstätte ist ebenso ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 99 Abs. 1 BetrVG zu beachten. Ändert sich durch die Rückkehr das Gesamtbild der Tätigkeit und ist die Rückkehr in die Betriebsstätte nicht nur auf eine kurze vorübergehende Zeit angelegt, ist von einer Versetzung im Sinne von § 95 Abs. 3 BetrVG auszugehen. Das BAG stellt aber richtigerweise klar, dass der Betriebsrat die Zustimmung nicht mit der Begründung verweigern kann, die Maßnahme entspräche nicht billigem Ermessen und sei daher individualarbeitsrechtlich unzulässig.

Unabhängig von dem vorliegend entschiedenen Fall deutet das BAG in einem Nebensatz an, dass allein die theoretische Möglichkeit, an mobilem Arbeiten teilzunehmen, das Gesamtbild der Tätigkeit nicht verändere und folglich in einem solchen Fall keine Versetzung vorliege. Daraus ließe sich ableiten, dass individuelle Vereinbarungen mit Arbeitnehmern, die das Recht des Mitarbeiters begründen, an vereinzelten Tagen im Homeoffice tätig zu werden, nicht der Mitbestimmung des Betriebsrats nach § 99 Abs. 1 BetrVG unterliegen.

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