Das BAG entschied mit Urteil vom 14. Mai 2025 – 5 AZR 215/14, dass die tariflich geregelte pauschale Zeitgutschrift für das An- und Ablegen von Schutzkleidung eine besondere Form der Arbeitsvergütung sei, die lediglich nicht sofort ausgezahlt, sondern verrechnet werde. Sie sei daher nach dem Entgeltausfallprinzip auch für Zeiten urlaubs- oder krankheitsbedingter Abwesenheit zu gewähren.
Sachverhalt
Der Kläger ist bei der Beklagten als Rettungssanitäter angestellt. Bei seiner Tätigkeit ist Schutzkleidung zu tragen, die im Betrieb an- und abgelegt wird. Nach dem einschlägigen Manteltarifvertrag (MTV) erhalten Mitarbeiter im Rettungsdienst hierfür eine pauschale Zeitgutschrift von 12 Minuten pro geleisteter Schicht. Der MTV sieht zudem vor, dass die geschuldete Jahressollarbeitszeit „durch Arbeit und Abwesenheit, die der Arbeit gleichsteht (z.B. Urlaub, Krankheit) erbracht“ und für diese Abwesenheitszeiten die „jeweilig dienstplanmäßig vorgesehene Arbeitszeit gutgeschrieben“ werde. Die Beklagte gewährte die Zeitgutschrift für Umkleidezeiten jedoch nur für tatsächlich gearbeitete Schichten, nicht aber für Urlaubs- und Krankheitstage. Nach ihrer Ansicht gehören Umkleidezeiten nicht zur gutzuschreibenden, dienstplanmäßig vorgesehenen Arbeitszeit. Mit seiner Klage begehrt der Kläger – soweit in der Revisionsinstanz noch relevant – die Gutschrift für Umkleidezeiten an Tagen krankheits- und urlaubsbedingter Abwesenheit. Das Arbeitsgericht hatte die Klage insoweit zurückgewiesen, das LAG ihr stattgegeben.
Entscheidung
Die Revision der Beklagten war nicht erfolgreich. Das BAG sprach dem Kläger einen Anspruch auf Zeitgutschriften für Zeiten krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit aus § 3 Abs. 1 S. 1, 4 Abs. 1 EFZG sowie für Urlaubszeiten aus § 1 BUrlG jeweils i.V.m. den Regelungen des MTV zu.
- Der Zeitaufwand für das An- und Ablegen der Schutzkleidung sei ausschließlich fremdnützig und daher vergütungspflichtige Arbeit.
- Diese Einordnung schließe individual- oder kollektivrechtliche Regelungen nicht aus, nach denen die dafür aufgewendete Zeit anders zu vergüten ist als die „eigentliche“ Tätigkeit. Eine solche besondere Vergütungsform der streitgegenständlichen „Umkleidearbeit“ könne auch eine pauschale Zeitgutschrift auf dem Arbeitszeitkonto i.S.d. MTV sein.
- Nach Maßgabe des Entgeltausfallprinzips des EFZG erhalte der Arbeitnehmer grundsätzlich die Vergütung, die er erhalten hätte, wenn er nicht arbeitsunfähig gewesen wäre. Da die pauschale Gutschrift für Umkleidezeiten nur eine andere Form der Vergütung darstelle, sei diese folglich auch im Krankheitsfall zu gewähren. Eine hiervon abweichende Bemessungsgrundlage (vgl. § 4 Abs. 4 EFZG) enthalte der MTV nicht.
- Auch für die Urlaubszeiten sei die pauschale Zeitgutschrift zu gewähren. Schon aus Gründen des Unionsrechts dürfe das Urlaubsentgelt nicht geringer sein als das Entgelt, welches der Arbeitnehmer in Zeiten der Arbeitsleistung erhalte. Diese Wertgleichheit werde nur dann erreicht, wenn die Zeitgutschrift für die „Umkleidearbeit“ Bestandteil der Urlaubsvergütung sei.
Fazit
Das An- und Ablegen einer vom Arbeitgeber vorgeschriebenen und nur im Betrieb zu tragenden Dienstkleidung ist regelmäßig vergütungspflichtige Arbeitszeit. Beruht das An- und Ablegen der Dienstkleidung im Betrieb und der damit verbundene Zeitaufwand auf einer entsprechenden Anweisung des Arbeitgebers, ist das Umkleiden ausschließlich fremdnützig. Es ist daher „Arbeit“ und zu vergüten. Umkleidezeiten können jedoch anders vergütet werden als die „eigentliche“ Tätigkeit, wenn dies individual- oder kollektivrechtlich geregelt ist.
Wird das Tragen von Dienstkleidung durch Weisung angeordnet, sollten Arbeitgeber prüfen, wie diese Zeiten in ihrem Betrieb erfasst und vergütet werden. Dies gilt ebenso für Waschzeiten, die durch den Arbeitgeber angeordnet werden oder aufgrund von Hygienevorschriften für die „eigentliche“ Tätigkeit erforderlich sind.
Die Frage nach einer Regelung für die Vergütung der Umkleidezeiten für tatsächlich erbrachte Arbeit stellt sich nach der vorliegenden Entscheidung auch für die Frage der Urlaubsvergütung und der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Während für die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall nach § 4 Abs. 4 EFZG zusätzlich durch Tarifvertrag eine abweichende Regelung zur Bemessungsgrundlage getroffen werden kann, ist für die Urlaubsvergütung aufgrund des Gebots der Wertgleichheit die Vergütungsregelung für die tatsächlich erbrachten Umkleidezeiten maßgeblich.